Freitag, 29. März 2024

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Kirchen und Trump
"Ein fast religiöses Selbstverständnis des Präsidenten"

Donald Trump ist geleitet von einem Selbstverständnis, wonach sich "an ihm das Heil Amerikas entscheidet", sagte der Nordamerika-Experte Michael Hochgeschwender im DLF. Das sei "ein fast religiöser Ansatz". Gegen die Politik des neuen US-Präsidenten rege sich Widerstand in den Kirchen, aber es gebe auch Zustimmung. Besonders in der Abtreibungsfrage.

Michael Hochgeschwender im Gespräch mit Andreas Main | 20.02.2017
    US-Präsident Donald Trump hält eine Pressekonferenz im Weißen Haus.
    US-Präsident Donald Trump (imago / UPI Photo)
    US-Präsident Donald Trump hat unter anderem angekündigt, jenes Gesetz abschaffen zu wollen, das es Religionsgemeinschaften verbietet, direkt in Wahlkämpfe einzugreifen. Davon würden vor allem jene evangelikalen Kirchen profitieren, die sich politisch engagieren. Kritiker sagen, das würde zu einer Verquickung von Staat und Kirchen führen.
    Umstritten ist auch die Rolle von Trumps Chef-Berater Stephen Bannon. Lebensschutz, Familie und Islam - in diesen Punkten vertritt er Positionen, die auch in einigen Kirchen populär sind. Kritiker sagen, Stephen Bannon sei der Brückenkopf erzkonservativer Kirchenkreise ins Weiße Haus. Bannon mit seiner irisch-katholischen Herkunft pflegt auch engen Kontakt mit dem US-amerikanischen Kardinal Raymond Burke, einem Gegner von Papst Franziskus.

    Das Interview in voller Länge:
    Andreas Main: Pleiten, Pech und Pannen - das ist eine noch vorsichtige Beschreibung dessen, was sich in Amerika abspielt seit der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump heute vor einem Monat. Sein Kernteam bröckelt. Sein Einwanderungs-Dekret ist gestoppt. Und die Zivilgesellschaft muckt auf. Und die Religionsgemeinschaften? Vor allem die kleine jüdische Minderheit - egal ob liberal oder konservativ - stellt sich gegen den neuen Präsidenten. Die protestantische und katholische Mehrheit scheint sich bedeckt zu halten. Jedenfalls ihre Bischöfe oder ihre prominenten Prediger. Aber vielleicht täuscht das auch. Das wollen wir klären mit Michael Hochgeschwender in München. Er ist Professor für nordamerikanische Geschichte. Und er ist katholischer Theologe. Guten Morgen, Herr Hochgeschwender.
    Michael Hochgeschwender: Grüß Gott, Herr Main.
    Main: Wie ist es zu erklären, dass die Religionsgemeinschaften eher vorsichtig oder gar nicht reagieren oder hinter vorgehaltener Hand reagieren auf das, was in ihrem Land passiert? Oder teilen Sie diesen Eindruck gar nicht?
    Hochgeschwender: Also, das hängt sehr stark von den jeweiligen Religionsgemeinschaften ab. Wenn man sich das evangelikale Lager ansieht, so haben sich die führenden evangelikalen Prediger inzwischen sehr eindeutig zu Trump bekannt. Und auch das evangelikale Kirchenvolk steht zu fast 80 Prozent hinter dem Präsidenten. Das ändert sich dann, wenn man in den sogenannten liberalen Mainstream-Protestantismus hineingeht. Da ist die Situation etwa bei fifty-fifty. Das führt wohl auch dazu, dass die führenden Vertreter dieser Religionsgemeinschaften - dazu gehören die Lutheraner, die Episkopalkirche und ein paar andere Religionsgemeinschaften - sich eher verhalten äußern.
    "Bei weißen Katholiken eine gewisse Mehrheit für Trump"
    Sie haben bereits auf die Juden hingewiesen - wobei ich sagen würde, es gibt im konservativen und orthodoxen Judentum durchaus auch einige Anhänger von Trump, die sich auch offen zu ihm bekannt haben.
    Und wir haben die katholische Kirche, die nun vor dem Problem steht, dass sie intern sehr gespalten ist, was dazu führt, dass man sich da nicht zu laut bekennt. Denn über 60 Prozent des amerikanischen Kirchenvolkes sind gegen Trump. Wobei bei den weißen Katholiken eine gewisse Mehrheit für Trump ist, während bei den nicht-weißen Katholiken - also Latinos und Schwarzen - eine große Mehrheit gegen ihn ist.
    Es gibt nur sehr, sehr wenige Bischöfe, die sich bisher offen für Trump ausgesprochen haben - unter anderem der Erzbischof von Philadelphia. Die anderen sind eher ruhig. Wer sich auch offen für Trump ausgesprochen hat, ist die Catholic League, also eine konservative Organisation, die - ähnlich wie die Anti-Defamation League im Judentum - Anti-Katholizismus verurteilt und bekämpft.
    Main: Also ein sehr ambivalentes Bild, was womöglich die Stimmung in der Gesellschaft widerspiegelt?
