Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Klang aus einem Guss

Für Klavierspieler und -spielerinnen war das 19. Jahrhundert eine Zeit der Glückseligkeit. Und das Glück ließ sich noch steigern, indem man es zu zweit genoss. Innige Klavier-Beziehungen gibt es aber auch heute noch - so wie bei dem deutsch-japanischen Klavierduo Mariko und Volker Eckerle.

Von Johannes Jansen | 01.01.2013
    Das neunzehnte war das eigentliche Jahrhundert des Klaviers. Die Produktion von Musikalien und Instrumenten erreichte nie gekannte Ausmaße. Für Klavierspieler und -spielerinnen waren es Zeiten der Glückseligkeit. Und das Glück ließ sich noch steigern, indem man es zu zweit genoss. Wie viele Ehen aus lauter Tastenverliebtheit oder "vierhändig arrangiert" zustande kamen, mag der Himmel wissen. Innige Klavier-Beziehungen jedenfalls gibt es auch heute noch, und manche gestalten sich ganz besonders intensiv, so wie bei Mariko und Volker Eckerle. Willkommen zur neuen Platte im Deutschlandfunk. Dazu begrüßt Sie am Mikrofon Johannes Jansen. "Weltersteinspielungen" steht auf dem Cover der jüngsten CD des deutsch-japanischen Klavierduos Eckerle, doch die Werke, um die es geht, sind alles andere als unbekannt...

    "Robert Schumann, a-Moll-Quartett, op. 41 Nr. 1
    bearb. f. Klavier zu vier Händen von Otto Dresel, revidiert von Robert Schumann (1852)
    CD-Track 1"

    Zugegeben, leicht wiederzuerkennen ist es nicht: Robert Schumanns Streichquartett in a-Moll, op. 41 Nr. 1. Denn da ist keine erste Geige, die behutsam ihren Faden ausspinnt, um den sich dann die anderen Stimmen knäueln, und kein sich auffächernder Streicherklang. Das ist der Vor- und Nachteil des Klaviers zugleich: Es erreicht nie die Farbdichte und -intensität eines Quartetts, aber es schärft die Kontur der Töne und hebt die etwas altertümelnd kanonartige Struktur in dieser langsamen Introduktion um so deutlicher hervor. Damit nähert sich die Bearbeitung gewissermaßen dem Urzustand des Werkes, das ja – wie die meisten Kompositionen nicht nur Robert Schumanns – am Klavier entstand. Die Farben der Instrumente mischte der Komponist in seinem Kopf hinzu. Um sie wieder aufs Klavier zurück zu übertragen, bedarf es der geschickten Hand eines Bearbeiters. Anders als Brahms, der solche Klavierfassungen eigener Werke und das Geschäft damit gern selber machte, überließ Schumann es zumeist anderen. Im Falle der Quartette war es Otto Dresel, der als Komponist nicht sonderlich reüssierte, sich aber als Bearbeiter ein sehr soliden Ruf erwarb. Eine Anzeige in der Tongerschen Neuen Musik-Zeitung aus Köln rühmt noch 1881 – da lebte er schon lange in Amerika – die ob ihrer "Claviermässigkeit" von keinen Geringeren als Franz Liszt, Hans von Bülow und "Frau Dr. Clara Schumann" beglaubigte Qualität seiner Arrangements unter anderem auch der neun Beethoven Sinfonien. Hier noch ein Ausschnitt aus dem Scherzo (Presto und Intermezzo) des a-Moll-Quartetts von Robert Schumann.

    " Robert Schumann, a-Moll-Quartett, op. 41 Nr. 1
    bearb. f. Klavier zu vier Händen von Otto Dresel, revidiert von Robert Schumann (1852)
    CD-Track 2"

    In den lyrischen Passagen sind die Bearbeitungen der originären Schumannschen Klaviermusik zum Verwechseln ähnlich. Unterschiede zeigen sich da, wo es um die Entfaltung und Dynamisierung des Klanggeschehens geht. Auf manche Triller, Begleitfiguren und Überleitungen hätte der Komponist – zumal in solistischer Klaviermusik – gewiss verzichtet oder sie zumindest eleganter in das Satzgefüge eingebunden. Dem Geist der Bearbeitung würde es jedoch widersprechen, denn sie will ja gerade nicht an das Klavier erinnern, vielleicht nicht einmal an das Streichquartett, sondern eher an ein Orchester.

