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Kelber: Niedrigverdiener von der Stromsteuer entlasten

Die Strompreise senken, das will auch die SPD. Die Pläne von Umweltminister Altmaier seien aber zum Scheitern verurteilt, meint Ulrich Kelber, Fraktionsvize und Energieexperte der SPD. Er schlägt eine soziale Lösung vor, bei der Geringverdiener von der Stromsteuer entlastet werden.

Ulrich Kelber im Gespräch mit Sandra Schulz | 04.02.2013
    Sandra Schulz: Der Zeitplan von Umweltminister Altmaier ist ehrgeizig. Schon ab August, noch vor der Bundestagswahl, soll das Gesetz für eine Strompreisbremse greifen, das er vor einer Woche vorgeschlagen hat – so sein Plan. Die Kosten der Stromverbraucher, die ja auch Wähler sind, sollen damit gedeckelt werden, die Strompreise nicht länger ein unkalkulierbarer Faktor bleiben.

    Dafür will Altmaier unter anderem die Zulage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz einfrieren. Mit seinen Plänen stößt er aber jetzt auf deutlichen Widerstand, zum Beispiel auch beim Koalitionspartner. Aus einem internen Papier des FDP-geführten Wirtschaftsministeriums zitiert der "Spiegel" die Einschätzung, Altmaier greife zu Scheinlösungen, das Projekt sei zum Scheitern verurteilt.

    Und auch die Opposition trommelt gegen das Vorhaben. Das muss der Umweltminister ernst nehmen, denn im Bundesrat könnte Rot-Grün den Daumen senken. Nur sind sich Rot und Grün in ihrem Widerstand nicht einig und darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon begrüße ich Ulrich Kelber, er ist stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag und Umwelt- und Energieexperte seiner Fraktion. Guten Morgen!

    Ulrich Kelber: Guten Morgen!

    Schulz: Herr Kelber, Rot-Grün könnte das Projekt im Bundesrat ja stoppen. Die Grünen wollen das auch. Aber von den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten sind die Signale nicht so eindeutig. Verstehen Sie, warum nicht?

    Kelber: Wir haben eine etwas differenziertere Botschaft, aber schon eindeutig. Wir haben gesagt, als Beispiel, dass wir die ganzen ausufernden Befreiungen von der EEG-Umlage, die ja die anderen Kunden zahlen müssen, rückgängig machen wollen. Also wir wollen nicht mehr, dass der Rolltreppenbetrieb des Stuttgarter Flughafens befreit ist vom EEG oder Golfplätze von den Netzentgelten. Wir möchten aber schon, dass die Unternehmen, die vor vielen Jahren schon von Rot-Grün von der Umlage befreit wurden, weil sie im internationalen Wettbewerb stehen mit Ländern, die leider Öko-Dumping betreiben, dass deren Umlagen ungemindert bleiben, weil das sonst Arbeitsplätze kostet.

    Schulz: An diese Privilegierungen will der Umweltminister ja auch heran, aber er schlägt eben auch vor, diese EEG-Zulage einzufrieren. Die gilt ja als Kostentreiber. Ist das denn jetzt richtig?

    Kelber: So wie er es macht, ist es falsch. Ausnahmsweise hat da Herr Rösler mal Recht in seiner Beurteilung. Der Eindruck ist ziemlich eindeutig, dass es Altmaier nicht um wirkliche Lösungen von Problemen geht, sondern um selber gut dazustehen, um nachher sagen zu können, ich habe doch Vorschläge gemacht, die anderen haben abgelehnt. Aber wir sind hier nicht beim Schwarze-Peter-Spiel; wir müssen das Energiemanagement in Deutschland, das Energiepolitikmanagement in den Griff bekommen und die Preise in den Griff bekommen, und da sind die Dinge, die Altmaier vorgeschlagen hat, völlig wirkungslos.

    Schulz: Wenn das so falsch ist, dann müssen Sie logischerweise auch dafür sein, dass Rot-Grün das im Bundesrat stoppt?

    Kelber: Der Bundesrat ist ja eine eigenständige Kammer. Wir stoppen nicht, wir werden mit eigenen Vorschlägen hineingehen und deswegen wäre Altmaier gut beraten, auch mal mit irgendjemand in Kontakt zu treten. Er hat sich ja gerühmt, dass er seine Pläne geheim gehalten hat. Er hat sie so geheim gehalten, dass er sie noch nicht einmal mit den Fachabteilungen in seinem Ministerium, also den vom Steuerzahler entlohnten Spezialisten besprochen hat, sondern Nachts selber am Laptop noch mal neu geschrieben hat. So kann das nicht funktionieren bei einer Frage, die 80 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner betrifft.

