Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Kim Jong Un
Nordkoreanischer Diktator von der Bildfläche verschwunden

Es wird über den Verbleib von Kim Jong Un viel spekuliert. Möglicherweise ist er gar nicht mehr an der Macht, oder hat gesundheitliche Probleme. Auch zum 69. Gründungstag der Nordkoreanischen Arbeiterpartei tauchte er nicht auf.

Von Jürgen Hanefeld | 11.10.2014
    Nordkoreas Diktator Kim Jong Un: Wo steckt er bloß?
    Nordkoreas Diktator Kim Jong Un: Wo steckt er bloß? (dpa / picture alliance / Rodong Sinmun)
    Es war eine pompöse Veranstaltung wie immer. Das Fernsehen zeigte tanzende Paare auf den Straßen Pjöngjangs und Würdenträger vor dem Mausoleum der großen Staatsführer. Der Nachrichtensprecher erklärte:
    "Zum 69. Gründungstag der Nordkoreanischen Arbeiterpartei besuchten Funktionäre der Partei, des Staates und der Armee den Palast der Sonne, um den großen Kameraden Kim Il Sung und Kim Jong Il ihren Respekt zu erweisen. Zu den Besuchern gehörten Kim Yong Nam, Pak Pong Ju, Hwang Pyong So sowie führende Kader aus Partei, Staat und Armee."
    Doch ein Name fehlte. Der aktuelle Machthaber Kim Jong-un, Enkel beziehungsweise Sohn der "großen Kameraden", bleibt verschwunden. Und das seit fünfeinhalb Wochen! Beunruhigte Beobachter hatten darauf gesetzt, dass der Jungdiktator, der nicht auf der Gästeliste stand, wie in den vergangenen Jahren nach Mitternacht aufkreuzen würde. Als Überraschungsgast sozusagen. Aber auch das war nicht der Fall.
    Es ist nicht das erste Mal, dass Kim Jong-un spurlos von der Bildfläche verschwindet. Im Juni 2012, da war er gerade mal sechs Monate im Amt, nahm er sich schon mal eine Auszeit. Jedenfalls gab es 23 Tage lang keine Bilder von ihm, bis er plötzlich in einem Delfinarium auftauchte.
    Jetzt droht die Gerüchteküche überzukochen. In Zeiten, in denen niemand wirklich etwas weiß, ist jede Variante der Wahrheit wohlfeil.
    Eine naheliegende betrifft die Gesundheit des vermutlich 31-jährigen. Fernsehbilder aus dem Juli zeigen ihn humpelnd. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert eine anonyme Quelle mit der Behauptung, Kim habe sich am Bein verletzt, als er ein militärisches Training inspizierte. Es dauere 100 Tage, bis er wieder hergestellt sei. Von Problemen mit den Sprunggelenken oder den Fußknöcheln ist auch andernorts die Rede. Das - so heißt es - könnte mit seinem Übergewicht zu tun haben. Seit Kim an der Macht ist, habe er kontinuierlich zugenommen, sagen Fachleute. Englische Blätter behaupten gar, er sei süchtig nach Käse. Oder er wolle unbedingt die imposante Statur seines Großvaters erreichen. Nichts davon ist bestätigt.
    Der Staatsgründer und "Ewige Präsident" Kim Il Sung litt allerdings auch - wie Sohn und Enkel - an Gicht. Und an Kreislaufproblemen. Der erste Kim und der zweite erlagen Herzattacken. Der dritte, also Kim Jong-un, könnte genauso gefährdet sein - als übergewichtiger Kettenraucher mit Bluthochdruck und Diabetes. Professor Bong Young Shik vom Asian Institute of Policy Studies wendet ein:
    "Wenn Kim Jong-uns Vater, der verstorbene Kim Jong-il, mit Herzproblemen darniederlag, wurde immer sofort ein französischer Arzt eingeflogen und eine Nachrichtensperre verhängt."
    Steht es also doch nicht so schlimm um Kim? Oder ist er möglicherweise gar nicht mehr an der Macht? Aufmerksam wurde in aller Welt verfolgt, wie vor einer Woche überraschend der sogenannte zweite Mann im Staate, Marschall Hwang Pyong So, zu einer Stippvisite in Südkorea eintraf - und zwar in der Präsidentenmaschine. Ziel war es, die vor bald vier Jahren abgebrochenen Kontakte zwischen den beiden Koreas wieder in Gang zu bringen. Ist es denkbar, dass der Diktator ein solch bedeutsames politisches Manöver seinem Stellvertreter überlässt? Oder ist der vermeintliche Vertreter in Wahrheit bereits der starke Mann, während Kim nur noch als Aushängeschild dient oder gar einem Putsch zum Opfer gefallen ist? Doch aus dem Land, das von Umwälzungen in Nordkorea am Stärksten betroffen wäre, aus Südkorea nämlich, kommen abwiegelnde Einschätzungen:
    "Als die nordkoreanischen Spitzenbeamten hier waren, erklärte der Sprecher des Vereinigungsministeriums gestern, überbrachte Hwang Pyong-so, der Leiter des Politbüros der Volksarmee, Grüße von Kim Jong-un an unsere Präsidentin. Der Norden berichtet auch weiterhin über die Führungsaktivitäten von Kim Jong-un. Im Licht dieser Umstände sieht es so aus, dass Kim Jong-uns Führung ganz normal weiter besteht."
    Also nur ein Sturm im Wasserglas? Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap will wissen, Kim erhole sich auf einem Familienbesitz auf dem Lande. Das nordkoreanische Fernsehen vergaß gestern Abend jedenfalls nicht den Hinweis auf die indirekte Anwesenheit des "Großen Nachfolgers" bei den Feierlichkeiten:
    "Kim Jong-un sandte einen Blumenkorb zum Mausoleum."