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Keyboardkönig des Jazz-Rock

Der österreichische Jazzmusiker Joe Zawinul ist im Alter von 75 Jahren gestorben. Der Keyboarder, der unter anderem zusammen mit Miles Davis auftrat und seit fast 50 Jahren in den USA lebte, wurde mit Welthits wie "Mercy, Mercy, Mercy" und "Birdland" zu einer internationalen Größe des Jazz.

Von Stefan Wagner | 11.09.2007
    "Mercy, Mercy, Mercy" - dieses Stück ist eines der beiden Aushängeschilder für die Musik eines Mannes, der im Jazz eine Sonderstellung einnimmt. Mit Ausnahme des aus Großbritannien stammenden Gitarristen John McLaughlin gelang es keinem zweiten Europäer, sich im amerikanischen Jazz so stark und lang anhaltend zu behaupten wie dem Wiener Joe Zawinul. Den Grundstein zu seiner Weltkarriere legte Joe Zawinul im Wien der 1950er Jahre, in der Band des Klarinettisten Fatty George. Dieser hatte seinen eigenen Club, in dem Joe Zawinul oft wochen- und monatelang jeden Abend auf der Bühne war.

    "Im Tabarin haben wir gespielt, sechs Monate hintereinander, und jeder Abend war ausverkauft, in der Annagasse, im 1. Bezirk. Wenn du jeden Tag spielst, lernst du spielen. Du kannst nicht spielen, wenn du heute spielst, dann wieder nächste Woche, so kannst du nie spielen lernen."

    Zu Jahresbeginn 1959 übersiedelte Joe Zawinul in die USA. Ein Stipendium für die renommierte Berklee Music School in Boston hatte dies möglich gemacht. Doch schon nach einem Monat an der Schule erreichte ihn der Ruf des Trompeters Maynard Ferguson. Dessen Schlagzeuger hatte Zawinul spielen gehört und ihn seinem Bandleader empfohlen. Echte Anerkennung in Jazzkreisen erfuhr Joe Zawinul dann durch seine Mitwirkung in der Band der Sängerin Dinah Washington und vor allem ab 1961 in jener von Cannonball Adderley. In dieser Formation fand Zawinul erstmals, was er in den USA suchte: Jazz pur, voller Emotion, voller Blues und Soul. In einem Land und in einer Zeit, in der die sogenannte Rassentrennung selbst vor der Musik nicht halt machte, gehörte der Europäer Joe Zawinul bald zum innersten Zirkel der Black Community des Jazz - eine Gemeinschaft, die ihn fortan prägte.

    "Ich habe noch gespielt während der Rassentrennung, ich war immer der einzige Weiße mit die Schwarzen, habe immer gewohnt mit den schwarzen Familien und wirklich kennengelernt die Wirklichkeit, die Menschlichkeit, die Intelligenz und die 'sophistication' der Schwarzen, ich habe Tonnen um Tonnen gelernt von diesen Leuten, und ich habe immer nach dem Prinzip gelebt, in eine Band reinzukommen und der Schwächste zu sein und rauszukommen als Stärkster."

    1969 begann die Zusammenarbeit von Joe Zawinul mit dem Trompeter Miles Davis. Mit ihm hatte Joe Zawinul vor allem eines gemeinsam: die ständige Suche nach Neuem verbunden mit einer prinzipiellen Ablehnung des Retrospektiven. Mit den LPs "In A Silent Way" und "Bitches Brew" gelang den beiden Musikern die endgültige Verankerung der elektrischen Klänge im Jazz, eine Verankerung, die Zawinul kurze Zeit zur Grundlage des Klanges seiner ersten eigenen, auf einen längeren Zeitraum angelegten Band machte - "Weather Report", gegründet 1971 von Joe Zawinul und dem Saxophonisten Wayne Shorter.

    "Wir haben lange herumgetechtelt in meiner Wohnung in New York, wie wir das nennen können. Unsere Namen können es nicht sein. Wir machen etwas, was Leute kennen, und was jeden Tag irgendwie im Ohr ist. 'News' oder 'Daily News' - das klingt nicht gut. Und der Wayne sagt: 'Weather Report - That's it.'"

    Mit "Weather Report" feierte Joe Zawinul nicht nur kommerzielle Erfolge, die im Jazz seit der Bebop-Ära bis dato unüblich waren, es gelang ihm auch die Perfektion dessen, was jeder Jazzmusiker in künstlerischem Sinne zuallererst anstrebt: die Entwicklung eines eigenen, unverwechselbaren Klangs, seiner eigenen musikalischen Sprache. Und diese Unverwechselbarkeit prägte die Musik Zawinuls bis zum Schluss, sowohl in der Nachfolgeband von "Weather Report", dem "Zawinul Syndicate" als auch bei allen anderen Projekten des Keyboarders wie etwa dem Orchesterwerk "Stories Of The Danube". Im Oktober 2005 nahm Joe Zawinul mit der WDR Big Band eines seiner berühmtesten Stücke neu auf - "A Remark You Made". Joe Zawinul hat aber mehr als nur Anmerkungen zum Jazz gemacht. Er hat echte Zeichen gesetzt, hat diese Musik in den letzten Jahrzehnten entscheidend mitgeprägt. Und das ist für einen Mitteleuropäer mehr als nur erstaunlich.