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Kita-Streik
Größeres Bewusstsein für die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher

Der wochenlange Streik der Beschäftigten in den kommunalen Kitas hat bislang noch kein konkretes Ergebnis gebracht. Durch den Ausstand wurde aber deutlich, dass der Beruf der Erzieherinnen und Erzieher anspruchsvoller geworden ist. Ob es dafür auch mehr Geld gibt, ist noch unklar - denn die Kassen der Kommunen sind leer.

Von Ludger Fittkau | 04.06.2015
    Eine Kinderspielecke
    Der Kita-Streik ist erst einmal zu Ende: Es geht in die Schlichtung. (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    Ab Montag ist sie erst einmal vorbei. Die verzweifelte Suche nach netten Angehörigen oder Nachbarn, die morgens das Kind nehmen, weil die Kita bestreikt wird. Nach dreieinhalb Wochen waren schon viele Urlaubstage aufgebraucht, manche Eltern waren am Ende ihrer Kräfte angelangt. Doch insbesondere die Kinder seien beim Kita-Arbeitskampf oft die Leidtragenden gewesen, bilanziert Hilde von Balluseck. Die Berlinerin Hochschullehrerin hatte vor zehn Jahren den ersten Studiengang für Erzieher und Erzieherinnen in Deutschland konzipiert. Im Deutschlandradio Kultur zog sie heute die Bilanz der Streikwochen: "Die Kinder haben sehr gelitten darunter, vor allem dann, wenn die Eltern unter Druck sind, was ihre Arbeit angeht. Es gibt ja viele Eltern, die nicht in so gesourcten Arbeitsverhältnissen sind und die auch kein entsprechendes Netzwerk haben. Ich spreche hier vor allem von den Alleinerziehenden, die sind ja oft in ganz, ganz schwierige Situationen geraten."
    Obwohl jetzt erst einmal die Schlichtung ansteht und das Ergebnis noch offen ist, glaubt Hilde von Balluseck jedoch, dass der Streik schon eines bewirkt hat: Die Öffentlichkeit habe begriffen, dass der Beruf der Erzieherinnen und Erzieher tatsächlich mehr Wertschätzung braucht. Auch wenn die von den Gewerkschaften geforderten zehn Prozent mehr Gehalt noch in weiter Ferne liegen.
    Die Erziehungsexpertin sieht den Streik unterm Strich positiv: "Er hat insofern was gebracht, als in der Öffentlichkeit klarer geworden ist, was diese Berufsgruppe leistet und das sich da auch etwas verändert hat. Es hat sich ja sehr, sehr viel verändert im Erzieherinnenberuf. Früher hieß es Kindergärtnerin und heute heißt es jetzt schon Kindheitspädagogin, wenn ein Studium absolviert worden ist. Und da sind ja enorme Qualifikationsunterschiede zu beobachten und auch enorme Anforderungen, die früher nicht gestellt wurden. Und dem muss man ja auch irgendwo Rechnung tragen."
    Die gesellschaftliche Bewegung ist nicht zu Ende
    Es gibt kaum einen Bürgermeister hierzulande, der dem wiedersprechen würde. Doch die kommunalen Kassen sind leer, die meisten Städte nach wie vor hoch verschuldet. Das ist der Grund, warum sich die kommunalen Kita-Träger trotz des harten Arbeitskampfes bisher kaum bewegt haben. Thomas Böhle, Personalreferent der Stadt München und Präsident der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände Deutschlands: "Die Arbeitgeber haben in allen Berufsfeldern Verbesserungen vorgeschlagen. Wir haben uns die Berufsfelder angesehen und überall dort, wo Handlungsbedarf besteht, haben wir uns Gedanken gemacht. Wir sind aber im Ergebnis zu keiner Einigung gekommen. Dazu waren die Forderungen der Gewerkschaften einfach zu hoch."
    Rund 1,2 Milliarden Euro pro Jahr würde die Erfüllung der Gewerkschaftsforderungen die Kommunen kosten. Das errechneten die kommunalen Arbeitgeber. Die Gewerkschaften Verdi, GEW und der Deutsche Beamtenbund wollen für die rund 240.000 Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst eine Höhergruppierung in bestehenden Tarifverträgen erreichen. Das soll den gesellschaftlichen Bedeutungswandel dokumentieren, den die Erzieherarbeit im Elementarbereich in den letzten Jahrzehnten erfahren hat. Verdi-Chef Frank Bzirske: "Wir sind in der Friedenspflicht. Die Streiks entsprechend ausgesetzt. Aber das heißt ja nicht, dass die gesellschaftliche Bewegung zu Ende ist. Und dann hoffe ich, dass wir zu einer Einigung kommen. Das wäre glaube ich in unser aller Interesse."
    Die Gewerkschaften haben Herbert Schmalstieg, den ehemaligen Oberbürgermeister von Hannover, als Schlichter vorgesehen. Die Arbeitgeberseite will zügig noch einen zweiten Schlichter benennen.