Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Klanginstallation in München
Malen mit dem Mikrofon

Stefan Winter arbeitet als Klangregisseur und Musikproduzent. Mit der Installation "Vor der Stille" hat er nun akustische Bilder geschaffen, die auf Bruchstücke elementarer Umweltgeräusche und aufmerksames Hinhören setzen. 13 sogenannte "Klangzellen" stehen bis Ende November als Wegstationen im Säulengang der Rathausgalerie München.

Von Andi Hörmann | 15.10.2014
    Stefan Winter: "Was wir als Stille bezeichnen, ist ein Zustand, wo es immer noch Geräusche gibt, die absolute Stille ist die Unendlichkeit."
    Der Schlüssel klimpert hell, dumpf fällt die Tür ins Schoss - Stille. Nur fast, da ist noch der unhörbare Klangteppich.
    "Es liegt hier eine Tiefen-Frequenz im Raum, die sich auf der einen Seite aus Meereswellen aus Hawaii zusammensetzt und auf der anderen Seite von Wellen aus dem All, die die Challenger mal aufgenommen hat."
    Für das Ohr kaum hörbar, für das Auge unsichtbar, nur der Körper fühlt die Töne.
    "Ich hab diese beiden Elemente in einer Klang-Collage zusammengebracht und die liegen hier ganz ruhig im Raum drin."
    650 Quadratmeter, eine acht Meter hohe Kuppel aus Milchglas, gesäumt von neogotischen Granitsäulen, in der Mitte ein Marmorbrunnen: die Rathausgalerie in München hat Stefan Winter für seine Installation "Vor der Stille" mit dünnem, weißem Filzstoff ausgekleidet. Der Besucher bekommt erst mal raschelnde Kunststoff-Überschuhe, natürlich in weiß.
    "Ich glaube, wenn man in den Raum hineingeht, man merkt, dass etwas mit dem Körper passiert."
    Unter den Säulenbögen stehen 13 weiße Klangzellen. Über eine ovale Öffnung betritt sie der Ausstellungsbesucher: ein schwarzer Raum - zwei Quadratmeter groß, fast drei Meter hoch - ein Plattenspieler, zwei Boxen.
    "Wir können den ja mal anschalten. Das ist das Perpendikel."
    "Es gibt zwar Collagen, wo ich Sachen übereinanderlege oder in eine andere Reihenfolge bringe, aber es gibt sozusagen keine Manipulation. Ich wollte so akustische Polaroids haben."
    Das Pendel einer Standuhr, das Knistern von brennendem Holz, das Beißen in einen Apfel: Stefan Winter inszeniert akustische Schnappschüsse, Close-Ups von Geräuschen, hörbare Stillleben.
    "Wenn man einem gemalten Apfel einen bestimmten Ausdruck geben kann, dann muss ich es auch dem Geräusch geben können, wenn man einen Apfel isst. Für mich sind Geräusche so wie Farben, ich versuche damit zu malen."
    Nur drei der 13 Klanginstallationen setzen sich mit Musik auseinander - etwa als Klanginszenierung von Richard Wagners "Liebestod" in der Fassung von Franz Liszt.
    "Ich bin kein ausführender Musiker. Ich bin wirklich jemand, der mit Mikrofon arbeitet. Und ich verarbeite dann die Klänge. Sozusagen ist das Aufnahmegerät meine Leinwand."
    Das Malen mit dem Mikrofon - Stefan Winter wandelt dabei auf einem schmalen Grat zwischen Klischee und Klangforschung, Esoterik und Spiritualität. In jedem Geräusch schwingt sie mit, eine Faszination am Sinnesorgan Ohr, eine akustische Melancholie.
    "Aber es ist eher so eine augenzwinkernde Melancholie, es ist keine bedrückende Melancholie."
    Wenn die Tür wieder ins Schloss fällt und man die Installation "Vor der Stille" wieder verlässt, versteht man so manches Klangwunder etwas besser. Und das laute, undifferenzierte Treiben der Münchner Innenstadt holt einen wieder zurück aus der Unendlichkeit der Geräusche.