    Schulz: Und der Vorschlag, mit dem die SPD in die Verhandlungen geht, der läuft darauf hinaus, die Stromsteuer zu senken. Das war ja eine Erfindung von Rot-Grün. Also da hatten Sie sich dann vertan?

    Kelber: Nein, das ist einer von vielen Vorschlägen und in der Tat ist natürlich die Stromsteuer in dieser Form und all umgreifend eingeführt worden, als die Energiekosten deutlich niedriger waren. Wir haben mit einem anderen Instrument und aus vielen anderen Gründen einen Anstieg gehabt und glauben jetzt, dass es richtig wäre, diejenigen, die wenig Geld haben, die wenig verbrauchen, sozusagen die Grundversorgung von dieser Stromsteuer auszuschließen.

    Schulz: Die Kappung, die Ihnen da vorschwebt, was wird die kosten?

    Kelber: Je nach Ausgestaltung zwischen 200 und 500, 600 Millionen Euro im Jahr. Das sind allerdings Einnahmen, die durch das Ansteigen der Mehrwertsteuereinnahmen auf die EEG-Umlage und den Strompreis auch gerade in den letzten Jahren beim Staat zusätzlich eingegangen sind. Die Kritik der Grünen bezieht sich auf die Bürokratiekosten. Die kann man natürlich in einer ganz anderen Form gestalten, als das die Grünen in ihrer Reaktion dargestellt haben, die ja gesagt haben, der Stromhändler muss nachprüfen, wie viele Leute in einem Haushalt wohnen. So einen Vorschlag werden wir sicherlich nicht unterbreiten.

    Schulz: Bevor wir darauf kommen, würde ich gerne noch mal das festhalten, was Sie gerade sagen. Die Verbraucher sollen bei der Stromsteuer sparen und das soll ihnen dann aber bei der Mehrwertsteuer wieder aus der Tasche gezogen werden?

    Kelber: Nein, umgekehrt. Die Mehrwertsteuer ist ja immer anteilig auf den Preis. Das heißt, das Ansteigen des Grundpreises, auch der Umlagen in den letzten Jahren hat die Mehrwertsteuereinnahmen des Staates deutlich erhöht. Diese in den letzten Jahren bereits eingegangenen Einnahmen werden jetzt durch die Senkung der Stromsteuer dann wieder zumindest teilweise zurückgegeben. So herum wird ein Schuh daraus.

    Schulz: Aber wenn das zurückgegeben wird, dann würde ja gar keine Lücke entstehen. Das ist doch ein Widerspruch, auf den ja – und jetzt bin ich bei der Reaktion der Grünen – Robert Habeck auch hinweist. Das ist der Grünen-Chef in Schleswig-Holstein, der sagt: 90 Prozent der Stromsteuer geht in die Rente und Sie müssten jetzt erst mal vorschlagen, wie diese Lücke denn zu schließen sei. Was schlagen Sie vor? Sollen die Renten dann weiter sinken?

    Kelber: Robert Habeck hat Unrecht, denn es gehen nicht 90 Prozent der Stromsteuer in die Rente, sondern 100 Prozent der Stromsteuer gehen in den Staatssäckel und der Steuerzuschuss zur Rente wird auch zu 100 Prozent vom Staat gemacht. Und dieser Staat hat durch die gestiegene Mehrwertsteuer, sozusagen der Staat als Profiteur steigender Strompreise, in den letzten Jahren mehr eingenommen. Davon muss er einen Teil zurückgeben. Sowohl bei der Einführung der Atomenergie, als bei anderen Geschichten ist jeweils den Schwächsten geholfen worden, sind nicht alle Preise umgelegt worden. Warum soll bei der Einführung der Erneuerbaren auf einmal 100 Prozent der Kosten auch auf die Schwächsten in der Gesellschaft umgelegt werden? Das macht keinen Sinn und die Frage können die Grünen auch nicht beantworten.

    Schulz: Aber die Stromsteuer, die ist ja mal eingeführt worden, um einen Anreiz zu geben, Energie zu sparen. Brauchen wir diese Anreize jetzt nicht mehr?

