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Kita oder Tagesmutter?

Die Kinder zu einer Tagesmutter zu geben, bedeutet für die Eltern eine hohe Flexibilität. Unorthodoxe Arbeitszeiten lassen sich so besser abfedern als in einer Kita. Doch dort sind mehr Kinder und es bestehen oftmals auch zusätzliche Angebote, die eine Tagesmutter nicht leisten kann.

Von Andrea Groß | 18.05.2011
    In der Kindertagesstätte Hoppetosse in der Essener Innenstadt tanzen Emil und Lennart einen wilden Ringeltanz. Zehn Kinder sitzen im Kreis drum herum, klatschen, singen und warten, dass sie an die Reihe kommen. Es ist halb zehn. Die ersten Kinder sind kurz nach sieben von ihren Müttern oder Vätern gebracht worden. Um neun sind meistens alle da, dann wird erst einmal gefrühstückt. 30 Kinder sind auf zwei Gruppen gemischten Alters verteilt. Das jüngste ist gerade ein Jahr alt geworden, die ältesten sind sechs. Jede Gruppe wird von zwei Erzieherinnen betreut. Für bestimmte Angebote kommen externe Pädagogen ins Haus, erzählt Kita-Leiterin Martina Möller:
    "Einmal sind das Bewegungsangebote, die wir an alle Altersgruppen unserer Einrichtung richten. Das heißt, das alle Kinder, egal wie alt sie sind, einmal die Woche ein besonderes Bewegungsangebot hier im Haus erfahren. Dann haben wir eine Kollegin, die die Montessori-Ausbildung gemacht hat, die die Zwei- bis Dreijährigen besonders in einer Gruppe zusammenfasst."

    Außerdem gibt es jemanden für frühkindliche Musikförderung und für frühkindliche Mathematik- und Technikförderung. Was ihre Kita nicht leisten kann, sagt Martina Möller, sei eine Individualbetreuung. Außerdem könne sie nicht zu jedem x-beliebigen Zeitpunkt ein Kind aufnehmen. Jedes Jahr im August kommt ein Schwung Neuer. Außer der Reihe geht das nur, wenn ein anderes Kind wegen Umzug der Familie die Kita verlässt. Antea Kaiser hat demnächst drei Kinder in der Hoppetosse. Bisher hat sie bei Aufnahme ziemlichen Dusel gehabt, sagt sie:
    "Wir sind hierher nach Essen gezogen und haben durch Zufall einen Platz für meinen kleinen Sohn gekriegt – das war nur ein Halbtagsplatz. Also wir haben fast ein Jahr lang gewartet und dann war es auch wieder Zufall, dass es geklappt hat, dass unsere kleine Tochter auch noch dazu gekommen ist. Und ich bin jetzt schwanger und dieses Kind ist schon angemeldet, obwohl ich nicht einmal das Geschlecht kenne."

    Eine Tagesmutter wäre für die Familie Kaiser nicht infrage gekommen. Zum einen ist das eine Frage der Kosten, zum anderen wollten sie, dass ihre Kinder mit möglichst vielen anderen zusammen kommen.

    Für Miriam Frank dagegen waren große Kita-Gruppen der Grund, ihren Simon vorerst zu einer Tagesmutter zu geben. Bei ihrem älteren Sohn hatte sie erlebt, dass die vielen anderen Kinder ihn verwirrt und verunsichert haben und er gar nicht mehr gern in den Kindergarten ging. Das wollte sie Simon ersparen:

    "Bei der Tagesmutter ist es halt noch ein bisschen wie zu Hause. Es ist ja in den Räumlichkeiten der Tagesmutter. Das heißt, die Gegebenheiten sind erst mal ähnlich wie zu Hause. Und es ist halt alles ein bisschen persönlicher, ein bisschen kleiner und das ist für den Anfang, denke ich, erst mal toll."

    Simons Tagesmutter heißt Sibylle Strohwald und wohnt in Herne. In der 90-Quadratmeter-Wohnung ist genug Platz für die insgesamt vier Kleinkinder zum Spielen, Malen, Basteln, Singen, Vorlesen und für den Mittagsschlaf. Zum Toben geht es auf den Spielplatz direkt vor dem Haus. Dort sind immer auch andere Kinder mit ihren Müttern, Vätern oder Großeltern. Einmal die Woche geht es in eine Krabbelgruppe und manchmal auch zum Kinderturnen. Seit drei Jahren arbeitet Sibylle Strohwald als Tagesmutter. Bisher hat sie nur Kinder unter drei Jahren betreut. Das muss aber nicht so bleiben.

    "Ich denke, für ganz Kleine ist es immer gut, auch einen Großen noch dabei zu haben, also wenn einer drei oder vier ist. Sie lernen ja von dem Dinge, die sie von dem anderen Zweijährigen ja nicht lernen. Und wenn das möglich ist und machbar, dann würde ich auch über drei betreuen."

    Der Verein Herner Tageseltern organisiert die Kinderbetreuung entsprechend der Bedürfnisse und Arbeitszeiten der Eltern. Er schult die Tagesmütter und -väter, versichert sie und organisiert Ersatz, beispielsweise wenn einer mal krank wird.

    "Wir versuchen uns untereinander zu verknüpfen, gucken, welche Tagesmutter wohnt im gleichen Umfeld, versuchen, dass die Kinder sich kennenlernen über eine Tagesmutterspielegruppe, die es gibt. Und wenn wir längere Zeit krank sind, versuchen die Tageseltern die Kinder bei anderen Tagesmüttern unterzukriegen."

    Anders als eine Kita ist Sibylle Strohwald bei der Aufnahme neuer Kinder flexibel. Solange sie in ihr Zeitfenster zwischen sieben Uhr morgens und drei Uhr nachmittags passen. Der Rest des Tages gehört dem Ehemann und der Mutter, die in der Nachbarschaft wohnt. Und am Wochenende wird höchstens die Enkeltochter betreut. Für die sogenannte Randzeitbetreuung gibt es andere Tagesmütter in Herne.