    Hochgeschwender: Ja. Also es ist tatsächlich so, dass die Religionsgemeinschaften sich da in nichts von der Gesellschaft unterscheiden. Das hängt auch damit zusammen, dass Trump sich jetzt nicht eindeutig als religiöse Persönlichkeit geoutet hat.
    Abtreibungen in Einzelstaaten erschweren
    Also, auch sein Verhalten beim National Prayer Breakfast, wo es im Wesentlichen um ihn selbst gegangen ist, deutet darauf hin, dass Religion für ihn bestenfalls eine zweit-, drittrangige Angelegenheit ist. Was allerdings dazu führt, dass sich vor allem Konservative für ihn aussprechen, ist seine Haltung bezogen auf Abtreibung und zu Obama Care. Denn es hatte gegen Ende der Regierung Obama ja auch den einen oder anderen Prozess gegen kirchlich geführte Krankenhäuser gegeben - über die Frage, ob die nun empfängnisverhütende Mittel austeilen müssen oder nicht.
    Main: Was ist denn in Sachen Abtreibung bisher klar? Ist es auf der Ebene der Dekrete, mit denen jener US-Präsident so gerne regiert? Oder was ist bisher klar in diesem Punkt?
    Hochgeschwender: Klar sind eigentlich nur die Ankündigungen. Das ist schon seit dem Wahlkampf so. Er hat über den Rahmen der Dekrete auch wieder eher angekündigt, dass er da tatsächlich etwas getan hat. Also er will wohl bestimmte Gesetze dahingehend verändern, dass Abtreibungen in Einzelstaaten erschwert werden können. Das ist ja ein Prozess, der in der republikanischen Partei seit geraumer Zeit anhält, dass man versucht, vor allem im Süden und im Mittelwesten Abtreibung zu erschweren. Was allerdings auch damit zusammenhängt: In den USA, das darf man nicht vergessen, besteht in den ersten drei Monaten eine reine Fristen-Regelung. Da gibt es überhaupt keine Regelung zugunsten des Fötus. Und dann natürlich der Versuch, über Gorsuch als Supreme-Court-Richter Einfluss auf die Mehrheit des Supreme-Courts zu gewinnen.
    Main: Also der oberste Gerichtshof und jener neu ernannte Kandidat.
    Hochgeschwender: Ja noch ist er nicht ernannt, er ist nur Kandidat.
    "Es geht darum, dass man Geld bekommen kann"
    Main: Darüber hinaus hat Trump einiges angekündigt, was die Religionsgemeinschaften direkt betrifft: So will er jenes Gesetz abschaffen, das es Religionsgemeinschaften verbietet, direkt in Wahlkämpfe einzugreifen. Wie ordnen Sie diesen Trump-Vorstoß ein?
    Hochgeschwender: Ja, das richtet sich gegen ein Gesetzt, das Lyndon B. Johnson noch in seiner Zeit als Senator in den 1950er-Jahren eingebracht hat und das schon dreimal vom Supreme Court für verfassungsgemäß erklärt worden ist. Das hat weniger etwas - im Gegensatz zu dem, was Konservative in den USA behaupten - etwas mit den First Amendment Rights, also dem Recht auf Meinungsäußerung der Kirchen, zu tun, sondern da geht es vor allen Dingen darum, dass Gemeinschaften, die steuerlich befreit sind wegen Wohlfahrtstätigkeit, sich politisch nicht engagieren dürfen. Also es geht darum, dass man Geld bekommen kann. Also das hat weniger etwas mit Meinungsfreiheit der Kirchen zu tun, denn die haben sich bisher immer politisch geäußert, sondern es geht wirklich darum, dass man an das Geld dieser Organisationen herankommt. Wobei sehr die Frage ist, wie viele von denen sich überhaupt politisch betätigen wollen.
    Main: Kritiker sagen, das würde zu einer Verquickung von Staat und Kirchen führen.
    Hochgeschwender: Ja, das ist aber für amerikanische Liberale normal, bei denen führt immer alles zu Verquickung von Staat und Kirche. Also die haben ein sehr extremes Verständnis der Trennung von Staat und Kirche. Das ist gar nicht das Problem. Sondern das Problem ist, dass das Gesetz sich eigentlich bewährt hat. Und dass hier vonseiten der Republikaner wieder einmal versucht wird, die Wahlkampffinanzierung so breit wie möglich aufzustellen.
    "Ein Präsident, der bei fast jeder Gelegenheit offen lügt"
    Main: Also Trump geht auf die Kirchen zu in einigen Punkten. Somit ist nicht mit großen Widerstandswellen aus den Religionsgemeinschaften zu rechnen?
    Hochgeschwender: Nun ja, also man darf nicht vergessen: Zum einen aus katholischer Perspektive ist immer noch die päpstliche Soziallehre etwas, woran man sich orientieren muss. Und da warten wir mal ab, inwieweit er sich daran orientiert. Zum anderen haben wir es mit einem Präsidenten zu tun, der bei fast jeder Gelegenheit offen lügt. Also es vergeht kaum eine Ansprache, wo nicht eine ganz klar erkennbare Lüge drin ist. Keine Fehlbeurteilung, nichts, worüber man jetzt irgendwie diskutieren könnte, sondern es wird ganz offen gelogen. Und das ist nach katholischem Verständnis immer noch ein "intrinsece malum", 'ein Böses in sich'.
