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Kirchenpolitik
Zu Besuch beim päpstlichen Botschafter in Moskau

Erst seit 2009 unterhalten der Vatikan und Russland diplomatische Beziehungen. Der Mann des Vatikans in Moskau ist Nuntius Ivan Jurkovic. Sein Problem: Seit dem Untergang der UdSSR hat sich die Zahl der Katholiken im Land stark verringert.

Von Henning von Löwis | 25.11.2013
    Vadkovsky Boulevard / Ecke Tikhvinskaya Straße – ein repräsentatives zweistöckiges Stadthaus im Herzen Moskaus, 1903 erbaut von dem bekannten russischen Architekten Pjotr Kharko. Hier residiert der Mann, der den Heiligen Vater an der Moskwa vertritt: Erzbischof Ivan Jurkovic.
    "Ich bin Apostolischer Nuntius in Moskau seit zwei Jahren, in Slowenien geboren, seit 32 Jahren in der päpstlichen Diplomatie."
    Russland ist für Ivan Jurkovic kein Neuland – Moskau eine vertraute Stadt.
    "Ich war hier das erste Mal 1992 als Sekretär unseres Botschafters – noch nicht auf diesem Niveau. Und ich habe gesehen, wie kompliziert das war. Und vor zwei Jahren bin ich zurückgekommen und habe dieses neue Russland gesehen natürlich."
    Das neue Russland, das sei ganz anders als das alte, das vorsowjetische Russland, betont der Nuntius.
    "Russland hat andere Grenzen. In Russland haben wir vier Diözesen.
    Russland ist geschrumpft, beträchtlich kleiner geworden. Und das konnte nicht ohne Folgen bleiben für die Katholiken im Lande und die Situation der katholischen Kirche. Besonders schmerzlich sei der Exodus der deutschen Katholiken nach dem Untergang der UdSSR.
    "Für uns war sehr dramatisch, dass die deutsche katholische Gemeinde weggegangen ist, nach 92/93. Wir haben alle Deutsch sprechenden Gemeinden verloren."
    Die in Russland verbliebenen Katholiken stellten keine ethnische Gemeinschaft dar.
    "Die Leute, die noch katholisch geblieben sind, mit polnischen oder litauischen Wurzeln verbunden sind, die Leute sind schon drei- oder viermal verheiratet mit Russen. Wir haben keine ethnische Gemeinde gehabt."
    Es ist keine leichte Aufgabe, die über ein riesiges Territorium zwischen Kaliningrad und Wladiwostok verstreuten Katholiken Russlands zu betreuen – mehr oder minder winzige katholische Eilande im Meer der Orthodoxie zu unterhalten. Das kann nur gelingen, wenn das Verhältnis zum "großen Bruder" – zur Russisch-orthodoxen Kirche – geregelt ist, wenn der Dialog zwischen beiden Kirchen positiv verläuft. Die Voraussetzungen dafür sind heute so gut wie selten zuvor.
    Erzbischof Ivan Jurkovic ist der erste Diplomat des Vatikans, der nach der Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zwischen Russland und dem Heiligen Stuhl 2009 als Apostolischer Nuntius nach Moskau entsandt wurde. Sein Vorgänger Erzbischof Antonio Mennini hatte in acht Jahren den Boden bereitet für eine weitere Annäherung zwischen Katholischer und Russisch-Orthodoxer Kirche. Russlands Präsident Dmitri Medwedew dankte es ihm mit der Verleihung des "Ordens der Freundschaft" – und stellte zugleich die Weichen für Kontinuität.
    Zwei Tage nach einer Begegnung Medwedews mit Papst Benedikt XVI. im Vatikan wurde der slowenische Erzbischof Jurkovic im Februar 2011 zum Apostolischen Nuntius ernannt. Motor des Dialogs mit Russland und der Russisch-orthodoxen Kirche war der deutsche Papst.
    "In den letzten Jahren, im Pontifikat von Benedikt XVI., haben die Russen an diesem Dialog ein besonderes Interesse gefunden – sehr konstruktiv, auch persönlich, würde ich sagen."
    Das "gute Gefühl" beruhte nicht zuletzt auf den persönlichen Beziehungen zwischen Papst Benedikt und Patriarch Kirill, die angebahnt wurden, als Kirill noch Metropolit von Smolensk und Kaliningrad war. Bei drei Begegnungen mit Benedikt gelangte Kirill zu der Überzeugung, dass es an der Zeit sei für die Russisch-orthodoxe und die Katholische Kirche zusammenzuarbeiten, vor allem um das Christentum und christliche Werte in Europa zu bewahren und zu verteidigen.
    Ganz in diesem Sinne begreift sich der Nuntius als Brückenbauer zwischen Russland und Westeuropa – und als eine Art "Eisbrecher" zwischen zwei Kirchen, die eine ganze Menge verbinde.
    "Wir sind derselbe Kontinent, wir sind dieselben Leute, wir haben dasselbe Schicksal. Aber wir sind noch immer zwei Kulturen, die eine besondere Unabhängigkeit haben."
    Bleibt die Frage, ob und wann es endlich zu dem historischen Treffen zwischen Papst und Patriarch kommen wird – dem ersten Treffen seit der Kirchenspaltung im Jahre 1054. Erzbischof Jurkovic überlegt einen Moment - und antwortet dann lieber auf Englisch:
    "Die Russen sind nicht davon überzeugt, dass ein schnell herbeigeführtes Treffen von Vorteil wäre. Sie vertreten den Standpunkt, dass es zu dieser Begegnung der Kirchenoberhäupter kommen wird, aber es sollte eine inhaltsreiche Begegnung sein mit einem positiven Ergebnis. Ich glaube, dass das Treffen für uns ganz oben auf der Agenda steht. Die Russen haben es ebenfalls auf der Agenda, aber sie setzen andere Prioritäten."
    Die Päpste – früher Benedikt und jetzt Franziskus – würden sich stark machen für ein Gipfeltreffen, auf ihn einwirken, verstärkt darauf hinzuarbeiten, bemerkt der Nuntius. Und das versuche er auch. Andererseits glaube er, dass es jederzeit zu einer solchen Begegnung kommen könne.
    Ein Stolperstein sei bis heute der Konflikt mit der Ukraine, wo die mit Rom unierte griechisch-katholische Kirche nach ihrer Wiederzulassung mehrere Hundert orthodoxe Gotteshäuser vereinnahmt habe.
    "Die Ukraine-Frage wird vonseiten der Russisch-orthodoxen Kirche als Haupthindernis (für eine Begegnung zwischen dem Patriarchen und dem Papst) angeführt. Aber ich denke, dass es notwendig ist, eine gewisse Zeit verstreichen zu lassen. Wie viel Zeit – das vermag niemand zu sagen. Wir wünschen uns, dass die Wartezeit so kurz wie möglich ist."
    Alles in allem ist der Nuntius sehr zufrieden mit dem Verhältnis zwischen Rom und Moskau – nicht nur auf kirchlicher Ebene. So hat die Stadt Moskau unlängst zugestimmt, dass an der Moskwa eine neue Kirche gebaut wird – das fünfte katholische Gotteshaus in der Hauptstadt.
    "Das war nie eine einfache Sache, die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Russland, weil die Russen sehr traditionelle Positionen verteidigen."
    Läuft wirklich alles so glatt und reibungslos? Oder setzt der Nuntius ganz bewusst auf Zweckoptimismus? Erzbischof Jurkovic schmunzelt, wechselt wieder die Sprache – und spricht Klartext:
    ''Als Diplomat habe ich die Pflicht, alles zu vermeiden, was überflüssige Probleme schaffen könnte."