Donnerstag, 25. April 2024

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Klage gegen saudischen Kronprinzen
"Damit es irgendwann zu Haftbefehlen kommt"

Die von Menschenrechtlern in Argentinien eingereichte Klage wegen Mord und Folter gegen den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman solle Ermittlungen erst einmal in Gang setzen, sagte der Anwalt Andreas Schüler im Dlf. Wo auch immer er hinreise, müsse er damit rechnen, dass Anzeigen gegen ihn erstattet werden.

Andreas Schüller im Gespräch mit Martin Zagatta | 01.12.2018
    Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman und der russische Präsident Putin beim G20-Gipfel in Buenos Aires.
    Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman im Gespräch mit dem russischen Präsidenten Putin. Gegen Salman wurde Klage wegen Mord und Folter eingereicht. (AFP/Alejandro PAGNI )
    Martin Zagatta: Wegen einer Flugzeugpanne hat Bundeskanzlerin Merkel den Auftakt und fast den ganzen ersten Tag des G20-Gipfels in Buenos Aires verpasst. Den russischen Präsidenten Putin und den amerikanischen Trump trifft sie deshalb auch heute erst bei Zweierbegegnungen. Ein G20-Treffen, das diesmal im Zeichen von Handelskonflikten steht, im Zeichen des Ukrainekonflikts und auch der Khashoggi-Affäre. Mit dabei, obwohl eine Menschenrechtsorganisation in Argentinien Klage gegen ihn eingereicht hat wegen der Folter und der Ermordung von Regimegegnern und wegen Kriegsverbrechen im Jemen – bin Salman ist ja auch Verteidigungsminister. Diese Klage basiert auf dem sogenannten Weltrechtsprinzip, und was das bedeutet, das kann ich mir jetzt von Andreas Schüller erläutern lassen. Er ist Rechtsanwalt beim European Center for Constitutional and Human Rights, eine in Berlin ansässige Menschenrechtsorganisation, die sich bemüht, Menschenrechte, verbriefte Menschenrechte juristisch durchzusetzen. Er leitet dort den Bereich Völkerstraftaten und rechtliche Verantwortung. Guten Morgen, Herr Schüller!
    Andreas Schüller: Guten Morgen, Herr Zagatta!
    Zagatta: Herr Schüller, hat diese Klage jetzt irgendeine Aussicht auf Erfolg oder ist das mehr ein symbolischer Akt?
    "Eine solche Klage kann Ermittlungen in Gang setzen"
    Schüller: Die Klage ist wichtig, weil es Ermittlungen in Gang setzen kann, auch wenn dem Kronprinzen jetzt während seiner Anwesenheit vielleicht nicht direkt eine Festnahme oder Vernehmung droht, aber eine solche Klage kann in Gang setzen, dass auch nach seiner Abreise ermittelt wird, und das wäre das Wichtige, was dann bleibt, weil solche Ermittlungen können dann auch später eventuell in anderen Ländern fortgeführt werden.
    Zagatta: Diese Klage in Argentinien wird ja mit der Ermordung Khashoggis auch begründet mit der Folter und der Ermordung von Regimegegnern, aber vor allem mit Kriegsverbrechen im Jemen. Braucht es diese Kriegsverbrechen dazu oder wäre es mit diesem Weltrechtsprinzip auch möglich, jemanden wegen eines solchen Mordes zu belangen?
    Schüller: Nach dem Weltrechtsprinzip können bestimmte Taten international verfolgt werden oder müssen es teilweise auch sogar, und das betrifft sowohl Kriegsverbrechen als auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder auch Folter, und bei Folter betrifft es besonders auch einzelne Folterhandlungen. Insofern gibt es jetzt hier in dem konkreten Fall eine Reihe von Ansatzpunkten für weitere Ermittlungen. Ein Anfangsverdacht ist schon festgestellt worden, weil der Fall weiter geprüft wird von der argentinischen Justiz, erst mal nach ein paar formalen Kriterien, aber neben dem Fall Khashoggi, wo es eine Zuständigkeit geben könnte, betrifft es genauso auch die Kriegsverbrechen im Jemen, und wir werten es schon, er ist auch Verteidigungsminister. Also in die Fälle müsste insbesondere auch reingeschaut werden und als letztes auch die Folter innerhalb Saudi Arabiens, vor allem jetzt zuletzt die Vorwürfe gegen junge weibliche Menschenrechtsaktivistinnen, die politische Oppositionen zum Prinzen darstellen.