    "Schumann, a-Moll-Quartett, op. 41 Nr. 1
    bearb. f. Klavier zu vier Händen von Otto Dresel, revidiert von Robert Schumann (1852)
    CD-Track 3"

    Robert Schumann zeigte sich mit der gekonnten Klavierfassung des damals erst 21-jährigen Otto Dresel einverstanden, fand sie sogar "sehr gut", zögerte aber, die Druckerlaubnis zu erteilen. Erst nach einigen Retuschen, die er selbst vornahm, gab er sie mit veränderten Metronomangaben frei. Zehn Jahre waren da bereits vergangen seit der Uraufführung des Quartetts im privaten Rahmen aus Anlass des 23. Geburtstages seiner Frau. Für Schumann war dies erste Quartett mitsamt den beiden Schwesterwerken in F-Dur und A-Dur ein weiterer Versuch, sich vom Klavier zu emanzipieren und damit ein wenig auch von Clara, die ihn als Tastenvirtuosin an Berühmtheit überragte. Nach einer schweren Depression und Schaffenskrise war es dann aber doch wieder das Klavier, an dem er sich als Komponist aufrichten sollte. Genaugenommen war es nur ein Klavier-Untersatz, wie Organisten ihn verwenden. Die Anschaffung eine solchen Pedalflügels deutet darauf hin, dass Schumann ein Anlehnungsbedürfnis an die Tradition verspürte, speziell wohl an die starke Schulter eines Johann Sebastian Bach. Als direkte Hommage entstanden im Jahr 1845 die "Sechs Fugen über den Namen BACH" und als Vorstudien dazu "Sechs Stücke in kanonischer Form". Hier die Nummer 1:

    "Schumann, Studien für den Pedalflügel, Nr. 1 (Nicht zu schnell)
    bearb. f. Klavier zu vier Händen von Theodor Kirchner (1888)
    CD-Track 5"Vom Jahre 1845 an", schreibt Schumann über sich selbst, "wo ich anfing, im Kopf zu erfinden und auszuarbeiten, hat sich eine ganz andere Art zu komponieren zu entwickeln begonnen". Die Bach-Attitüde seiner Pedalflügel-Werke war demnach mehr als eine bloße Stilübung oder spielerische Orgel-Fußgymnastik im vielleicht unbewussten Drang, es auch auf diesem Gebiet dem bewunderten Vorbild Mendelssohns gleichzutun. "Als eine besondere Maßnahme der Selbsttherapie, als ein Mittel der geistigen Disziplinierung", so deutet sie der Schumann-Forscher Joachim Draheim. Er besorgte die Stückauswahl für diese neue Platte, die nun im Rahmen einer siebenteiligen CD-Edition mit Bearbeitungen Schumannscher Orchester- und Kammermusikwerke für Klavier vierhändig beim Label Naxos erschienen ist. Wegen der Schwierigkeit, die Studien für den Pedalflügel auf einem normalen Klavier angemessen darzustellen, haben sie in der Schumann-Rezeption keine große Rolle gespielt. Einige Komponisten freilich, unter ihnen auch Georges Bizet und Claude Debussy, waren so von diesen Stücken angetan, dass sie sich als Bearbeiter daran versuchten. Auch Theodor Kirchner, der die besondere Wertschätzung Clara Schumanns genoss, trat 1888 mit gleich zwei Arrangements für Klaviertrio und vierhändiges Klavier hervor. Das Klavierduo Eckerle vollbringt das Kunststück, vergessen zu machen, dass die Studien je für etwas anderes gedacht waren als eine Wiedergabe "a quatre mains". Alles klingt so aus einem Guss, dass man Wilhelm Busch zitieren möchte, ohne jedoch dabei an dessen Affen Fipps zu denken, sondern vielmehr an einen vierarmigen Franz Liszt: "Zu Kattermäng gehören zwei, e r braucht sich bloß allein dabei ..."Schumann, Studien für den Pedalflügel, Nr. 3 (Andantino – Etwas schneller)
    bearb. f. Klavier zu vier Händen von Theodor Kirchner (1888)
    CD-Track 7"

    Das war die Nummer 3 der "Studien für den Pedalflügel", gespielt vom Klavierduo Eckerle auf Folge 2 der bei Naxos erschienenen Reihe mit Bearbeitungen Schumannscher Kammermusik- und Orchesterwerke für Klavier vierhändig.

    Mit Schumann ins neue Jahr. Das deckt sich mit dem Vorsatz, 2013 die Antennen nicht ausschließlich auf die beiden großen Jubiläen auszurichten, um die es unter dem Titel "Wagner oder Verdi?" in der gleich folgenden Sendung geht. Auch dazu viel Vergnügen wünscht am Mikrofon, mit Dank fürs Zuhören, Johannes Jansen.

    "Schumann, F-Dur-Quartett, op. 41 Nr. 2
    bearb. f. Klavier zu vier Händen von Otto Dresel, revidiert von Robert Schumann (1852)
    CD-Track 14"

    Robert Schumann, Orchester- und Kammermusikwerke
    für Klavier zu vier Händen (Vol. 2)

    Klavierduo Eckerle
    Naxos (LC 05537), Bestellnr. 8.551294 (EAN 730099129428)