Donnerstag, 25. April 2024

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Kinofilm "Schwestern"
Streit vor dem Kloster

In ihrem neuen Film beschreibt Regisseurin Anne Wild eine junge Frau, die ins Kloster will und während der Willkommenszeremonie Zweifel an ihrem Entschluss bekommt. Die Feier gerät zu einem denkwürdigen Familienfest voller komischer Szenen.

Von Josef Schnelle | 12.12.2013
    "Wer Gott wählt, wählt ein neues Leben. Wer Gott wählt, wählt eine neue Familie. Die Bräute Christi zum letzten Mal in ihrem alten Kleid."
    So endet dieser Film. Das Ende ist nicht überraschend. Der ganze Film ist ein Warten darauf. Kati hat sich entschieden, in ein Kloster einzutreten. Ihre ganze Familie ist gekommen, um der feierlichen Einsegnung beizuwohnen. Wie zu einer Hochzeit. Doch nach wenigen Minuten wird der Gottesdienst erst einmal unterbrochen. Offenbar sind einer der drei Novizinnen Zweifel gekommen an ihrer Bestimmung. Sie braucht offenbar noch ein wenig Zeit. Saskia ist davon überzeugt, dass es sich dabei ganz sicher um ihre Schwester Kati handeln muss, denn wie die anderen Familienmitglieder hatte sie deren Entscheidung bislang überhaupt nicht verstanden. Die Unterbrechung der Zeremonie bringt eine Familie wieder zusammen, die eigentlich nicht mehr viel miteinander zu tun hatte. In der ländlichen Umgebung des Klosters sind sie nun gezwungen, Zeit miteinander zu verbringen. Da ist Bruder Dirk mit Frau und Kind, ein gescheiterter Kleinverleger. Onkel Rolle, ein Lebemann hat seine neueste jugendliche Freundin mitgebracht, die aber bald abhaut. Mutter Usch mag ihren Ärger über die Entscheidung der Tochter kaum verbergen. Man verbringt nun einen Sommertag auf dem Lande gemeinsam mit Spaziergängen und allerlei spontanem Schabernack, zum Beispiel mit einer Jagd auf Kühe.
    "So viel Spaß habe ich schon seit Jahren nicht mehr gehabt. Kühe jagen. Unglaublich."
    "Du bist einfach die tollste Frau, die es gibt. Günter hat so viel Glück gehabt."
    Familien-Picknick unter Apfelbäumen
    Auch Katis Ex-Freund Jörn, der Saskia in dieser Szene anschwärmt, ist angereist. Man rastet unter Obstbäumen, betrachtet Bienenstöcke und findet Zeit zum Picknick. Der Anlass des Zusammenseins ist fast vergessen. Irgendwann werden die Glocken der Klosterkirche die Familie schon wieder heranrufen. Die friedliche Oberfläche ist bald aufgebraucht. Konflikte brechen auf. Schließlich hat man sich so lange nicht gesehen. Der folgende Dialog zwischen Saskia und Bruder Dirk ist charakteristisch für die Gespräche, die sich entspinnen bei diesem Tag auf dem Land.
    "Du hast wenigstens etwas, worum´s Dir geht." – "Mir geht’s wesentlich schlechter als Dir." – "Klar Dir geht’s am allerschlechtesten." – "Ich sitze fest. Richtig beschissen geht´s mir." – "Geld?" – "Ja." – "Ich hab noch die Tausend von Oma Grunewald." – 2Du bist doch frei. Du bist überhaupt niemandem Rechenschaft schuldig." – "Ja. Eben."
    Saskia fragt sich plötzlich, ob ihre stolze Wahlfreiheit der Optionen des Lebens und ihr ständiger Kampf um Selbstverwirklichung in London wirklich mehr Wert ist als der Friede des Klosterlebens. Ein kleines philosophisches Kleinod im ständigen Streit der Lebenskonzepte ist dieser Film, der in einem Sommertag all das spiegelt, auf das es wirklich ankommt. Doch das grelle Licht täuscht. Dunkle Gewitterwolken brauen sich über der Familie zusammen. Und Saskia begegnet doch noch einmal ihrer allerdings wegen ihres Gelübdes schon schweigenden Schwester. Die große Kunst dieses kleinen deutschen Films ist vor allem Regiekunst, die noch die schwersten Konflikte leicht erscheinen lässt. Unbequeme Fragen tauchen immer wieder im Gewand kleiner Pointen auf. Regisseurin Anne Wild hatte schon mit ihrem Spielfilmdebüt "Mein Erstes Wunder" gezeigt, dass sie ungewöhnliche erzählerische Perspektiven einnehmen kann – ästhetisch und auch inhaltlich. Zum Schluss des Jahres kommt einer der besten deutschen Filme ins Kino mit allerlei Tiefenschichten und großartigen Schauspielerleistungen