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Kinder-Fußball-WM
Wenn der Leistungsgedanke im Kindersport Einzug hält

Gegen Atlético Madrid, den FC Sevilla oder Sporting Lissabon spielen ist ein Traum für Fußballer. Eine U10 von Fortuna Köln spielt als eine von rund 200 Jugendmannschaften bei der Fußballweltmeisterschaft „Mundialito Badajoz“ in Südwestspanien mit - und damit gegen europäische Top-Clubs.

02.06.2018
    Siegerehrung beim Mundialito
    Siegerehrung beim Mundialito (mundialitobadajoz.es)
    "Auf die Wärme, auf gute Gegner auch, wir spielen ja vielleicht gegen Atlético Madrid, also es wird nicht einfach", sagt der 9-jährige Maximilian. Aber es gibt eine reelle Chance für die U10 II der Fortuna Köln. Und für diese Chance gibt Maximilian alles: "Wir machen Konditionstraining, Passspiel, Torschusstraining und am Ende ein Spiel."
    Trainer Valentin Roman Elias bereitet seine Jungs auf die "Mundialito" vor – eine Kinderweltmeisterschaft organisiert durch eine Initiative der südwestspanischen Stadt Badajoz und Elvas in Portugal. International will der Trainer zeigen was seine U10 drauf hat. Nicht nur sportlich, sondern auch sozial. Elias sagt:
    "Die werden da in Kontakt sein mit Kindern, die die Sprache nicht können. Beide können kein Spanisch. Und irgendwie müssen sie da zurecht kommen miteinander. Das werden die später nie vergessen, dass sie in Südwestspanien ein Fußballturnier gespielt haben."
    Gewonnen oder verloren?
    Dr. Babette Lobinger, Sportpsychologin an der Sporthochschule Köln, bestätigt den engagierten Trainer: Organisierter Wettkampfsport fördert Sozialkompetenz, sagt sie. Er lehrt gewinnen, verlieren und steigert die Lust an der eigenen Leistung.
    Nur dürfe die noch nicht im Mittelpunkt stehen – auch nicht bei einer Weltmeisterschaft, findet Lobinger:
    "Ich würde Kinder erstmal lassen und im Einzelfall dann wirklich überlegen "ist es zu viel?", denn es kann auch zu viel sein. Ich erlebe das auch manchmal, wenn man einen 8-jährigen in das gleiche Trikot steckt, das die Profimannschaft anhat, wenn man ihm und einer ganzen Familie suggeriert, dass die Zukunft der Familie vielleicht darin bestehen könnte, dass der Junge mal die ganze Familie ernährt, dann finde ich das auch zu viel."
    Spielszene beim Mundialito
    Spielszene beim Mundialito (mundialitobadajoz.es)
    Außerdem, so die Expertin weiter, seien realistische Prognosen über die Zukunft der Kinder im Leistungssport in diesem Alter noch gar nicht zu machen – zu viel verändere sich noch. Daher rät die Sportpsychologin besonders Eltern immer dazu den sportlichen Erfolg ihrer Kindes nicht zu hoch zu hängen:
    "Wir haben das in einem Eltern-Coaching mal so deutlich gemacht, dass wir problematisiert haben: Was ist denn die erste Frage, die man seinem Kind nach dem Spiel stellt?" Gewonnen oder verloren? "Das wäre die schlechte Variante. Die Gute ist einfach: Wie war’s? Oder: Hat es Spaß gemacht? Wie war’s…das reicht."
    "Manchmal stressig"
    Außerdem sei ein Plan B grundsätzlich wichtig, so Lobinger. Auch in den Leistungszentren im Profifußball werde deshalb auf duale Karrieren gesetzt, die es jedem Sportler möglich machen, später auch einen ganz anderen beruflich Weg einzuschlagen.
    Und trotzdem: Diese Vision, es ganz nach oben zu schaffen, ist gleichzeitig natürlich das, was die Jungs antreibt. Auch der 10jährige Anton erzählt freudestrahlend: Er wolle Profi werden und dafür tut er Einiges:
    "Wir trainieren Montag, Mittwoch und Freitag, also dreimal in der Woche." Und das ist bei Maximilian nicht alles: "Am, Montag da habe ich dann auch noch Chor bis vier. Und dann muss ich direkt an die Straße und dann fahren wir direkt weiter und das ist manchmal stressig."
    Umso wichtiger ist es Mutter Jutta Rahenbrock, dass Termine und Leistungsdruck bei Ihrem Sohn nicht Überhand nehmen. Sie schaut ganz genau hin und fragt: "Von wem kommt der Druck, ne? Ist es der Druck vom Verein, vom Kind selbst sogar, weil er möchte ja Bundesligaspieler werden, klar! Nationalspieler am besten. Oder von den Eltern sogar? Gewollt ist es sicherlich nicht, aber das entwickelt sich, so ein Selbstläufer.."
    "Alle rufen da rein"
    Lasos Vater Jannis Paboukidis sagt: "Ich bin jetzt fast 50, ich träume immer noch von blöden Sachen. (lacht) Aber das habe ich nicht im Kopf."
    Sohn Laso spielt seit vier Jahren bei der Fortuna. Und trotzdem: Manchmal müsse er sich kontrollieren, gibt der Vater selbstkritisch zu:
    "Ich hab versucht natürlich wie jeder Vater oder Mutter da, seinen Sohn ein bisschen anspornen und zu helfen, damit er noch bisschen mehr rauskitzelt. Aber jetzt müssen Sie sich vorstellen: Alle rufen da rein und jeder sagt was. Ist ja Wahnsinn!"
    Und genau deshalb sind laute Anfeuerungsrufe vom Spielfeldrand offiziell verboten. Jutta Rahenbock erzählt: "...sonst gibt’s auch ne Karte, ne gelbe Karte für die Eltern. (lacht)"
    Und die haben die Kinder auch tatsächlich schon das ein oder andere mal gezogen. Die Mannschaft soll Raum haben, selbstbestimmt Fußball zu spielen und das kann sie bei Trainer Valentin Roman Elias. Er freut sich sichtlich über Situationen, in denen seine Schützlinge mittlerweile alleine entscheiden. Elias sagt:
    "Erstmal nur Spaß haben"
    "In unserem Jahrgang spielen wir ja sowieso ohne Schiedsrichter. Wir spielen also Fairplay. Das heißt die Kinder entscheiden selber, ob Freistoß ist oder Foul oder der Ball im Aus ist oder nicht. Und ich finde, es klappt, also Kinder machen das schon irgendwie untereinander."
    Selbst, wenn eine Fehlentscheidung am Ende den Sieg kostet? Trainer Valentin Elias sagt: "Die sollen erstmal nur Spaß haben, der Rest kommt von alleine."
    Und genau dieses Credo gilt auch für die Kinder-Weltmeisterschaft im spanischen Badajoz. Maximilian und Anton jedenfalls möchten heute keine Platzierungsprognose abgeben – sie freuen sich einfach auf das bevorstehende Auslandsturnier:
    "Das wird bestimmt ein großes Erlebnis", sagt Maximilian.
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