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Kirchentagspräsident: keine Wahlkampfplattform

Trotz der politischen Ereignisse der letzten Tage kann nach Einschätzung von Eckhardt Nagel, Präsident des Evangelischen Kirchentags, die Veranstaltung nicht für Wahlkampfzwecke missbraucht werden. Im Mittelpunkt stehe vielmehr die Spiritualität, "die Frage, wie ich mich selber ausrichte" im Glauben und zum Glauben hin. Auch die internationale Ökumene werde zentrales Thema des Kirchentages sein.

Von Klaus Remme | 25.05.2005
    Remme: Hunderttausende werden in den nächsten Tagen nach Hannover zum 30. Evangelischen Kirchentag reisen, unter ihnen auch viele politische Prominente. Ihnen geht es wahrscheinlich weniger um kirchliche Fragen als um politische, denn der Kirchentag ist immer auch und insbesondere auch in diesem Jahr durch die Ereignisse vom Sonntag eine politische Plattform, in diesem Jahr vielleicht eine Wahlkampfplattform. Am Telefon ist jetzt Kirchentagspräsident Eckhard Nagel. Herr Nagel, ist das eine Chance oder ist das eine Hypothek für den Kirchentag?

    Nagel: Ich glaube bestimmt nicht, dass es eine Hypothek ist. Der Kirchentag wird meines Erachtens nicht missbraucht werden können, sondern es ist eben die Möglichkeit, vielleicht manche Diskussionen, die wir ohnehin vorbereitet haben, noch mal unter einem anderen Blickwinkel zu diskutieren. Vor allem für die Zuhörer ist es eine besondere Chance, auch noch mal besser zuzuhören was der eine oder die andere zu sagen hat.

    Remme: Aber wie wollen Sie verhindern, dass der Kirchentag von Politikern instrumentalisiert wird?

    Nagel: Also die Frage der Instrumentalisierung entscheidet sich ja nicht bei demjenigen, der bei uns zu Gast ist, sondern wenn wir uns selber praktisch darauf einrichten würden, ihm einen größeren Raum zu geben, als es ihm gebührt, dann würden wir uns instrumentalisieren lassen. Die Gefahr bei über 3 000 Veranstaltungen, bei vielen Gottesdiensten und Glaubensfeiern ist allerdings gering, dass das tatsächlich auch passiert.

    Remme: "Wenn dein Kind dich morgen fragt", so heißt das biblische Leitbild. Was steckt hinter diesem Motto?

    Nagel: Also "wenn dein Kind dich morgen fragt" ist ein Satz aus dem Alten Testament, dem fünften Buch Moses, und es ist sozusagen eine ganz zentrale Stelle, denn es geht darum zu sagen, wo komme ich eigentlich her, was sind die Grundlagen meines Glaubens, was ist die Geschichte meiner Existenz und was bedeutet das für mein aktuelles Leben und für die Zukunft, die ich gestalten möchte? Also alle drei Punkte, die für uns im Kirchentag immer besondere Bedeutung gehabt haben und die meines Erachtens einer genauen Präzisierung bedürfen.

    Remme: Welcher Aspekt, glauben Sie, wird diesen Kirchentag prägen? Als was wird man ihn in Erinnerung haben?

    Nagel: Also das hängt natürlich ganz wahrscheinlich von der Sichtweise ab derer, die auf den Kirchentag kommen oder die darüber lesen. Ein ganz wichtiger Punkt in diesem Jahr ist sicherlich die Spiritualität, die Frage, wie ich mich selber ausrichte, wie ich selbst sozusagen unterwegs bin, auch im Glauben und zum Glauben hin. Der zweite Punkt, der schon begonnen hat in unseren Diskussionen, ist die Frage der internationalen Ökumene, also wie weit tatsächlich Religionsgemeinschaften noch in der Lage sind - das wird ja kritisch diskutiert -, Wertvorstellungen beziehungsweise auch Strukturen für gemeinsames Zusammenleben vorzugeben. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger und wesentlicher Aspekt, gerade wenn wir mit den Problemen der Globalisierung konfrontiert sind.

    Remme: Sie haben ein Stichwort gerade genannt, die Ökumene. Sind katholische und evangelische Kirchentage nicht angesichts eines ökumenischen Kirchentages Auslaufmodelle?

    Nagel: Nein, es ist ein Zwischenschritt. Wir haben einen weiteren ökumenischen Kirchentag für 2010 ins Auge genommen, aber ich denke, wie das mit dem interreligiösen Dialog ist, so ist es auch zwischen evangelischen und katholischen Christen. Man muss wissen und sich genauer Gedanken machen, wo stehe ich eigentlich, was macht mich aus? Dann ist man auch in der Lage, tatsächlich gut aufeinander zuzugehen. Darum sind auch nach wie vor Katholikentage und evangelische Kirchentage meines Erachtens wichtig, und sie demonstrieren auch hier in Hannover wieder als ein großes ökumenisches Ereignis, dass wir schon sehr weit zusammengewachsen sind an der Basis.

    Remme: 100.000 Dauergäste sind da. Wissen Sie, wie viele Katholiken darunter sind?

    Nagel: Es ist etwa 10 Prozent. Das sind etwas mehr als ansonsten bei unseren Treffen, und wir freuen uns sehr darauf, dass diese Gruppe auch bei uns so stark vertreten ist.

    Remme: Wir haben ja in den vergangenen Wochen vor allem wegen des neuen Papstes auf die Katholische Kirche geschaut. Ist Papst Benedikt ein Thema in Hannover?

    Nagel: Selbstverständlich ist das auch ein Thema in Hannover. Er ist ja jemand, der nun gerade aus unserem Land kommt und dementsprechend die Reformation und die Diskussion um die Ökumene sehr gut kennt. Das ist eine Chance für uns, und diese Chance wirklich auch zu ergreifen, wird dann Thema in der einen oder anderen Diskussion sicherlich sein.

    Remme: Welche Aufgaben hat ein Kirchentagspräsident?

    Nagel: Also der muss vor allen Dingen erst mal dieses Ereignis eröffnen. Das wird heute Nachmittag der Fall sein. Dann geht es eigentlichen im Wesentlichen darum, neben der organisatorischen Verantwortung, die man im Prinzip trägt - wir sind ja ein Verein, der das Ganze organisiert -, tatsächlich mit den Menschen, die hierhin kommen, ins Gespräch zu kommen, sie zu begrüßen, gleichzeitig aber auch zu hören, was ihnen gefällt, was sie von zukünftigen Ereignissen erwarten. Mir ist auch besonders wichtig, mich in inhaltliche Diskussionen einzubringen, denn ich bin jemand, der gerne auf Kirchentage selbst geht, weil er sich dort eben inhaltlich einbringen kann.

    Remme: Vielen Dank für das Gespräch.