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Kita-Engpässe in NRW

1,4 Milliarden Euro will die NRW-Landesregierung bis 2018 ausgeben, um die Unter-Dreijährigen-Betreuung auszubauen. Eine Alternative bieten Tagesmütter. Hier ist der Anteil in NRW auf über 28 Prozent gestiegen. Tagesmütter haben viele Vorteile, wie ein Beispiel aus Essen zeigt.

Von Andrea Groß | 02.08.2012
    Es ist Mittagszeit in der Kindergruppe "Kunterbunte Runde" in Essen. Wegen der Ferienzeit sind statt der üblichen neun nur drei Kinder da. Nebeneinander sitzen Alexander, Antonia und Elisa in ihren Kinderstühlchen und bekommen ihr jeweiliges Essen von ihrer Tagesmutter Stefanie Josch verabreicht. Den Vormittag hat die kleine Gruppe auf dem Spielplatz verbracht, deshalb hängen bei Alexander die Augenlider schon auf Halbmast. Wenn das Wetter zu schlecht ist, um rauszugehen, gibt es im oberen Stockwerk drei große Räume zum Toben, zum Spielen und zum Kuscheln.

    "Der eine macht eine Sprachförderung, der andere bastelt, der andere – Bewegung, manche Kinder finden sich selber, spielen miteinander. Manchmal beobachten wir nur und begleiten, gucken eben, was können wir eben von den Räumlichkeiten so bieten, dass die Kinder alle gut versorgt sind."

    Stefanie Josch arbeitet zusammen mit einer Geschäftspartnerin in einem Tagesmutterverbund. Gemeinsam haben sie eine weitere Teilzeitkraft eingestellt. Das Team umfasst also eine Tagesmutter, eine Heilpädagogin und eine Kinderkrankenschwester. Das bietet sowohl für sie selbst als auch für die Kinder viele Vorteile, erklärt Karin Anhalt.

    "Gemeinsam können wir reflektieren, wir können Angebote planen. Wir können uns mit dem Mittagessen und mit den Vorbereitungen abwechseln. Die Kinder können Bezugspersonen wählen, haben noch einmal mehr Ansprechpartner, haben unterschiedliche Angebote, wir ergänzen uns gut."

    Um halb acht morgens werden die ersten Kinder gebracht, um halb sechs abends werden die Letzten abgeholt. Wird es wegen einer Konferenz oder eines Geschäftstermins der Eltern einmal später, ist das für die Tagesmütter kein Problem. Es sollte aber die Ausnahme bleiben. Eine solche Betreuung ist natürlich bei Eltern sehr begehrt. Der "Verband alleinerziehender Mütter und Väter" vermittelt in Essen neben der Kunterbunten Runde noch 70 weitere Tagesmütter. Es sei kein Problem, sofort einen Betreuungsplatz zu bekommen, sagt eine Sprecherin. Wünsche könnten allerdings nicht immer berücksichtigt werden. Auch Verena, die Mutter der kleinen Elisa ist froh, ihre Tochter so gut untergebracht zu wissen. Ihre Suche bei anderen Sozialverbänden war zuvor wenig erfolgreich.

    "Ich hatte mir mehrere Tagesmütter angeguckt und das waren sehr dramatische Zustände, wie ich fand. Zum Beispiel gab es auch Hunde oder Katzen und der Hund – da saß die Betreuerin direkt daneben, sodass ich schon Angst hatte, wenn die den Raum verlässt, dass halt irgendwas mit dem Hund passiert."

    Schon während ihrer Schwangerschaft hat die Juristin, die gerade für ihr zweites Staatsexamen büffelt, angefangen, nach einem Betreuungsplatz zu suchen. Erst im dritten Anlauf wurde sie fündig. Immerhin hatte sie eine Auswahl. Der Kita-Zweckverband des Bistums Essen gibt an, dass die Nachfrage nach U3-Betreuungsplätzen das Angebot deutlich übersteigt. Manche Kinder warten so lange, dass sie schließlich in das reguläre Ü3-Betreuungsangebot aufgenommen werden.

    Kommunen und Sozialverbände in Nordrhein-Westfalen arbeiten mit Hochdruck daran, mehr Erzieherinnen auszubilden und mehr Kitaplätze zu schaffen, sagt Klaus Schäfer, Staatssekretär des Landesministeriums für Kinder, Jugend, Kultur und Sport.

    "Wir haben 28,1 Prozent an Tagesmüttern jetzt erreicht und insoweit gehe ich davon aus, dass auch die Kindertagespflege einen ganz, ganz wichtigen Beitrag liefert. Zumal die Kindertagespflege für bestimmte Elternkreise sehr attraktiv ist, weil sie viel flexibler reagieren kann, als eine Kindertagesstätte."

    1,4 Milliarden Euro will die NRW-Landesregierung bis 2018 ausgeben, um die Unter-Dreijährigen-Betreuung auszubauen. Auch die "Kunterbunte Runde" in Essen hat davon schon profitiert, erzählt Karin Anhalt.

    "Einmal gibt es Gelder für Materialkosten, es gibt für Ausbau/ Umbau, wenn man jetzt Räume angemietet hat, dass man in Ausstattung investiert. Und da kann jede Tagesmutter Gelder beantragen, die dann meistens bewilligt werden. Wir haben das auch schon gemacht und dadurch unsere Räume erheblich aufgewertet."

    Die NRW-Landesregierung ist zuversichtlich, ab dem kommenden August jedem Kind einen Betreuungsplatz anbieten zu können. Die Frauen aus der Kunterbunten Runde sind gespannt, inwieweit sich ihre Arbeit dadurch verändern wird.