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Kino
Kinderwunsch um jeden Preis

Ein Paar versucht seit vielen Jahren ein Baby zu bekommen - vergeblich. Der verzweifelte Kinderwunsch treibt Marie tief in das deutsch-tschechische Grenzgebiet und lässt sie kriminell werden. Sie wird gespielt von Oscarpreisträgerin Kim Basinger.

Von Patrick Wellinski | 23.07.2015
    Christian "Petit" (Jordan Prentice) und Maria (Kim Basinger) - eine Szene des Films "Um jeden Preis".
    Maria (Kim Basinger) will mit Hilfe eines kleinwüchsigen Drogenabhängigen (Jorden Prentice) ein Baby kaufen. (dpa/Farbfilmverleih/Christian Geisnæs)
    Alles beginnt bei Nacht. Ein Wunder geschieht und ein Albtraum folgt. Maria und Peter liegen im Bett. In ihrem Schlafzimmer taucht ein leuchtendes elfenhaftes Wesen auf. Es spricht mit einer Kinderstimme:
    "Mami? Mir ist kalt Mami! Du hast es wirklich versucht!"
    Maria wacht auf. Sie zittert und stammelt. Peter wirft die Bettdecke zur Seite: Alles ist voller Blut:
    "Peter ... Peter"
    "Bist du okay? Liebling geht's dir gut? Oh Gott!"
    "Liebling, sieh mich an! Verlass mich nicht! Alles wird gut! Sieh mich an!"
    Im Krankenhaus folgt die Diagnose und damit die traurige Gewissheit für das Ehepaar:
    "Das heißt, ich kann keine Kinder kriegen. Richtig?"
    "Der Uterus ist vernarbt und beschädigt. Aber in Anbetracht ihres Alter. Und der vorangegangenen Fehlgeburten in den letzten Jahren, die letzte traurigerweise in der 18 Woche."
    "Ich habe Ihnen vertraut ..."
    "Maria! Sie waren tot. Für zwei Minuten. Sie sollten akzeptieren, dass es für Sie keine Möglichkeit gibt schwanger zu werden, weil ihr Uterus zu stark geschädigt ist."
    "Es gibt bestimmt noch eine andere Möglichkeit."
    "Hören Sie!"
    "Es muss sie geben!"
    Natürlich gibt es sie. Ihr verzweifelter Kinderwunsch treibt Maria tief in das deutsch-tschechische Grenzgebiet. Als Angestellte einer Reederei erfährt sie, dass dort in Binnenhäfen Kinder gehandelt werden. Mit der Hilfe eines kleinwüchsigen Drogenabhängigen, den Maria auf einem Parkplatz in einem Panda-Kostüm sieht, versucht sie, einer Prostituierten ihren Säugling abzukaufen, und landet in den Fängen der russischen Mafia.
    "Du nehmen ihr Baby. Dann wir machen hier Auge um Auge."
    Der dänische Regisseur Anders Morgenthaler, der mit seinem beeindruckenden Animationsfilm "Princess" bewies, dass er ein Talent dafür hat, sich mit den dunklen Seiten der Gesellschaft auseinanderzusetzen, verliert sich hier im erschreckend belanglosen Erzählen.
    "Um jeden Preis" ist von einer schwer zu ertragenden Esoterik durchtränkt. Der Symbolismus ist grob und offensichtlich. Der Plot stolpert von einem Klischee ins Nächste. Und damit wäre man als Rezensent mit "Um jeden Preis" schnell fertig, wenn - ja, wenn! - Morgenthaler seine Maria nicht mit der amerikanischen Oscargewinnerin Kim Basinger besetzt hätte.
    "Wer bist du Maria? Eine von diesen reichen Frauen, die keine Kinder kriegen kann?"
    "Mein Leben wäre unvollständig ohne Kinder. Es wäre irgendwie sinnlos."
    "Na dann bist du ja bei einem obdachlosen Zwerg mit 'nem Drogenproblem genau richtig."
    Um es direkt zu sagen: Die 61-jährige Basinger rettet den hoffnungslos überambitionierten Film nicht. Aber es gibt hin und wieder einen Moment, in dem sie sich von der Paranoia des Plots distanzieren kann. Und plötzlich ist sie dann ganz bei sich: Das erste Bondgirl, das einen Oscar gewann; eine Schauspielerin, deren große Fähigkeit es immer war, mal kindlich, mal aufreizend aber immer sehr präsent ihre Frauenfiguren auf die Leinwand zu bringen. Das war zwar nie die große Schauspielkunst, doch es befeuerte nicht nur Regisseurfantasien. Aber auch das ist lange her. Ihre Rollen wurden immer kleiner. Basingers Gesicht war häufiger in Boulevardblättern zu finden als auf der Leinwand.
    Sie nun in "Um jeden Preis" zu sehen, mit minimalem Make-up, fettigen Haaren und leicht aufgedunsenen Augen, könnte man als Mut zur Hässlichkeit loben; als Widerstandsakt einer Darstellerin, die nicht ewig das Sexsymbol verkörpern will. Doch diese wünschenswerte Eigenständigkeit hat ihre Figur nicht. Maria ist von vornherein ein zum Scheitern verurteiltes Wesen. Eingekerkert in dieser schwachen Fiktion wird ihr jegliche Emanzipationsbewegung abgesprochen. Statt Stärke, Sinnlichkeit und Urkraft, sehen wir sie winseln, weinen und wegrennen. "Um jeden Preis" ist daher eine in vielerlei Hinsicht verpasste Chance. Und am Ende beschleicht einen auch noch das ungute Gefühl, dass Morgenthaler Kim Basingers Starkörper auf äußerst plumpe Art ausgenutzt hat.