Dienstag, 23. April 2024

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Klage gegen unentgeltliche Lehrtätigkeiten
"Es geht einfach mal ums Prinzip!"

Wer seinen Titel als Privatdozent behalten will, muss an einigen Hochschulen in Deutschland eine gewisse Stundenzahl unterrichten - und das unentgeltlich. Das sei mit den Grundrechten nicht konform, erklärte Privatdozent Günter Fröhlich im DLF. Er hat in Bayern eine sogenannte Popularklage gegen das dortige Hochschulpersonalgesetz eingereicht.

Günter Fröhlich im Gespräch mit Michael Böddeker | 06.05.2016
    Kaum Geld zum Leben - ein leeres Portemonnaie
    Privatdozenten sind unter anderem in Bayern und Baden-Württemberg verpflichtet, unentgeltlich Lehrveranstaltungen zu geben. (dpa / picture-alliance / Hans Wiedl)
    Michael Böddeker: Wir haben es ja eben gehört, sogar im Praktikum wird mittlerweile meist der Mindestlohn bezahlt. Denn arbeiten, ohne dafür Geld zu bekommen, das ist nicht fair. Aber das ist an Hochschulen gängige Praxis, und zwar bei Privatdozenten. Die sind genau wie Professoren habilitiert, haben also eine Lehrberechtigung. Aber wenn sie ihren Titel als Privatdozent behalten wollen, müssen sie in vielen Bundesländern eine Mindestlänge an Lehrveranstaltungen pro Semester anbieten, auch unbezahlt. Das Problem ist schon lange bekannt, wir haben auch schon darüber berichtet, aber es tut sich wenig.
    Vielleicht kommt ja jetzt Bewegung in die Sache. Ein Privatdozent hat gegen diese Praxis Klage eingereicht vor dem Bayrischen Verfassungsgerichtshof, nämlich Günter Fröhlich. Er ist habilitierter Philosoph und lehrt an der Uni Regensburg. Mit ihm habe ich gesprochen und ihn gefragt: Warum geben Sie Lehrveranstaltungen, wenn Sie doch kein Geld dafür bekommen?
    Günter Fröhlich: Gut, man hat diesen Berufsweg gewählt, man macht das gerne, es ist einem irgendwie persönlich auch wichtig und das wird auch immer hervorgehoben.
    Auf der anderen Seite ist das eine berufliche Orientierung und da wird das verlangt, zumindest sozusagen in der Realität. Man wird ausgewählt je nachdem, wie viel man Lehrerfahrung hat, was man da gemacht hat, und deswegen muss man da ständig am Ball bleiben. Und das weiß der Gesetzgeber natürlich und versucht dann, na ja, gut, das unentgeltlich machen zu lassen. Aber es wird eine Leistung erbracht und deswegen muss man eine Regelung finden, die dem Ganzen gerecht wird.
    Und ich glaube, dass die derzeitige Regelung in Bayern – in Baden-Württemberg ist es noch schlimmer, das sind sogar vier Semesterwochenstunden, in Bayern nur zwei –, aber dass diese Regelungen derzeit nicht mehr verfassungskonform sind und einen zu starken Eingriff in die Grundrechte darstellen.
    Böddeker: Von wie viel Arbeit sprechen wir da bei zwei Semesterwochenstunden, wie viel Zeitaufwand ist das für Sie?
    Fröhlich: Zwei Semesterwochenstunden entspricht einer normalen Seminarlänge, das geht über ein ganzes Semester, das sind so 26 bis 30 Unterrichtsstunden. Für eine Vorlesung muss ich da erheblich was vorbereiten, ich gehe da von 200 bis 300 Stunden aus, ich dokumentiere das inzwischen auch, um da einen Beleg dafür zu haben.
    Böddeker: Wenn Sie mit der Arbeit an der Hochschule, mit der Vorlesung kein Geld verdienen, womit bestreiten Sie dann Ihren Lebensunterhalt?
    Fröhlich: Gut, ich habe ein paar Tantiemen durch meine Bücher, ich verkaufe selber auch meine Bücher, da bleibt ein bisschen was hängen. Und hinzu arbeite ich noch im Café, also in der Gastronomie und halte mich da so schlecht und recht über Wasser.
    "Eine gute Möglichkeit, so ein Gesetz anzugreifen"
    Böddeker: Was hat dann letzten Endes für Sie den Ausschlag gegeben, dass Sie Klage erhoben haben?
