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Klarinettenquintette
Fuchs und Brahms Seite an Seite

Obwohl Robert Fuchs und Johannes Brahms sehr ungleich waren, standen sich die Komponisten nah: Fuchs hatte in Brahms sein größtes Vorbild und seinen wichtigsten Mentor, während Brahms voller Stolz diesen mit Rat und Tat unterstützte. Klarinettist Sebastian Manz hat mit dem Danish String Quartet Werke der beiden vertont.

Von Raoul Mörchen | 01.05.2014
    Eine Skulptur von Johannes Brahms von Maria Fellinger aus dem Jahr 1889
    Eine Skulptur von Johannes Brahms von Maria Fellinger aus dem Jahr 1889 (picture alliance / dpa / Beate Schleep)
    Mit Raoul Mörchen und zwei ungleichen Wienern: mit Robert Fuchs und Johannes Brahms. Ungleich ihr Temperament, ungleich ihr Ruhm - und doch standen sich die beiden sehr nah: Fuchs hatte in Brahms sein größtes Vorbild und seinen wichtigsten Mentor, während Brahms voller Stolz, dass der jüngere in seine Fußstapfen treten wollte, diesen mit Rat und Tat unterstützte. Robert Fuchs und Johannes Brahms also, zwei Wiener Komponisten, Seit’ an Seit’ gestellt vom Danish String Quartet und dem Klarinettisten Sebastian Manz auf einer neuen CD des Labels AVI Music.
    Täuscht es - oder klingt diese Musik tatsächlich nach Wien, nach einem Frühlingsspaziergang im Stadtpark, nach einem Ausflug in die Gärten von Schönbrunn? Nach einem fröhlichen Nachmittag mit Freunden, der im Kaffeehaus seinen Anfang nahm und später ausklingen wird im Heurigen? Ganz abwegig ist der Gedanke nicht - immerhin hatten schon Zeitgenossen von Robert Fuchs diesen Eindruck, wenn sie seine Musik hörten: dass hier eine Stadt mit ihrer Kultur und ihrer Geschichte, ihrem Geruch, ihrem Licht und ihrer Stimmung in Klang gefasst würde - und sei es auch nur als Traum, als schönes Klischee, das ja vor allem die Wiener selbst so lieb gewonnen hatten. Daran hielten sie noch fest, als die heile Welt längst zerbrochen war. Tatsächlich zeichnete auch das Robert Fuchs aus als echten Wiener: Von der Wirklichkeit ließ er sich nicht beirren. Sein glückseliges Klarinettenquintett schrieb er 1917. Auf dem Höhepunkt des Ersten Weltkriegs bewahrt es die Erinnerung an die gute alte Zeit.
    Musik wie dieser, Musik von Robert Fuchs begegnet man nicht alle Tage. Schon zu Lebzeiten war der 1847 geborene Komponist eine Randerscheinung - mehr geschätzt als gerühmt und in seiner Bedeutung weit überstrahlt von anderen, von Brahms vor allem, auch von Bruckner und den Modernen, die sich erst im Kreis um Wagner und Liszt scharten und später in Mahler und Strauss, in Schönberg und Webern neue Leitbilder fanden.
    Gemeinsamkeiten und Referenzen
    Robert Fuchs also stand von je her im Abseits. Dort fand ihn auch der Klarinettist Sebastian Manz. Ein Kollege hatte den Klarinettisten vor ein paar Jahren auf Fuchs aufmerksam gemacht und auf dessen spätes Quintett. Er habe, so erinnert sich Manz, eine "überladene, schwülstige Musik" erwartet - und ein Werk vorgefunden, dessen Originalität ihn so sehr überzeugte, dass er es seitdem immer wieder in seinen Konzerten spielt. Als Manz 2011 dann das junge Danish String Quartet kennen und schätzen lernte, fasst er den Plan, den lieb gewonnenen Fuchs endlich auch auf CD aufzunehmen. Das Ergebnis legt nun das kleine Kölner Label AVI Music vor - und kombiniert das Quintett von Fuchs mit dem späten Quintett op.115 von Brahms. So hat auch der Hörer gleich den Maßstab bei der Hand, den Fuchs selbst wählte - er kann die vielen Gemeinsamkeiten finden und Referenzen, aber auch die Unterschiede erkennen in der Musik zweier grundverschiedener Männer: hier der kantige und störrische Brahms, ein Meister der Verdichtung, dort der milde Fuchs, der Konflikte in seinem Leben ebenso gescheut haben soll wie er es in seinen Werken tat.
