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Klaus-Dieter Lehmann: "Wir machen eine Sprachoffensive"

Klaus-Dieter Lehmann hat hundert Tage nach seinem Amtsantritt angekündigt, noch weitere 370 Partnerschulen zu eröffnen, um jungen Menschen mit Interesse an deutscher Sprache und Kultur langfristige Perspektiven bieten zu können.

Von Karin Fischer | 08.07.2008
    Karin Fischer: Noch in diesem Jahr will das Goethe-Institut neue Institute und Verbindungsbüros in Afrika eröffnen. In China, wo das einzige Goethe-Institut in Peking existiert, hat man sich durch einen deutsches Festival auch mit Provinzstätten gut vernetzt, und nicht zuletzt wird das Engagement der Auslandskulturarbeiter in Europa wieder intensiviert. Das sind einige der guten Nachrichten, die Goethe-Präsident Klaus-Dieter Lehmann morgen in Berlin verkünden wird anlässlich einer 100-Tage-Bilanz, die sich sehen lassen kann. Nach dem kulturpolitischen Desaster der vergangenen Jahre scheint es wieder aufwärts zu gehen. Klaus-Dieter Lehmann gibt in "Kultur heute" schon vorab Auskunft über den Stand der Dinge und Pläne für die Zukunft und antwortet als Erstes auf die Frage, was zu dieser Rückkehr nach Europa geführt hat. Nur die Aufstockung des Etats oder auch ein inhaltliches Umdenken?

    Klaus-Dieter Lehmann: Es ist schon so, dass die finanzielle Ausstattung eine Kehrtwendung auch möglich machte. Aber inzwischen hat man begriffen, dass Europa in seiner Vielfalt nur dann einen Wert darstellt, wenn man sich auch wirklich untereinander mitteilen kann, wenn es einen Dialog in Europa gibt. Europa ist eigentlich für mich das Basislager. Wenn man das stark hat, dann kann man auch in der Welt wirklich eine gute Kulturpolitik machen.

    Fischer: Wie fördern Sie dieses Bewusstsein für Europa?

    Lehmann: Ich bin ein großer Vernetzer. Das heißt, ich bin der Auffassung, neben der Grundversorgung eines Goethe-Institutes muss es immer auch eine regionalen Blick geben, einen europäischen Blick. Wir haben verschiedene Projekte jetzt laufen, die alle hoch spannend sind. Eines ist dieses wunderbare Theaterprojekt "Nach dem Fall der Mauer", wo Theaterautoren in 16 Ländern Stücke schreiben, an den jeweiligen landeseigenen Theatern aufführen, das heißt immer ein Blick der Engländer, ein Blick der Spanier, ein Blick der Ungarn auf den Fall der Mauer. Und am Schluss wird in Dresden noch mal sechs Finalisten die Chance gegeben, diese Theaterstücke zu geben. Das heißt, es entsteht ein europäisches Bewusstsein für den Mauerfall, und nicht von den Deutschen geschrieben, sondern von den anderen.

    Fischer: Das Kerngeschäft des Goethe-Instituts ist und war ja immer die Spracharbeit. Sie haben jetzt eine neuerliche Sprachoffensive gestartet mit dem Projekt "Partnerschulen". Was genau ist das?

    Lehmann: Das ist eine geniale Idee. Und da, muss man sagen, hat sich Minister Steinmeier das wirklich auch selber auf die Fahnen geschrieben. Es ist eine Offensive, die nicht Auslandsschulen gründet und deutsche Lehrer ins Ausland schickt, sondern die Expertise von Goethe ist ja, Lehrer auszubilden. Wir gehen in die einheimischen Schulsysteme, bilden dort Lehrer aus, statten diese Schulen dann mit einem entsprechenden Infrastrukturbereich aus, sodass sie arbeitsfähig sind mit modernen Computern, mit Lehrmitteln und, und, und. Und damit entsteht quasi eine Zuständigkeit der einheimischen Schulen für das Deutsche. Und die jungen Leute, die gut sind, kommen auch in Jugendcamps nach Deutschland, lernen auch Deutschland kennen. Und es bedeutet, dass wir in den nächsten drei Jahren 500 solche Schulen begründen werden, und jetzt sind wir schon in dem ersten Vierteljahr bei 130. Das heißt, die Länder, in denen wir das machen, sind hoch interessiert. Und wir machen damit wirklich eine Sprachoffensive, dass wir neue Zielgruppen ansprechen können und endlich wieder Deutsch aus der Kleinmütigkeit herausführen und eine interessante Sprache machen.

