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Kindervorsorge
Von der Geburt bis zur Pubertät

Nicht nur Erwachsene, auch Babys und Kinder nehmen an Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten teil. Die Erste - U1 - startet unmittelbar nach der Geburt, die letzte findet im Alter von 17 oder 18 Jahren statt. Alle Kosten übernehmen die Krankenkassen. In manchen Bundesländern sind die sogenannten U-Untersuchungen sogar verpflichtend.

Von Mirko Smiljanic | 06.06.2017
    Ein kleines Mädchen sitzt mit skeptischer Mimik während der fälligen U7 Kinderuntersuchung (21. bis 24. Lebensmonat) beim Kinderarzt auf einem Behandlungstisch und wird mit dem Stethoskop abgehört.
    Kinderärzte teilen U-Untersuchungen in alterstypische Bereiche ein: U1 bis U6 sind Babys vorbehalten, U7 bis U9 Kleinkindern, U10 und U11 Kindern. (dpa/Klaus Rose )
    Leverkusen, Kinderarztpraxis Dr. Stephan von Landwüst. Mit strahlenden Augen steht ein junges Paar – beide Mitte 20 – in Behandlungsraum 1, im Arm hält die Mutter ein kleines Bündel.
    "Das ist Mahir Sariboga , mein Sohn. Der ist drei Monate alt. Heute genau 14 Wochen."
    Das richtige Alter für einen Besuch beim Kinderarzt.
    "Heute machen wir eine Vorsorgeuntersuchung, die U4, das ist eine Vorsorgeuntersuchung, die man bei etwa drei bis vier Monate alten Kindern macht. Vorsorge ist aus unserer kinderärztlichen Sicht natürlich auch superwichtig, bevor die Eltern oder andere sich Sorgen machen, vorher eben durch Untersuchungen und natürlich auch durch Unterhaltungen, durch viele Fragen dann herauszutüfteln, ob es den Kindern gut geht und ob sie sich gut entwickeln", erklärt Kinderarzt Dr. Stephan von Landwüst. Die erste Vorsorgeuntersuchung, die U1, findet unmittelbar nach der Entbindung statt. Herz und Lunge werden abgehorcht, die Haut auf ihre Durchblutung untersucht, sowie Muskelspannung und angeborene Reflexe überprüft.
    Bei der U11 als vorerst letzte Kontrolle sind die Kinder zwölf Jahren alt. Da stehen mögliche Schulleistungsstörungen im Mittelpunkt, Sozialisations- und Verhaltensprobleme, aber auch Zahn-, Mund- und Kieferanomalien sowie gesundheitsschädigendes Medienverhalten.
    Die weitaus meisten U-Untersuchungen finden im ersten Lebensjahr statt, mit 12 Monaten haben Babys schon sechs hinter sich.
    "Man glaubt, dass sich in den ersten Säuglingsmonaten besonders viel tut, einmal natürlich im Rahmen des Wachstums aber auch im Rahmen der Entwicklung, und dass natürlich einfach wegen der Geschwindigkeit dieser Vorgänge dann auch recht kurzzeitig zu gucken. Je älter wir werden, desto weniger schnell tut sich was. Dann gibt es natürlich noch mal die Ausnahme in der Pubertät, und da gibt es ja auch neben dieser U11-Untersuchungen auch noch mal die Jugendvorsorgeuntersuchung, die ganz klassische die J1 zwischen 12 und 15, aber mittlerweile auch eine zweite Jugendvorsorgeuntersuchung ab 15."
    Alle Werte im Normalbereich
    Die Arzthelferin Esra Erbaş misst beim 14 Wochen jungen Mahir zunächst einmal ein paar Basisdaten: Gewicht, Größe, Kopfumfang.
    "So, dann gucken wir einmal, sechs Kilo und 990 Gramm, einmal daneben stehen bleiben, so einmal gucken, 60,4 Zentimeter, einmal auf den Arm nehmen bitte, oh, ist der groß geworden,… so und noch einmal Kopfumfang, dann haben wir es geschafft, 41, super!"
    Alle Werte liegen im Normbereich, was Stephan von Landwüst den Eltern an einer Computergrafik veranschaulicht.
