Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Klavier-Boom im Reich der Mitte

Während es Klavierbauer im Westen immer schwerer haben, verdienen Chinas Klavierfabriken gutes Geld. Dort brummt der Markt: 40 Millionen Menschen spielen in der Volksrepublik die beliebten Tasteninstrumente. Staatliche chinesische Hersteller wie die Xinghai Klavier-Fabrik produzieren Pianofortes im Akkord.

Von Silke Ballweg | 08.07.2013
    Shi Yan spielt im Eingangsraum seiner Musikschule ein paar Takte auf einem alten Flügel.

    "Das ist von Steinway, gebaut ist es 1907. Schon über 100 Jahre. Aus Amerika, hab ich genommen, und dann neue Resonanzboden, neue Stimmwirbel."

    Shi Yan wurde in den 80er-Jahren bei Steinway und Sons in Hamburg zum Klavierbaumeister ausgebildet. In Peking leitet der Mitfünfziger heute eine Musikschule und vertreibt exklusive Flügel. Das Geschäft läuft gut, denn in Chinas neuer Mittelschicht gehört Klavierspielen mittlerweile zum guten Ton. Und seit der Musiker Lang Lang ein weltweiter Star ist, wollen auch immer mehr Kinder einmal so werden wir er. Yhi Yan geht auf einen schwarzen Flügel in modernem Design zu. Der Preis: 250.000 Euro

    "Das ist Audi-Design, besonders gut, Wahnsinn. Und ein Stück ist zu mir gekommen und nach einer Woche gekauft, für fünf Jahre altes Kind. Da kommt die Eltern mit einem fünf Jahre alten Kind, und da spielt das Kind und sagt, Mama, dieses Stück ist gut. Ich sag, nein, bitte andere, dieses lass bisschen bleiben hier, und das Kind sagt, Mama, das will ich haben (lacht) Herr Shi, nicht so geizig. Wir nehmen. Gekauft."

    Doch nur die wenigsten Chinesen können sich solchen Luxus leisten. Die meisten spielen auf einfachen Exemplaren "Made in China". Während es Klavierhersteller im Westen immer schwerer haben, brummt in China das Geschäft. Mehr als die Hälfte der weltweit produzierten Klaviere kommen bereits aus der Volksrepublik, nach offiziellen Angaben 280 000 allein im letzten Jahr. Gefertigt werden sie in riesigen Produktionshallen, etwa von der Xinghai Klavierfabrik im Osten Pekings.

    Die rieisge Montagehalle ist knapp 300 Meter lang und 50 Meter breit. Direkt am Eingang: Bandkreissägen und Hobelmaschinen. Arbeiter in blauen Werksuniformen sägen Holzbretter aus. Es ist laut und geht zu wie einer großen Möbelschreinerei. 2000 Menschen arbeiten in der Fabrik, vor allem ungelernte Arbeiter. Die Instrumente hier entstehen im Akkord, erzählt Shen Qingwei, der Vize-Marketing Chef bei Xinghai.

    "Wir bauen hier jedes Jahr rund 42.000 Klaviere. Unsere maximale Kapazität liegt bei 50.000. Es dauert drei Monate, bis ein Klavier fertig ist. Die meisten gehen auf den chinesischen Markt, aber einige exportieren wir auch."

    Ein deutsches Klavier für Anfänger kostet rund 7000 Euro. Das Einstiegsmodell von Xinghai ist bereits für 2000 Euro zu haben. 40 Millionen Menschen spielen in der Volksrepublik Klavier, erklärt Pressesprecher Liu Chun Chen. Und Xinghai produziere ganz bewusst für diese Durchschnittsbürger.

    "Während der vergangenen 30 Jahre hat sich das Lebensniveau vieler Chinesen stark verbessert. Die Menschen wollen nicht mehr nur arbeiten, sie interessieren sich auch für Kunst und Kultur. Das Klavier ist ein Beispiel dafür. Viele Eltern wollen, dass ihre Kinder Klavier lernen, und wir wollen ihnen helfen, diesen Wunsch zu erfüllen."

    Vom anhaltenden Boom wollen deutsche Hersteller profitieren. Auch Schimmel, Blüthner oder Bechstein fertigen schon in China. Bei den Chinesen punkten sie mit dem Siegel deutscher Qualität. Doch es ist fraglich, wie lange sie diesen Vorteil noch nutzen können. Denn Hersteller aus dem Reich der Mitte schmücken sich bereits mit europäisch klingenden Namen. Ein chinesischer Produzent verkauft seine Klaviere unter der Marke Ritmüller. Eine anderes Unternehmen nennt seine Instrumente Edelweiß.