Bürgermeister in Guben

Korrupt, aber wiedergewählt

Gubens suspendierter Bürgermeister Klaus-Dieter Hübner
Gubens suspendierter Bürgermeister Klaus-Dieter Hübner © dpa / Bernd Settnik
Von Vanja Budde · 12.04.2017
Ein korrupter Bürgermeister im brandenburgischen Guben, überführt und verurteilt, tritt erneut zur Wahl an und gewinnt mit klarer Mehrheit. Bei Amtsantritt wird er suspendiert und bekommt Hausverbot. Seine Wähler sind empört.
"Am 17. Juli 2016 wählten die Gubener immerhin mit 57 Prozent, das ist ja keine knappe Wahl, einen Mann ins Amt, der vorbestraft ist."
"Der ursprünglich von den Grünen eingebrachte Gesetzesänderungsantrag, der ja als ‚Lex Guben‘ tituliert wird, war ja ursprünglich eine ‚Lex Hübner‘. Die Intention war gewesen, den Bürgermeister zu entfernen. Wir waren sehr kritisch zu dem Ganzen, weil der Wählerwille für uns das Ausschlag gebende Kriterium war."
"Aber ist es nicht bereits ein Ausdruck von Verdruss in der Bevölkerung, wenn eine solche Person gewählt wird?"
Die Landtagsabgeordneten waren sich weitgehend einig: Ein zweiter Fall Hübner muss verhindert werden. Nur die AfD stimmte gegen die Gesetzesänderung. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion, Ursula Nonnemacher, sieht in dem, was in Guben passiert ist, weit mehr als eine Provinzposse:
"Politisch ist das ausgesprochen schwierig und ausgesprochen bemerkenswert, dass eine Mehrheit sagt, ‚nö, ist ein guter Mann, ist uns egal, ist der halt korrupt, schert uns nicht‘. Und ich glaube, das hat vielleicht etwas mit mangelndem Rechtsbewusstsein zu tun oder auch einem allgemeinen Ansehensverlust von demokratischen Institutionen, so dieser Spruch: ‚Was soll‘s, korrupt sind die doch alle‘. Da sind eine ganze Menge Probleme, die da offenbar werden."
Erst suspendiert, dann Hausverbot
Als Klaus-Dieter Hübner von der FDP im vergangenen Sommer nach seiner Wiederwahl auf dem Bürgermeisterstuhl im Rathaus von Guben Platz nahm, musste er nach wenigen Minuten wieder gehen: Der "Berlusconi von der Neiße" wurde erst von den Stadtverordneten und dann auch vom Landrat des Kreises Spree-Neiße suspendiert und erhielt im Rathaus Hausverbot.
"Uns war klar, dass er das Amt nicht ausführen darf – wegen des Beamtenrechtes."
Herbert Gehmert von der Wählergruppe "Unabhängige Bürger".
"Und wenn einmal so ein Vertrauen gebrochen ist, ist es natürlich schwierig, mit jemandem dann auch weiter zusammenzuarbeiten."
Guben heute, die Stadtverordneten versammeln sich im Rathaus. Das hat unter Hübners Ägide in einer ehemaligen, teuer sanierten Hutfabrik seinen Platz gefunden. Hübner war 2001 zum ersten Mal zum Bürgermeister in dem Städtchen unmittelbar an der polnischen Grenze gewählt worden, 2009 wurde er nach einer Stichwahl im Amt bestätigt. Er ließ Plattenbauten abreißen, eine Musikschule und eine Bibliothek bauen. Hübner galt als smarter Macher, bei vielen war er beliebt.
"Er ist einer, der mit dem Kopf durch die Wand ging, ohne Rücksicht auf Verluste, sowohl was menschliche Verluste in seiner Verwaltung betrifft, als auch was Verluste im städtischen Haushalt betrifft."
Frank Kramer von der Wählergruppe "Wir Gubener Bürger" sieht den gewählten Bürgermeister weniger positiv.
"Ihn hat nicht interessiert, wie viel Eigenmittel die Stadt Guben aktuell aufbringen muss, Hauptsache, sein Spielzeugdorf Guben wurde schön. Das ist schön, muss man ihm zu Gute halten. Er hat Fördermitteltöpfe angezapft auf Teufel komm raus. Und unter dieser Haushaltsschieflage leiden wir noch heute und werden wir in den nächsten 20 Jahren noch leiden."
Ab dem Jahr 2010 ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Korruption und Bestechlichkeit gegen Hübner, er wurde von seinem Amt beurlaubt und 2015 wegen Korruption zu anderthalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Hübner einem Gartenbauunternehmen städtische Aufträge zugeschanzt hatte, im Gegenzug pflegte die Firma kostenlos sein privates Grundstück. Doch das hinderte ihn nicht, 2016 wieder anzutreten. In einer Stichwahl gewann Hübner gegen seine Rivalin von der Linken mit fast 60 Prozent.