    Zagatta: Und eine solche Klage ist möglich, obwohl Khashoggi ist ja kein Argentinier. Unter den Opfern im Jemen sind, soweit ich weiß, auch keine Argentinier. Braucht es da keinen direkten Bezug?
    Argentinien habe Militärdiktaturverfahren aufgeklärt
    Schüller: Der direkte Bezug besteht darin, dass Mohammad bin Salman in Argentinien anwesend ist. Das ist sozusagen der Bezug, der hergestellt wird, aber es muss weder Täter noch Opfer Argentinier sein, noch muss die Tat in Argentinien begangen worden sein. Das Spannende daran ist auch, dass Argentinien selbst in seiner Geschichte jetzt zuletzt Militärdiktaturverfahren aufgeklärt hat, sprich, es gibt ein großes Wissen in dem Land, wie man so etwas macht. Bevor das aber passierte, gab es auch eine Reihe von Verfahren gegen argentinische Militärjunta-Anführer in Europa nach demselben Prinzip, unter anderem auch in Deutschland und Spanien. Insofern ist Argentinien da schon ein Land, das eine große Erfahrung in diesem Zusammenhang hat.
    Zagatta: Ich habe Sie recht verstanden, solch eine Klage, die würde es in Deutschland oder könnte es in Deutschland genauso geben, wenn der saudische Kronprinz deutschen Boden betreten würde. Würde es da eine solche Anklage auch geben?
    Schüller: Ja, ich denke, die Klage jetzt in Argentinien oder die Strafanzeige wird schon Folgen haben, dass Mohammed bin Salman, wo auch immer er hinreist, damit rechnen muss, dass Anzeigen gegen ihn erstattet werden. Das gibt es auch zu anderen Konflikten und Personen, wo es auch immer wieder Versuche gibt, auch wie von dem ECCHR Klagen einzureichen, wo auch immer eine Person hinreist, weil es dann immer diesen Anhaltspunkt oder diese Zuständigkeit zu dem Land, dass auch Verfahren aufgenommen werden und dann geschaut wird, ob Länder untereinander sich in den Ermittlungen auch unterstützen können, damit es entweder zu Befragungen kommt oder irgendwann sogar zu Haftbefehlen und Festnahmen.
    Zagatta: Wäre das jetzt schon ein Automatismus, wenn bin Salman da irgendwann mal nach Deutschland kommen würde oder würde Ihre Organisation, würden Sie da Klage einreichen?
    "Eine Immunität für Verteidigungsminister ist umstritten"
    Schüller: Also wir haben zum Jemenkonflikt bereits in Italien Klage eingereicht, nicht gegen den saudischen Kronprinzen, sondern gegen eine Tochterfirma der deutschen Rheinmetall. Da geht es auch um ein Kriegsverbrechen im Jemen, wo Waffen von Rheinmetall benutzt wurden, sprich, da wird schon ermittelt, aber natürlich zusammen mit unserer jemenitischen Partnerorganisation Mwatana schauen wir uns sehr genau an, wer wohin reist und welche Fälle eventuell wo eingereicht werden können.
    Zagatta: Das heißt, Sie würden unter Umständen dann auch Klage einreichen?
    Schüller: Ja, das ist sicherlich recht naheliegend.
    Zagatta: Wie ist es mit der Immunität? Das wollte ich Sie zum Schluss noch fragen, also Staaten untereinander können ja nicht übereinander Gericht sitzen. Geht das überhaupt, gegen Staatsoberhäupter, gegen Regierungschefs oder jetzt, wie im Fall bin Salman, gegen wichtige Minister vorzugehen?
    Schüller: Es gibt eine Immunität für Staatsoberhäupter und Außenminister, auch völkergewohnheitsrechtlich. Insofern kommt es darauf an, ob eine Person privat zum Beispiel unterwegs ist für eine medizinische Behandlung oder für eine Einkaufstour auch in Europa oder welche Funktion jemand in einem Staat ausübt. Ob es jetzt auch für Verteidigungsminister gilt, ist umstritten, und ebenso, ob es auch eine Immunität über die Teilnahme an einer diplomatischen Mission gibt. Das ist auch umstritten, da kommt dann auch die Politik ins Spiel und die Frage, ob ein Staat jemandem, der gegen den Anfangsverdacht für diese Taten besteht, überhaupt eine solche Immunität gewähren sollte.
    Zagatta: Sagt Andreas Schüller, Rechtsanwalt beim European Center for Constitutional and Human Rights in Berlin. Herr Schüller, herzlichen Dank für das Gespräch!
    Schüller: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.