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Klebebildchen-Firma Panini
Sammelfieber als Geschäftsmodell

Die Fußball-WM ist angepfiffen - und das heißt Hochkonjunktur für den Panini-Verlag, den Hersteller der kleinen Tütchen mit Fußballbildern. Eigentlich wäre das Geschäft jetzt schon fast gelaufen - hätten die Trainer sich nur an die Mannschaftsaufstellungen im Sammelalbum gehalten. So aber gibt es noch einmal einen Nachschlag.

Von Michael Brandt | 13.06.2014
    Panini Tauschbörse in Trier am Sonntag (20.06.2010
    Fußballsammelbilder sind nicht nur bei Kindern sehr beliebt. (picture alliance / dpa / Harald Tittel)
    Hermann Paul, Chef von Panini Deutschland ist im Stress. 32 Nationaltrainer haben sich nicht an die Vorschläge von Panini zur Mannschaftsaufstellung gehalten, sondern Spieler aus dem Kader geschmissen oder nachnominiert. Und folglich muss jetzt auch Panini seine WM-Klebebilder auf den aktuellen Stand bringen:
    "Etwa 10 Prozent der Spieler sind neu nominiert worden, sind ausgetauscht worden, weil sie verletzt sind und aus verschiedenen Gründen jetzt doch nicht in die Nationalmannschaft in Brasilien einfliegen."
    Sammler immer im Blick
    Also bietet Panini jetzt ein Komplettpaket mit allen 72 ausgewechselten Spielern, mit denen die Sammler jetzt ihr Klebealbum auf den aktuellen Stand bringen können, so Firmensprecherin Christine Fröhler:
    "Das Update ist in diesem Jahr besonders leicht realisierbar, weil Panini erstmals Nummern statt Namen eingedruckt hat ins Album, und daher kann man jetzt sagen: Wo ist denn der Marcel Schmelzer die Nummer 495, und jetzt kann ich mir die Nummer 495 X besorgen und so kriegt der Sammler eine kleine Hilfe."
    Immer den Kunden den Sammler im Blick, denn es gilt, ihm das Sammeln möglichst angenehm zu gestalten. Und so geht der Paniniverlag beispielsweise im Marketing Wegen, die im restlichen Verlagsgeschäft zumindest ungewöhnlich wären. Er verteilt die Stickerhefte kostenlos, wenn Schulen Interesse zeigen, er organisiert sogar Tauschbörsen, so Werner Paul:
    "Normalerweise würde ein Unternehmen sagen, also alles was mit Tauschbörsen zu tun hat, das eliminieren wir, denn wer tauscht, der kauft ja nicht mehr. Wir aber unterstützen diese Tauschbörsen, wir haben sie selbst initiiert im Jahr 2006."
    Zwei Kioskbesitzer entfachen das Sammelfieber
    Das Geschäft mit den Aufklebern, das die beiden Kioskbesitzer Giuseppe und Benito Panini im Jahr 1961 in Modena erfunden haben, ist nicht nur im Marketing anders als das restliche Verlagsgeschäft, und die Paninigruppe mit Hauptsitz noch immer in Modena und 114 Landesgesellschaften beherrscht es perfekt.
    Anders zunächst, so Deutschlandchef Paul, weil es sich direkt an einen Urinstinkt des Käufers richtet:
    "Da komm ich zurück auf die Urtriebe des Menschen, nämlich Sammeln und Jagen und Sammeln ist einer dieser Urtriebe."
    Und diese Triebe werden mit den Sammelbildern offenbar besser und direkter bedient als beim Sammeln anderer Verlagsprodukte wie Bücher oder Zeitschriften. Das Ergebnis ist jedenfalls, dass sich Tausende, wenn nicht Millionen Käufer ernsthaft daran machen, ein Heftchen mit Fußballbildern zu füllen, das bei vollständiger Beklebung mindestens 90 bis 100 Euro kostet, nach Berechnung von Schweizer Mathematikern sogar durchschnittlich 540 Euro, wenn sich die Sammler nicht im Laufe der Befüllung des Albums auch die nächste Kulturstufe erklimmen würden, nämlich zu Tauschhändlern zu werden.
    Das Sammelheft kostet zwei Euro, wird aber vom Verlag massenhaft verschenkt, eine Tüte mit 6 Bildchen kostet 60 Cent und auch wenn die Firma, wenn's um Zahlen geht, recht schmallippig ist -
    "Zu Zahlen kann Panini leider aus lizenzrechtlichen Gründen keine Angaben machen –„
    so steht doch fest, dass es am Ende der Fußball -WM ein Millionengeschäft ist, allein in Deutschland mindestens zweistellig.