    "Eine sehr eigentümliche ideologische Melange"
    Main: Umgekehrt - Lebensschutz, Familie, auch andere Themen, die Sie angesprochen haben, die in einigen Kirchenkreisen populär sind, das steht auch bei jenem Mann hoch im Kurs, den viele für den Spiritus Rector im Hintergrund halten: für Trumps Chef-Einflüsterer. Also ich meine Stephen Bannon. Es wird immer wieder von der irisch-katholischen Herkunft Bannons gesprochen. Ist er der Brücken-Kopf der Kirchen ins Weiße Haus?
    "Eine fast nitzscheanische Vergötzung des Kampfes und des Krieges"
    Hochgeschwender: Da bin ich mir nicht so sicher, denn auch sein Katholizismus kennzeichnet sich nicht dadurch, dass er übertrieben papsttreu wäre oder kirchentreu. Er ist sehr konservativ auf eine gewisse Art und Weise. Gleichzeitig hat er stark libertäre Züge. Manches Mal sagt er von sich, er sei Leninist. Also auch da ist nicht so völlig klar, wo er weltanschaulich steht. Was vor allen Dingen von ihm bekannt ist, das ist eine gewisse Tendenz zu einer fast nitzscheanischen Art der Vergötzung des Kampfes und des Krieges. Und das hat mit katholischem Weltverständnis nicht so viel zu tun.
    Main: Ist vielleicht auch gar nicht konservativ.
    Hochgeschwender: Ist auch nicht konservativ in weiten Teilen. Das ist eine sehr eigentümliche ideologische Melange, bei der nicht völlig klar erkennbar ist, wo sie hin geht. Und das teilt er nun mit Trump.
    Main: Trumps Chefberater Bannon ist aber auch verbandelt mit jenem US-amerikanischen Kardinal Ray Burke, einem erklärten Gegner von Papst Franziskus, vielleicht dem Gegner schlechthin. Dieser Kardinal war auch einer der ersten, der Trump gratuliert hat. Wie stark sind jene katholischen Bataillone in den USA, die sich hinter Bannon und Burke scharen?
    Hochgeschwender: Also, sie sind im Kirchenvolk zum Teil durchaus verwurzelt. Es gibt um die 40 Prozent der amerikanischen Katholiken, die für Trump sind und die auch diese Position teilen. Man muss natürlich dazu sagen, Burke und dieses Human Dignity Institute, die vertreten ja durchaus Ziele, die mit der katholischen Lehre völlig vereinbar sind.
    Wir dürfen nicht vergessen, das Ehe-Sakrament, das im Neuen Testament eine sehr spezifische Rolle spielt, nämlich die Untrennbarkeit der Ehe, das ist etwas, wo auch Kardinal Marx drauf hingewiesen hat, das wird sechsmal im Neuen Testament von Jesus selbst betont. Also insofern ist das ja keine anti-katholische Gruppe. Und ich bin mir nicht völlig sicher, ob denen klar ist, wo jemand wie Bannon in Wahrheit steht. Also da muss man auch sehr aufpassen als konservativer Katholik, welche Verbündeten man sich hier sucht.
    "Religion steht nicht im Fokus dieser Administration"
    Main: Zum Schluss: Welche Chance sehen Sie, dass sich die Trump-Administration in Fragen, die die Religionsgemeinschaften betreffen, so verrennt, dass er seine Macht gefährdet und womöglich aus dem Amt gejagt wird?
    Hochgeschwender: Da sehe ich eigentlich weniger ein Problem. Ich sehe, wenn überhaupt, bei Trump drei Probleme: Das ist sein Umgang mit Medien, das ist sein Umgang mit der dritten Gewalt, also der Judikative, und das Dritte ist die Frage, wie er seine Wirtschaftspolitik umsetzen will. Wenn er da scheitert, dann wird er Ärger bekommen.
    Main: An allen drei Punkten regt sich Widerstand, anders als in den Religionsgemeinschaften.
    Hochgeschwender: Da ist überall Widerstand, auch aus den Religionsgemeinschaften, erkennbar. Also es ist jetzt nicht so, dass Religion im Fokus dieser Administration stehen würde, sieht man von der Abtreibungsfrage ab. Sondern es geht um Ökonomie, und es geht um das Selbstverständnis eines Präsidenten: An ihm entscheidet sich das Heil Amerikas. Und das ist natürlich ein fast religiöser Ansatz, den er hier vertritt und den er in seinen Reden auch immer wieder hervorkehrt.
    Main: Einschätzungen von Professor Michael Hochgeschwender, Experte für nordamerikanische Geschichte und Theologe. Danke Ihnen nach München für diese Einschätzungen und Einordnungen.
    Hochgeschwender: Bitte sehr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Michael Hochgeschwender ist katholischer Theologe und Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte, Empirische Kulturforschung und Kulturanthropologie am Amerika-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München.