Dienstag, 19. März 2024

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Kinofilme über Homosexualität
"Ich bin schwul, verdammt noch mal"

2003 heirateten Ernst Ostertag und Röbi Rapp als erstes gleichgeschlechtliches Ehepaar der Schweiz. Regisseur Stefan Haupt erzählt in "Der Kreis" die Geschichte der beiden. Außerdem im Kino: "Coming In" von Marco Kreuzpaintner und "Pride" von Julian Hernández.

23.10.2014
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    Röbi und Ernst kämpfen um ihre Liebe. (Edition Salzberger)
    "Was sind Sie von Beruf?
    "Ich unterrichte."
    "Sind Sie schon fest angestellt?"
    "Nein, noch nicht."
    "Dann sollten Sie noch nicht Abonnent werden."
    "Herr Ostertag. Ich hab hier noch ihre Wäsche."
    "Auf unseren Festen sollten Sie sich eher nicht zeigen."
    Ende der 1950er-Jahre. Ernst Ostertag siedelt in die liberalere Schweiz über. Dort, so glaubt er, wird er seine Homosexualität endlich leben können. Das Schwulenmagazin "Der Kreis" fällt ihm in die Hände. Er will Abonnent werden und überhaupt in die dazugehörige Subkultur eintauchen. Auf einem der opulenten Feste lernt er Röbi kennen, der als Sängerin mit dem Lied "Ich weiß nicht wohin ich gehöre" auftritt. Er wird die Liebe seines Lebens. Eine wahre Geschichte. 2003 heirateten Ernst Ostertag und Röbi Rapp als erstes gleichgeschlechtliches Ehepaar der Schweiz. Regisseur Stefan Haupt erzählt in "Der Kreis" die Geschichte der beiden. Ursprünglich aus Geldmangel drehte er keinen reinen Spielfilm, sondern ergänzte die Spielszenen durch Interviews mit den Protagonisten der Handlung. So etwas kann aus mehreren Gründen schiefgehen. Doch in diesem Film erwies es sich als Glücksfall. Die dokumentarischen und die fiktiven Teile wachsen zu einem überzeugenden Ganzen zusammen. Die 1958 beginnende Liebesgeschichte findet im Geheimen statt. Sie ist geprägt von dauernder Angst vor Entdeckung und Repressalien. So liberal, wie sich die Schweiz ohne Gesetze gegen die Homosexualität gibt, ist sie nämlich nicht.
    "Homosexualität ist in unserem Land nicht strafbar."
    "Aber sie ist registrierbar."
    Das auf der Berlinale mit dem Teddy-Award für den besten schwul-lesbischen Film ausgezeichnete Werk zählt zu den fünf Filmen, die in dieser und in der nächsten Woche in unseren Kinos anlaufen. Es ist ein Film aus den Kampfzeiten der Schwulenbewegung, die ein ganzes Filmgenre mit Biografien von deren frühen Helden begründete. In diese Tradition stellt sich "Der Kreis". Der Film ist engagiert und ergreifend, wirkt aber auch wie die Zeit, von der er erzählt, selbst ein wenig antiquiert und gelegentlich unnötig pathetisch überhöht.
    "Wir sind keine Verbrecher. Wir sind keine Verbrecher."
    "Coming In": Schwuler Friseur verliebt sich in die Chefin
    All die Geschichten vom Coming out sind inzwischen nicht mehr sonderlich originell, sodass immer mehr Filme zum Thema Homosexualität bisher unbekannte Nischen besetzen, wie zum Beispiel "Geron" von Bruce La Bruce, der im Original mit "Gerontophilia" betitelt wird und damit gleich beschreibt, worum es geht: um die Liebe eines 20-Jährigen zu einem 80-Jährigen. Marco Kreutzpaintner hat sein filmisches Coming Out schon 2004 mit seinem Drama "Sommersturm" gehabt. Nun bringt er sozusagen spiegelverkehrt sein "Coming In", so der Titel der Komödie um einen offen schwulen Berliner Starfriseur, der sich in eine Friseurin verliebt. Zunächst beteuert er noch:
    "Ich bin schwul, verdammt noch mal, homosexuell, vom anderen Ufer, andersrum, ne Tucke."
    "Der Laden ist süß, aber echt etwas gewöhnungsbedürftig."
    Weil ihm der geplante Damenduft nicht gelingt, betreibt er Feldforschung in einem Neuköllner Salon und verliebt sich wider Willen prompt in die patente Chefin Heidi, was bei seinen Freunden der schwulen Schickeria gar nicht gut ankommt. Kreuzpaintners Film nimmt genau sie auf die Schippe.
    "Bist Du wahnsinnig, ne Frau."
    "Aber Du liebst doch Frauen."
    "Frauen sind rechthaberisch. Sie sind beherrschend. Sie halten Dir die Nase zu, wenn Du schnarchst."
    "Pride" die wahre Geschichte einer Gruppe schwuler Aktivisten
    Der derbe Humor dieser politisch unkorrekten Komödie mag nicht jedermanns Sache sein, aber immerhin hat Sönke Wortmann mit einem ähnlichen Konzept in "Der bewegte Mann" 1994 sechseinhalb Millionen Zuschauer generiert. Regisseur Matthew Warchus erzählt hingegen in "Pride" die wahre Geschichte einer Gruppe schwuler Aktivisten, die sich 1984 für streikende Minenarbeiter einsetzen. Anfängliche wechselseitige Vorurteile lösen sich da schnell in Wohlgefallen auf. Eine Komödie in der Tradition der britischen Filme aus dem Arbeitermilieu, die stilsicher und selbstbewusst unterhält. Ist das schwule Kino nun im Mainstream angekommen? Es scheint so. Der mexikanische Regisseur und mehrfacher Teddy-Gewinner Julián Hernández hält dagegen mit einem äußerst erotischen Melodrama voller heißer Liebesnächte zwischen einem Filmregisseur und einem Balletttänzer. Beide sind auf der Suche nach sexueller Selbstverwirklichung.
    "Ich wusste nicht, dass sich Tänzer für Filme interessieren."
    "Und ich nicht, dass sich Regisseure für Tänzer interessieren."