    Fischer: Abgesehen davon, dass das für das Deutsche bestimmt sehr gut ist. In welchem politischen Kontext findet diese Initiative statt?

    Lehmann: Es ist natürlich schon auch so gedacht, dass es eine Perspektive für die jungen Leute gibt mit dem Deutschen, denn sie werden ja bis zur Hochschulreife geführt, mit dem Deutschen was anzufangen, entweder auch in deutschen Betrieben in ihren eigenen Ländern zu arbeiten, nach Deutschland zu kommen, studieren zu können, wirklich Perspektiven eröffnen, die Deutschland wieder als ein Land begreifbar machen, dass willkommen heißt, dass Zuwanderer auch wirklich willkommen heißt.

    Fischer: Was sind die zukunftsfähigen Themen, die Sie setzen wollen?

    Lehmann: Wir wollen gerne etwas tun, was letztlich für Goethe auch typisch ist, nämlich immer mit den anderen arbeiten und nicht über die anderen arbeiten und nicht wie mit einem Raumschiff zu kommen, die Kultur zu zeigen, indem wir die Klappen aufmachen und dann die Klappen wieder zu und abreisen. Wir wollen Nachhaltigkeit haben. Wir wollen auch zivilgesellschaftliche Strukturen entwickeln, aber letztlich doch in einer sehr kunst- und künstlerisch bezogenen Form. Und die großen Themen, die wir zurzeit anpacken, ist zum Beispiel die Wissensgesellschaft, Kultur und Klima, die Frage des geistigen Eigentums mit der veränderten digitalen Welt. Also alles Dinge, wo auch diejenigen Interesse haben, die in diesen Ländern sind. Wir kommen nicht als Fremdkörper, sondern stellen Fragen und geben auch Antworten gemeinsam mit den Gastländern. Und ich glaube, das ist die große Chance für das Goethe-Institut. Sie lassen sich ein auf die Strukturen, auf das Denken, auf die Vorstellung, auf die Erwartung der Länder, wo wir arbeiten.

    Fischer: Das Goethe-Institut ist drauf angewiesen, auch mit Drittmitteln zu arbeiten, zum Beispiel aus der Wirtschaft. Wie treten Sie dem Eindruck entgegen, der in den letzten Jahren entstanden ist, dass das Goethe-Institut sozusagen zum verlängerten Arm der Wirtschaft im Ausland wird?

    Lehmann: Wir haben insofern jetzt eine große Chance, als unsere Unabhängigkeit durch das Neuaufstellen des Goethe-Instituts und auch durch die vernünftige Finanzierung, die wir haben, nicht Bittsteller bei der Wirtschaft sind. Das wäre vor ein paar Jahren noch anders gewesen. Jetzt sind wir Partner der Wirtschaft. Wir haben der Wirtschaft doch etwas zu bieten. Beispielsweise wissen wir, dort wo die Wirtschaft im Ausland arbeitet, wie die Kultur in diesem Umfeld ist. Das heißt, wir bieten einen interkulturelles Training der Wirtschaft an, damit Missverständnisse von Anfang an unterbleiben. Und das finde ich wunderbar, wenn wir auf der gleichen Augenhöhe sind. Wir glauben aber auch, dass die Wirtschaft uns helfen kann, in bestimmten Bereichen, in der Modernisierung, unserer eigenen Infrastruktur oder jetzt, wenn wir einen wirklich hervorragendes Programm für Russland und die mittel- und osteuropäischen Sprachen über Deutschlandbilder und die Bilder der anderen in einem großen Programm, was mit Schulen und mit den Kulturministerien machen, auflegen, sodass wirklich die Klischeevorstellungen, die in einzelnen Ländern gegenseitig sind, mithilfe solcher Wirtschaftsfinanzierungen auch aufgehoben werden können.