    "Das ist jetzt für Ihren Sohn die Längenentwicklungskurve, und da kann man im Verhältnis zum Durchschnitt der Jungs, das wäre diese schwarze Linie, gucken, ob der da exakt drauf liegt, kleiner ist als der Durchschnitt oder größer ist als der Durchschnitt, und bei ihrem Sohn sieht man, dass er sogar länger ist als ein Durchschnittsjunge seines Alters, und dass er sich auch im Verhältnis zu den Vorwerten was den Längezuwachs angeht, gut entwickelt hat."
    Kinderärzte teilen U-Untersuchungen in alterstypische Bereiche ein: U1 bis U6 sind Babys vorbehalten, U7 bis U9 Kleinkindern, U10 und U11 Kindern. Für Teenager gibt es dann noch J1 und J2. Jede Untersuchung hat eigene Schwerpunkte. Bei der U8 etwa schauen sich Ärzte das Kind von Kopf bis Fuß an: die Funktionstüchtigkeit der Organe, das Hör- und Sehvermögen, die Körperbeherrschung, sowie die geistige Reife des Kindes.
    Große Bedeutung hat die U9, die Vorsorgeuntersuchung zur Einschulung: Neben möglichen organischen Problemen, beurteilt der Kinder- und Jugendarzt sowohl das Sprachvermögen und Sozialverhalten, aber auch die Intelligenz des Kindes.
    Für den dreieinhalb Monate alten Mahir liegen diese Untersuchungen noch weit in der Zukunft. Für Stephan von Landwüst steht bei der U4 eine andere Frage im Mittelpunkt.
    "Die Frage, die ich üblicherweise stelle, ist, ob er Sie auch anlächelt, ob Ihr Süßer Sie anlächelt?
    Ja, das tut er öfters mal, morgens sehr viel, also morgens wenn er aufwacht, dann will er unbedingt mit uns sprechen, dann lacht er auch ohne Ende. Aber im normalen Tag auch, also lächeln tut er sehr viel.
    Sie hatten zurecht gerade gesagt, dass er mit Ihnen spricht, also er artikuliert, er brabbelt, er erzählt.
    Ja, er antwortet auch, wenn man ihn was fragt, versucht er was zu sagen, man versteht natürlich nichts, aber er versucht auf jeden Fall mit uns zu sprechen."
    Das Kindeswohl an erster Stelle
    Ein altersgerechtes Verhalten, der Leverkusener Kinderarzt ist zufrieden, die körperliche Untersuchung kann beginnen.
    "Ich möchte erst mal schauen, ob er sich beruhigen lässt, ob er Kontakt aufnimmt, wie jetzt auch der Muskeltonus ist, er hat noch ein bisschen etwas angespannte fäustelnde Hände, aber man sieht schon hier links, er lässt ein bisschen los, er kann sie auch ein bisschen lockern. Dann kann ich gleichzeitig sehen, dass er peripher bei den Händchen schön warm ist, dass die Hände gut durchblutet sind, dass auch wenn man hier drückt auch die Kapillaren sich schnell wieder zurückfüllen mit Blut, das ist sehr schön."
    Ob U-Untersuchungen verpflichtend sind, regelt jedes Bundeland in Eigenregie: Bayern, Hessen und Baden-Württemberg schreiben sie gesetzlich vor, in Bayern müssen Eltern sogar bei der Anmeldung des Kindes für Kindertagesstätten oder Schulen einen Nachweis über die erfolgten Untersuchungen ablegen. Die Pflicht zum Arztbesuch hat nicht nur zum Ziel, Krankheiten möglichst früh zu erkennen; auch Fälle von Vernachlässigung und Missbrauch sollen dadurch schneller aufgedeckt werden. In den übrigen Bundesländern sind U-Untersuchungen nicht verpflichtend, allerdings erhalten Eltern eine schriftliche Einladung. Reagieren sie nicht innerhalb von vier Wochen, werden Jugend- oder Gesundheitsämter informiert. Das Kindeswohl steht an erster Stelle!
    Jetzt wird es für Mahir noch einmal unangenehm: Er bekommt eine für dieses Alter empfohlene Sechsfach-Impfung.
    "Das sind Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung, Haemophilus influenzae Typ b, so ein Bakterium, und noch Hepatitis B, diese sechs."
    Das war’s für heute. Mahir ist gesund, die U4 hat keine Probleme gezeigt. Wenn der Kleine sechs Monate alt ist, geht’s weiter mit der U5.