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Klebstoff zum Wunden-Verschließen
Superpflaster Marke Schnecken-Schleim

Ein Superkleber, der nach dem Prinzip des Schnecken-Schleims funktioniert: US-Forscher machen sich die haftenden und elastischen Eigenschaften des Schnecken-Sekrets zunutze und produzieren ein Pflaster für nässende Wunden. Damit könnten künftig sogar innere Blutungen gestillt werden.

Von Frank Grotelüschen | 28.07.2017
    Eine Nacktschnecke hinterlässt eine Schleimspur.
    Vorbild Schnecken-Schleim: Ein neuer Kleber könnte vor allem der Medizin weiterhelfen. (Deutschlandradio / Frank Grotelüschen)
    Ein Schnitt am Finger - doch das Pflaster will nicht kleben. Der Finger ist zu feucht, die Wunde braucht einen Verband. Es sind Situationen wie diese, die Dave Mooney auf den Plan riefen, Bioingenieur an der Harvard Universität in den USA: "Die Klebstoffe, die es derzeit in der Medizin gibt, haben ihre Grenzen: Für viele Anwendungen haften sie nicht gut genug, insbesondere wenn Körperflüssigkeiten im Spiel sind, etwa Blut. Und die Klebstoffe, die noch am besten haften, sind ziemlich steif und unflexibel und machen die Körperbewegungen nicht mit."
    Also schauten sich Mooney und sein Team bei Mutter Natur um: Welche Spezies bringt es fertig, auf einem feuchten, glitschigen Untergrund fest zu haften? Fündig wurden sie bei einem Geschöpf, das Gartenbesitzern wohlbekannt und durchaus verhasst ist: Arion subfuscus, die hellbraune Wegschnecke. Bei Gefahr sondert das Tier einen Schleim ab, der als Superkleber fungiert und es potenziellen Jägern erschwert, das Tier vom Boden aufzulesen. Diesen tierischen Klebetrick nahmen die Forscher genauer unter die Lupe.
    "Was wir von der Schnecke gelernt haben: Ihr Schleim besteht aus zwei Komponenten. Die eine ist in der Lage, starke chemische Bindungen mit einer Oberfläche zu knüpfen. Konkret geschieht das durch elektrisch geladene Proteine, die an die Oberfläche binden. Die zweite Komponente ist ein elastisches Material, das verhindert, dass der Kleber bei mechanischer Belastung bricht.
    Zehnfache Haftkraft ermöglicht vielfältige Anwendungen
    Beide Komponenten haben die Forscher nachgebaut: Die bindenden Schnecken-Proteine ersetzten sie durch elektrisch geladene Polymermoleküle. Diese verankerten sie in einem stabilen, aber dehnbaren Molekülnetzwerk - eine Substanz, die sich auseinanderziehen lässt wie ein Kaugummi, ohne dabei zu zerreißen. Nur: Wie brauchbar ist dieser künstliche Schnecken-Schleim unter realitätsnahen Bedingungen? Das testeten die Fachleute in mehreren Experimenten.
    Unter anderem verwendeten wir Hautgewebe, aber auch ein schlagendes Schweineherz. Darauf haben wir unser Material als Pflaster geklebt. Und tatsächlich: Die Pflaster haben extrem fest gehaftet. Beim Versuch, sie abzuziehen, haben sie sich auf ihre zehnfache Länge gedehnt, ohne dabei abzureißen.
    Verglichen mit bisherigen medizinischen Klebern bringt es das Nacktschnecken-Patent auf die zehnfache Haftkraft, sagt Dave Mooney - und träumt bereits von diversen Anwendungen. "Ich bin sehr optimistisch, dass das überaus nützlich sein wird: Man könnte Wunden abdichten, zum Beispiel Einstichstellen. Man könnte starke Blutungen stillen, auch innere Blutungen etwa in der Leber. Und man könnte Implantate deutlich besser im Inneren des Körpers befestigen."
    Zuvor aber gibt es noch manche Herausforderung: Wie körperverträglich ist der neue Kleber, und wie lässt er sich günstig und reproduzierbar herstellen? Als nächsten Schritt wollen die Harvard-Forscher das Material soweit entwickeln, dass man es am Menschen testen kann. Erst danach wird sich entscheiden, inwieweit der Nacktschnecken-Kleber der Medizin weiterhelfen kann.