    Kelber: Doch, und man kann zum Beispiel genau das darüber legen, dass man einen sogenannten Niedrigverbrauchertarif einführt. Also wer nicht übermäßig Strom verbraucht, der kann in einen Tarif gehen, der zwei Vorteile hat: Erstens, der Stromanbieter darf hier höchstens pro Kilowattstunde den Preis seines günstigsten Angebotes nehmen, also den, den er zum Beispiel für besonders gute Kunden verwendet und hier wird dann die Stromsteuer auf den Grundverbrauch entlastet. Dann ist die Entlastung zusammen mit Einsparung gleichzeitig erreicht. Den Vorschlag kennen auch die Fachexperten der Grünen und die haben interessanterweise nicht so geschossen, sondern das waren die Leute aus anderen Reihen.

    Schulz: Aber wir halten fest: Die Wahl rückt näher, der Strom wird teurer, da rückt das Thema Umweltschutz für die SPD dann schon stark in den Hintergrund?

    Kelber: Nein, Frau Schulz. Auch wenn Sie heute Morgen darauf bestehen: Ich bin Umweltpolitiker, ich komme aus der Umweltbewegung. Wir wollen die Einführung der erneuerbaren Energien weiter beschleunigen und nicht abbremsen wie Altmaier. Wir wollen nur den Schwächsten, die ohnehin wenig Strom verbrauchen, nicht wie Sie oder ich, die wollen wir bei den Kosten entlasten.

    Schulz: Aber noch mal ganz kurz nachgefragt. Wenn Sie das abbremsen wollen, warum sind Sie dann nicht dafür, dass der Bundesrat das auch stoppt?

    Kelber: Wir werden die Vorschläge von Herrn Altmaier stoppen, wenn er sie in dieser Form macht. Nur wir sagen nicht einfach nein …

    Schulz: Aber Ihre Ministerpräsidenten der Länder sehen das nicht so?

    Kelber: Nein! Wir sagen nicht einfach nein, sondern wir kommen mit eigenen Vorschlägen rein. Das ist doch unsere Verantwortung. Wir sind in den Ländern als SPD auch gewählt worden, um zu gestalten. Wir sind nicht eine Blockademehrheit, sondern eine Gestaltungsmehrheit im Bundesrat.

    Schulz: Die Grünen sehen das ja in teilweise ziemlich zugespitzter Form anders. Ist da der grüne Wunschpartner möglicherweise weiter weg als zum Beispiel ein Umweltminister Altmaier von der SPD?

    Kelber: Definitiv nicht, weil wir werden weder das Abtöten der Erneuerbaren durch Altmaier mitmachen, wir werden auch nicht zulassen, dass er weiterhin nur Sprüche darüber macht, diese ganzen Befreiungen zurückzunehmen, die auch ökologisch schädlich sind. Und wir werden auch nicht zulassen, dass Altmaier die Bestandsanlagen bei den Erneuerbaren, die Vertrauensschutz haben, nachträglich mit mehr Geld belastet. Von daher stehen da Rot und Grün klar zusammen. Was Rot und Grün noch machen müssen, ist, sich auf ein gemeinsames Maßnahmenpaket zu einigen, dass wir als einen Gegenvorschlag präsentieren, weil wir nicht einfach nur ablehnen wollen, sondern weil wir versuchen wollen zu überzeugen, dass ein anderer Weg in der Energiepolitik schlauer ist. Altmaier hat an einer Stelle in seinem Papier das eigentliche Problem benannt, nur dafür keine Lösung geliefert.

    Schulz: An welcher Stelle?

    Kelber: Er hat gesagt, gar nicht der Zubau von Erneuerbaren ist das Problem, gar nicht die Erneuerbaren für sich, sondern die Art und Weise, wie die Umlage berechnet wird, dass nämlich dann, wenn die Erneuerbaren mit Masse in den Markt dringen, die Strombörsenpreise sinken, aber die EEG-Umlage ist die Differenz zwischen der Vergütung für die Erneuerbaren und den Börsen. Also es ist nur ein scheinteurerwerden der Erneuerbaren und an der Stelle müsste man handeln, damit eben nicht die Oligopole, nicht die Netzbetreiber den Erneuerbaren-Energien-Strom verscherbeln können, sondern damit der endlich in Wert gesetzt wird und damit die Umlage nicht weiter steigen wird. Aber nur dazu hat er dann keinen Vorschlag gemacht, er hat nur das Problem benannt.

    Schulz: Ulrich Kelber, SPD-Fraktionsvize im Bundestag und Energie- und Umweltexperte seiner Fraktion, heute Morgen hier in den "Informationen am Morgen". Haben Sie herzlichen Dank für das Interview.

    Kelber: Danke, Frau Schulz.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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