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Kita-Platz - bisher noch nicht

Ausgerechnet das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen ist bundesweit Schlusslicht beim Kita-Ausbau. In Köln etwa bekommt nur jedes dritte Kleinkind eine städtisch geförderte Betreuung. Zum Stichtag 1. August sind viele Eltern noch verzweifelt auf der Suche.

Von Claudia Hennen | 31.07.2013
    Eine große Anwaltskanzlei im Kölner Norden. Stella von Malapert-Neufville begrüßt ihre Mandantin, eine zierliche junge Frau mit Töchterchen Rosa auf dem Arm.

    "Das ist Rosa, die ist jetzt 16 Monate alt. Ich habe vor etwa einem Jahr den Kita-Platz beantragt, habe bis heute gar nichts gehört von der Stadt. Obwohl ich mehrfach angerufen habe. Allerdings ist es ja nicht so einfach durchzukommen. Und wenn ich durchgekommen bin, wurde mir nur gesagt, dass die Bescheide demnächst rausgehen und ich vielleicht dabei bin."

    Bereits für ihre ältere Tochter hat die Jurastudentin drei Jahre lang auf einen städtischen Betreuungsplatz gewartet. Langsam läuft ihr die Zeit davon. Sie steht vor dem Staatsexamen, will nach jahrelanger Babypause endlich beruflich vorankommen. Die Anwältin macht ihr Mut:

    "Den Kita-Platz könnte man in einem Eilverfahren geltend machen. Das geht schneller als in einem Hauptsacheverfahren. Wenn tatsächlich kein Platz da wäre, könnte man das verbinden mit einem Antrag auf Schadenersatz für eine Kita, die Sie privat organisieren würden."

    Ortswechsel. Vor dem Elternbüro im Kölner Jugendamt – der zentralen Anlaufstelle für alle Fragen zu Kita-Plätzen – warten Eltern oft stundenlang auf einen Termin. In der Ecke sitzt ein Mitarbeiter vom Wachdienst – zum Schutz, es kam hier angeblich schon zu Pöbeleien. Interviews sind nicht gestattet. Doch außerhalb des Gebäudes schildern Mütter ihre Erfahrungen:

    "Gebracht hat es gar nichts, hierherzukommen. Es wurde lediglich mein Wunsch vermerkt, dass ich ab 1. November etwas suche. Ich finde es extrem frustrierend. Man soll Kinder kriegen und dann gibt es keine Betreuung, wenn man wieder arbeiten möchte."

    "Mein Sohn Linus ist jetzt 15 Monate alt. Nach seiner Geburt haben wir uns für einen Kindergartenplatz eintragen lassen und haben bis jetzt noch nichts gehört. Ich habe im Mai angefangen zu arbeiten, wir mussten Linus bei einer Tagesmutter unterbringen, zahlen aber doppelt so viel wie bei einem Kindergartenplatz. Jetzt wollte ich mal wissen, wann wir mit einem Ablehnungsbescheid rechnen können, damit wir gegebenenfalls Einspruch einlegen können."

    Agnes Klein, Schul- und Jugenddezernentin in Köln, verkündet vor dem Stichtag eine Betreuungsquote von 34 Prozent für die Unter-Dreijährigen. Angestrebt waren einmal vierzig Prozent. Doch Agnes Klein gibt sich optimistisch:

    "Täglich geht eine neue Kita ans Netz, der Ausbau läuft auf vollen Touren. Wir haben in Köln steigende Kinderzahlen - seit Jahren. Eine besondere Schwierigkeit hat sich daraus ergeben, geeignete Grundstücke zu finden – und zwar dort, wo die Menschen wohnen. Denn die Wohnortnähe ist ja auch ein wichtiges Thema."

    Die Journalistin Sarah Wiertz hat vor wenigen Wochen überraschend noch einen Kitaplatz für ihren eineinhalbjährigen Sohn erhalten. Doch der liegt in einem anderen Stadtteil und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer zu erreichen. 45 Minuten Anfahrtsweg für knapp vier Kilometer – das ist mit den Arbeitszeiten der Journalistin, die zudem noch nach Bonn pendelt, nicht vereinbar. Und dann wird die Kita auch noch umgebaut, die Mutter steht verzweifelt vor der Baustelle.

    "Beim besten Willen. Das ist sehr heftig. Und hier sollen dann bis zum September die Container stehen. Man gibt das Kind jetzt ab und weiß gar nicht, wie es aussehen wird. Für die kleinen Kinder gibt es keinen Spielplatz, nur eine Betonfläche. Besonders schön finde ich das nicht."

    Rechtlich hat Sarah schlechte Karten: Ein Anfahrtsweg bis zu fünf Kilometer ist zumutbar. Das hat das Verwaltungsgericht Köln vor knapp zwei Wochen in einem Eilverfahren entschieden. Außerdem urteilte das Gericht, dass Eltern, die einen Kita-Platz wünschen, nicht alternativ an eine Tagesmutter verwiesen werden können. Denn diese ist oft doppelt so teuer wie ein städtisch geförderter Kita-Platz. Die Stadt wird in Revision gehen, das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig. Sarah Wiertz hat sich schweren Herzens gegen den städtischen Platz entschieden, das heißt, weiter suchen:

    "Ich komme auf jeden Fall von der Warteliste runter, weil ich habe ja einen Platz angeboten bekommen und damit ist der Rechtsanspruch eingelöst"