    Wenn das Titelblatt des Quintetts von Robert Fuchs hinter der Klarinette in Klammern eine Bratsche als alternatives Instrument anbietet, so ist das zunächst dem Geschäftssinn des Verlags geschuldet: Tatsächlich steht sogar auf der Erstausgabe bei Brahms diese Variante, die der Konvention des häuslichen Musizierens geschuldet ist. Zwar liebten die Romantiker den melancholischen Klang der Klarinette, so häufig gespielt wie das Klavier, die Geige oder eben die Bratsche wurde sie auch damals nicht. Abseits dieser praktischen Erwägungen ist der Hinweis auf dem Titelblatt dennoch wertvoll. Denn tatsächlich sind beide Quintette, das von Fuchs wie das von Brahms, keine Kammerkonzerte, in dem ein virtuoser Bläser begleitet würde vom Quartett als Orchesterersatz. Es gibt sie natürlich schon: die breiten Kantilenen, die schnellen, leisen Schlenker oder die weiten Sprünge quer durch die Lagen, die die Klarinette meistert wie kein anderes Instrument. Doch mit der Wahl dieser beiden Werke hat der Klarinettist Sebastian Manz sich ganz der Kammermusik verschrieben, dem Spiel im Ensemble. Vor allem beim op.115 von Brahms ist die Klarinette ein Primus inter pares. Oft verschwindet sie ganz im Gesamtklang, wird Teil eines Werks, das mehr von seiner Harmonik lebt als von der Präsenz einzelner Stimmen.
    Eleganz und große innere Freiheit
    Die großen Tage der Klarinette sind schon vorbei, als Johannes Brahms 1891 den Entschluss fasst zur Komposition seines Quintetts und weniger später eines Klarinettentrios und zweier Sonaten. Ein Musiker gibt den Ausschlag: Richard Mühlfeld. Brahms hört Mühlfeld in der Meiniger Hofkapelle spielen. Gegenüber Clara Schumann schwärmt er vom "besten Bläser überhaupt", den er je gehört habe. Einer der besten ist auch Sebastian Manz - 1986 als Sohn zweier Pianisten und Enkel des bekannten russischen Geigers Boris Goldstein geboren in Hannover, ausgebildet von Sabine Meyer und Rainer Wehle, 2008 ausgezeichnet mit dem 1. Preis beim ARD-Musikwettbewerb, seit 2010 Soloklarinettist des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart. Sein kapriziöses Instrument stellt Manz vor keinerlei technische Probleme, seine Tongebung und Phrasierung zeichnet Eleganz aus und große innere Freiheit. Obwohl er wunderbar im Ensemble spielt, sich eingliedert und keine Star-Allüren zeigt, so ist er seinen Kollegen aus Dänemark in allem eine kleine Spur voraus. Ist pointierter, hat mehr Fokus, bewegt sich graziler, setzt schärfere Akzente, zeichnet genauer, spannt weitere Bögen.
    Doch selbst wenn das ebenfalls noch recht junge Danish String Quartet mit Sebastian Manz in letzter Konsequenz nicht ganz Schritt halten kann, es ist tatsächlich ein wirklich gutes Ensemble, dem vor allem die freundliche Musik von Robert Fuchs ganz ausgezeichnet liegt. Hier ist der milde, weiche Ton am richtigen Platz, hier muss das Quartett nicht drängen und zuspitzen, was ihm nicht so recht liegt, hier kann es sich ganz einer Musik widmen, die von schöner Erinnerung lebt.
    Das war der dritte Satz des 1917 entstandenen Klarinettenquintetts von Robert Fuchs, gemeinsam mit dem 1891 komponierten Klarinettenquintett von Johannes Brahms aufgenommen von Sebastian Manz und dem Danish String Quartet für das Label AVI Music. Die neue Platte wurde Ihnen vorgestellt von Raoul Mörchen.
    Vorgestellte CD:
    Robert Fuchs und Johannes Brahms:
    Klarinettenquintette
    Sebastian Manz, Klarinette
    Danish String Quartet
    AVI Music 8553300
    EAN: 4260085533008