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"Keinerlei Grund zu lachen, wenn man in die Opposition geht"

Die grüne Verbraucherschutzministerin Renate Künast will vorläufig keine Koalitionsmöglichkeit ausschließen. Wer ihre Partei zu Gesprächen einlade, müsse allerdings auch ein klares Angebot machen. Im Zweifelsfall würde sie lieber in die Regierung als in die Opposition.

Moderation: Doris Simon | 19.09.2005
    Doris Simon: Jetzt geht es ans einfache Rechnen: Will die Union regieren, dann muss sie sich mit den Sozialdemokraten zusammentun oder mit FDP und Grünen gemeinsame Sache machen. Umgekehrt gilt das ebenso für die Sozialdemokraten. Seit gestern Nacht also predigen Union und SPD unablässig das offene Gespräch mit den kleinen Parteien. Am Telefon ist jetzt Verbraucherschutzministerin Renate Künast von den Grünen, guten Morgen.

    Renate Künast: Guten Morgen Frau Simon.

    Simon: Frau Künast, bei so viel Gesprächswillen und Offenheit der Großen, haben die Grünen ein offenes Ohr für Koalitionsvorschläge?

    Künast: Ja also, wir müssen ja wie alle mit dem Ergebnis leben und haben quasi damit die Aufgabe, eine Regierung zu bilden. Und logischerweise reden wir mit denen, die mit uns reden wollen, aber ganz klar ist immer: Auf den Inhalt kommt es an.

    Simon: Gibt es Koalitionen, die Sie ausschließen?

    Künast: Nein, ich schließe per se keine aus. Obwohl ja jeder weiß, wie die politischen Diskussionen in der Vergangenheit gelaufen sind. Im wahrsten Sinne des Wortes, wo die Haupttrennlinien gelaufen sind. Wir haben einen Richtungswahlkampf gehabt und ich sage mal, das sind Dinge, die man nicht vergisst, weil sie normal auch auf Inhalten basieren.

    Simon: Das heißt also potenziell eher vielleicht noch Übereinstimmung mit der FDP, Bürgerrechte, innere Sicherheit und so weiter, als in einer schwarz-gelb-grünen Koalition unter Umständen noch mit der CSU?
    Künast: Ja genau, aber es ist so: die größten Parteien haben in unserem System die Aufgabe, Regierungen zu bilden, sich darum zu bemühen; und deshalb werden wir Gespräche führen. Aber es kommt dann immer auf den Inhalt an, der dort angeboten wird. Und die Form, also wer mit wem, ist dann entsprechend danach zu richten. Sie wissen, wir haben dezidierte Vorstellungen darüber, wie eine soziale Modernisierung - auch hinsichtlich der Frage der Steuersysteme - eigentlich aussehen soll. Und das werden dann schon interessante Gespräche.

    Simon: Eine große Koalition ist etwas, was Sie wahrscheinlich nicht gut halten für das Land. Wo ist da die Linie, wie viel gibt man zu, dass man eine große Koalition verhindert und wo geht es einfach nicht mehr?

    Künast: Na ja, Frau Simon. Erst mal sind wir als Grüne gar nicht in der Situation, etwas zugeben zu müssen. Sondern die Gespräche müssen ja initiiert werden von anderen. Und das sehen wir jetzt auch erst mal sehr gelassen. Also wir sind ja jetzt erst wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale. Alle werden heute Vormittag mit ihren Parteigremien reden. Und wer uns einlädt, wird uns auch sagen müssen, was das Angebot ist.

    Und da sage ich mal klar, wir haben eine Vorstellung über soziale Modernisierung dieses Landes, die so aussieht, dass tatsächlich alle Generationen, die Älteren und die Jüngeren, Chancen haben in sozialen Sicherungssystemen. Wir stellen uns vor, Subventionen abzubauen und die zu investieren in bestimmte Dinge: Zum Beispiel in Bildung, Bildung, Bildung oder in den Umweltbereich, mit dem man im Übrigen auch jede Menge Arbeitsplätze schafft. Weil wir meinen, dass auch das eine verantwortliche Politik ist. Und da werden wir dann jeweils genau gucken und fragen: Was wollen sie uns anbieten?

    Simon: Dass alle Parteien möglichst viel von ihren Inhalten rüberbringen wollen, ist glaube ich jedem Wähler verständlich. Aber wenn es so schwierig ist, wie es jetzt ist, man kann die Wähler doch auch nicht so lange abstimmen lassen, bis es passt?

    Künast: Ja, aber so weit sind wir ja noch gar nicht, dass man sagt, lasst uns so lange abstimmen, bis es passt. Erst mal, denke ich, haben wir jetzt eine Woche von Gesprächsangeboten vor uns, und dann wird man sehen. Ich halte nichts davon, immer schon drei, vier, fünf "Wenns" zu diskutieren, was wäre wenn. Wenn dann in ein paar Wochen Abstimmungen erfolgen, vielleicht gibt es ja auch eine Klärung?

    Simon: Gestern hatte man manchmal so ein bisschen den Eindruck, wenn es dann die Opposition sein muss bei den Grünen, dann sieht man das mit einem eher lachenden Auge. Hat dieser Eindruck getäuscht?

    Künast: Getäuscht. Also das kann ich Ihnen sagen, ich habe keinerlei Grund zu lachen, wenn man in die Opposition geht, obwohl wir uns durchaus auch darauf vorbereiten. Weil wir sagen, wir sind nicht für jeden Inhalt zu haben. Nein, also sagen wir mal, die Demokratie hat auch dieses vorgesehen, auch da kann man gestalten, aber gestalten in der Regierung ist mir im Zweifelsfall lieber. Man muss es dann aber auch können. Also es kommt auf den Inhalt an, sonst bewegen wir uns dort nicht hin.

    Simon: Wie groß ist für die Grünen die Gefahr des Bedeutungsverlustes? Sie sind ja in vielen Landtagen nicht vertreten, wenn sie dann im Bund noch in der Opposition sind?

    Künast: Ach, da mache ich mir die geringsten Sorgen drum. Sehen sie mal, Frau Simon, alle grünen Themen sind im Augenblick ganz hoch auf der Agenda. Man hatte im Wahlkampf in den letzten Tagen nach geradezu das Problem, dass man bei anderen dachte, jetzt folgen die alle den Grünen und den grünen Themen. Ich glaube, dass unsere Themen ganz klar auf der Agenda stehen.

    Und sehen Sie mal, wir haben in diesem Wahlkampf ohne Funktionsargument, also ohne dass wir sagen können, wir stehen hier sicher zur Verfügung für eine Regierungsbildung, haben wir es geschafft, wieder ein gutes Ergebnis zu haben, das zu unseren guten Bundestagsergebnissen gehört. Ich glaube das zeigt, dass dieses Thema da ist. Und die anderen greifen immer, wenn ein Teil unserer Themen im Mainstream ist, greifen die anderen dieses auf.

    Simon: Vielen Dank für diese Informationen. Das war Renate Künast, die grüne Verbraucherschutzministerin, auf Wiederhören.

    Künast: Wiederhören.