    Fröhlich: Die Motivationen sind da sicher vielfältig. Also, wenn man bemerkt, es gibt ein Gesetz, dass eine bestimmte Praxis regelt, wie dieses Hochschulpersonalgesetz, das ich angegriffen habe, fragt man sich natürlich: Wie kann so etwas gerechtfertigt werden? Und dazu ist in Bayern die Möglichkeit, eine Popularklage zu erheben. Sehr komfortabel, wenn die Klage angenommen wird. Das ist sie in meinem Fall inzwischen, dann ist das auch nicht mit Verwaltungskosten verbunden, ich brauche keinen Anwalt, ich kann das alles selber machen.
    Also, es ist durchaus überschaubar. Und insofern hat man eine gute Möglichkeit, so ein Gesetz anzugreifen. Es geht ja da nur um die formale Überprüfung, ob eine gesetzliche Regelung verfassungskonform ist oder nicht. Folgen hat das zunächst noch gar keine, also wenn man finanzielle Folgen meint oder so. Das Gericht wird nicht entscheiden können, dass ich jetzt auf einmal Geld für meine Vorlesung bekomme, das wird noch Jahre dauern, wenn man das wirklich so entscheiden wird. Aber es geht einfach mal ums Prinzip, es geht um den Rechtsstaat und den Umgang der Politik mit den Grundrechten. Und da scheint mir doch vieles im Argen zu sein.
    Böddeker: Die Staatsregierung hat sich schon geäußert und gesagt, die Klage sei unbegründet, weil eben keine Pflicht da sei zu dozieren. Was würden Sie erwidern darauf?
    Fröhlich: Man beruft sich dabei auf die formalen Voraussetzungen zur Berufung auf eine ordentliche Professur. Und da hat die Staatsregierung völlig recht, das ist keine rechtliche Voraussetzung, tatsächlich Mitglied einer Universität zu sein und zu unterrichten. Aber faktisch wird das von den Berufungskommissionen natürlich vorausgesetzt.
    Das Verfahren ist gewissermaßen ein Mittel, die Staatsregierung und den Landtag zu zwingen, etwas mehr darüber nachzudenken. Da müsste das Gedicht natürlich zu meinen Gunsten entscheiden und das kann man nicht sagen, das ist klar.
    "Eine Regelung, die mir einfach zweifelhaft erscheint"
    Böddeker: Was glauben Sie, es gibt ja viele Privatdozenten in ähnlicher Lage wie Sie, Tausende in Deutschland nach Schätzungen. Warum haben die nicht auch schon Klage eingereicht? Trauen die sich nicht?
    Fröhlich: Das ist möglicherweise tatsächlich ein Motiv. Ich bekomme jetzt sehr viele Zuschriften von Kollegen, die meine Klage natürlich sehr begrüßen. Die geben ja auch sehr viele Hinweise, sehr interessante Hinweise, wie die Regelungen an einzelnen Universitäten da aussehen. Aber die meisten legen dann doch Wert darauf, in dem Verfahren oder öffentlich nicht namentlich genannt zu werden. Man fürchtet offenbar wirklich Druck für Lehrstuhlvertretungen, für Forschungsprojekte und so weiter. Also, insofern ist es ein gewisses Wagnis, sich zu beschädigen.
    Auf der anderen Seite, ich greife nicht die Universität an, ich greife keine Institution an, ich greife mit der Popularklage ein Gesetz an. Kollegen kommen auf mich zu, also bestallte Kollegen auch und beglückwünschen mich sehr. Man kann sich auch mal hineinversetzen in die Lage eines Universitätspräsidenten, der muss Leute beschäftigen und darf ihnen gar nichts dafür zahlen. Der darf nicht, das ist gesetzlich ausgeschlossen.
    Und das ist eine Regelung, die mir einfach zweifelhaft erscheint. Und ich kann jeden nur dazu aufrufen, wenn er eine Ungerechtigkeit bemerkt, die einen Grundrechtsaspekt hat, da auch die rechtlichen Schritte zu gehen. Das ist in Deutschland möglich und deswegen sollte man das auch wirklich ausnutzen. Und das macht den Rechtsstaat aus und das ist die freiheitlich-rechtliche Demokratie, in der wir leben wollen. Und da sollte man jedes Mittel nutzen meines Erachtens.
    Böddeker: Sagt Günter Fröhlich, Privatdozent an der Uni Regensburg. Er hat vor dem Bayrischen Verfassungsgerichtshof Popularklage dagegen eingereicht, dass er unentgeltlich Lehrveranstaltungen geben muss, um seinen Titel als Privatdozent zu behalten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.