    Sammeln, Tauschen, Geldverdienen
    Neben dem Sammeln und dem Tauschen kommt bei Panini also noch ein dritter Urtrieb ins Spiel. Der des Geldverdienens:
    "Natürlich wollen wir auch damit Geld verdienen, das ist natürlich eine klare Zielvorgabe eines jeden wirtschaftlich denkenden Unternehmens."
    Im WM-Jahr 2010 jedenfalls war der Umsatzerlös der Panini Deutschland mit knapp 85 Millionen rund 30 Millionen höher als im folgenden Nicht-WM-Jahr 2011. Und nicht nur die Erwartungen von Panini Deutschland sprechen dafür, dass 2014 noch einmal deutlich besser wird. Christine Fröhler:
    "2014 ist ein besonderes Jahr. Die WM findet nicht irgendwo statt, sondern in Brasilien. Und Brasilien ist ohnehin Weltmeister was das Sammeln angeht. Und auch hier in Deutschland wollen wir ganz vorne mit dabei sein, also 2014 Sammelmeister für Europa werden."
    Vorwürfe, dass das Anfixen von Schulkindern durch das kostenlose Verteilen der Sammelhefte unethisch wären, weist Werner Paul ebenso zurück wie den Verdacht, dass Panini manche Fußballer weniger häufig drücke als andere, um den Umsatz so künstlich zu erhöhen. Jeder könne in Modena zuschauen, wie die Bildchen gedruckt werden, heißt es dazu, und zum unethischen Verhalten:
    "Das ist ja nicht nur ein Produkt, das dazu anhält, zu kaufen, ganz im Gegenteil. Die Kinder sollen auch soziales Verhalten zu Tage legen, indem sie tauschen, indem sich Freunde zusammen finden, um über ein Thema gemeinsam zu sprechen, anstatt irgendwo alleine vor dem Computer zu sitzen."
    Panini-Verlag ist breit aufgestellt
    Aber trotz des saisonal bedingt großen Interesses an den Stickern: Der Panini Verlag macht weit mehr: Eine Wand in der Deutschlandzentrale in Stuttgart wird komplett von dem Zeitschriftensortiment bedeckt, hauptsächlich Lizenzausgaben von Titel für Kinder und Jugendliche, seit neuestem aber auch einige Frauenzeitschriften. Und eine andere Wand ist voller Comics, denn auch hier ist Panini, und in diesem Fall besonders Panini Deutschland einer der Großen in der Branche.
    "Deutschland ist im Verlagsprogramm sehr breit aufgestellt, sodass in der Panini Welt Deutschland an der Topstelle steht mit Zeitschriften und mit Büchern. Das Geschäft ist zu 60 bis 70 Prozent ein lokales Geschäft."
    Ein Grund dafür ist, das Panini im Jahr 2003 den Stuttgarter Dino-Verlag übernommen hat, einen Comicverlag, der unter anderem die deutschen Ausgaben von Batman, Superman, die Simpsons und Akte X herausgibt. Und wenn das Programm im Sticker und im Zeitschriftenbereich in der Zusammenschau eher markt- und mundgerecht aussieht, so setzt der Verlag hier beispielsweise mit den Comics des stilbildenden Comicautors Frank Miller inhaltlich Akzente: Im Jahr 2012 veröffentlichte Panini dessen umstrittenes Werk "Holy Terror" - Heiliger Terror. Bei Panini Deutschland ist Steffen Volkmar für die Comics zuständig:
    "Es gab die Diskussion in einige Verlagen, ob man "Holy Terror" jetzt bringen soll oder nicht, weil es eben doch sehr überpatriotisiert ist. Auf der anderen Seite haben wir gesagt, Comics sind ebenso ein Stück Zeitgeist wie eben Bücher oder Essays. Und wer sind wir, zu bewerten, was Frank Miller damit aussagen möchte."
    Und dieser Satz zeigt ein weiteres Mal, dass Panini Deutschland anders ist als andere Verlage. Aber klar ist auch: Das Konzept funktioniert. Nach einigen Eigentümerwechseln in den 80er und 90 er Jahren ist der Verlag wirtschaftlich auf Erfolgskurs. Mit starken Schwankungen, je nachdem ob gerade eine Fußball-WM stattfindet oder nicht. Aber dank der schlanken Strukturen - 70 Mitarbeiter bei einem Umsatz von regelmäßig über 60 Millionen - können solche Schwankungen gut ausgeglichen werden. Aber natürlich führt das in den WM-Jahren und erst recht kurz vor Beginn der Spiele zu Stress.