"Nach wie vor geht die Mär rum: ‚Es war doch nur ein kleiner Blumenstrauß, er ist völlig falsch verurteilt, die Gerichte haben nur ein Exempel statuieren wollen‘ – also auch ein ganz eigenartiges Empfinden von Rechtsstaatlichkeit, was Menschen haben, und diese Mär bedient auch Herr Hübner selber. Er hat ja im Wahlkampf immer geäußert: ‚Ich habe ja nichts gemacht, außer eine Ordnungswidrigkeit‘."
Als Hübner dann das Rathaus wieder verlassen musste, eskalierte die Wut seiner Wähler, erinnert sich Frank Kramer.
"Weil sie sagen: ‚Das kann nicht Demokratie sein. Wir wählen hier wen, in freier Wahl und hinterher sagen die Abgeordneten April, April, er darf sein Amt nicht ausführen‘."
Heftiger Protest vor dem Rathaus
Die Proteste der Hübner-Anhänger gingen teils so weit, dass die Stadtverordneten sich kaum noch ins Rathaus trauten.
"… dass Stadtverordnete, die ehrliche Arbeit machen, persönlich angegriffen wurden, sodass Polizeischutz gewährt werden musste, dass Häuser beschmiert wurden. Also das war die Phase, wo Wut auch in Aggression und in kriminelle Aggression umgeschlagen ist."
Der geschasste Hübner selbst will sich nicht äußern. Er klagt vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht gegen seine Suspendierung. Die sei rechtswidrig gewesen, argumentiert sein Anwalt: Wer gewählt worden sei, müsse das Amt auch antreten können. Der verantwortliche Landrat schweigt und verweist auf das laufende Verfahren. Derweil regiert Fred Mahro die Stadt: Hübners Stellvertreter und amtierender Bürgermeister von der CDU. Mahro ist froh, dass der Potsdamer Landtag die Gesetzeslücke nun geschlossen hat, die Guben tief gespalten hat in pro und contra Hübner. Doch rückwirkend gilt die neue Regelung nicht.
"Für die aktuelle Situation, die wir hier haben, wird es keine Auswirkungen haben. Hier muss halt ein Gericht entscheiden, welche Rechtsauffassung die richtige ist – die des Landrates, der das Dienstenthebungsverfahren eingeleitet hat und ein Disziplinarverfahren dazu anstrengt – oder die von Herrn Hübner, der nach wie vor erklärt: Ich bin gewählt und bin legitimiert, den Stuhl des Hauptverwaltungsbeamten hier zu besetzen."
Im Rathaus von Guben beginnt die Stadtverordnetenversammlung. Auf den Besucherstühlen hinten im Saal haben mit abweisend verschränkten Armen und finsteren Minen Mitglieder der Bürgerinitiative "Gläsernes Rathaus" Platz genommen: Anhänger Hübners, die von ihrem gewählten Kandidaten nicht lassen wollen.
"Wir warten alle gespannt auf das Gerichtsurteil und hoffen, dass er demnächst auf dem Stuhl sitzt. Also was anderes gibt’s nicht. Sonst war alles eine Verscheißerung der Gubener Bürger. Die Leute wussten, was er getan hat. Und wir brauchen einen starken Mann, der auch mal mit der Faust auf den Tisch haut."
Und die Verurteilung wegen Korruption? Vom Bundesgerichtshof bestätigt?
"Nein, das stört mir dabei nicht. Wir wussten, was er getan hat. Und für mich ist es keine Korruption."
"Wissen Sie, wie man das nennt? Auftraggeberpflege. Das macht jeder."
"Und wenn man jetzt hier den Hübner zum Buhmann macht, für meine Begriffe ist das eine Farce. Weiter ist das nichts."
Verwaltungsgericht entscheidet
Der Lehrer und Gewerkschafter Frank Kramer dagegen setzt darauf, dass das Potsdamer Verwaltungsgericht Hübners Suspendierung bestätigt.
"Ich hoffe, die Hängepartie hört schnell auf. Dann muss es Neuwahlen geben. Und dann ist der Zeitpunkt, wo man auch über neue Kandidaten nachdenken muss."
In Guben werde sich aber nach dem Drama um den Bürgermeisterposten dafür kaum jemand finden, meint Herbert Gehmert von der "Gruppe unabhängiger Bürger."
"Es wäre vielleicht günstiger, es kommt jemand von außen, der mit Guben nicht viel zu tun hatte, und sagt: ‚Okay, ich gehe jetzt unbefangen an die ganze Sache ran.‘ Wahrscheinlich wird das das Beste sein."
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