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Kleinanlegerschutzgesetz
Vorsicht vor dem grauen Kapitalmarkt

Nach den Plänen der Bundesregierung sollen Kleinanleger künftig besser über die Risiken von Geldanlagen informiert werden. Der Kleinanlegerschutz werde durch dieses Gesetz "ein ganzes Stück vorangebracht", erklärte Hermann-Josef Tenhagen vom Online-Portal "Finanztip" im DLF. Dennoch gebe es auch weiterhin Risiken, die es zu beachten gelte.

Hermann-Josef Tenhagen im Gespräch mit Jule Reimer | 24.04.2015
    Ansicht der DAX-Kurve auf der Anzeigetafel der Börse
    Hermann-Josef Tenhagen: "Kleinanleger sollten normalerweise nicht in den grauen Kapitalmarkt investieren." (dpa / Frank Rumpenhorst)
    Jule Reimer: Erinnern Sie sich noch an die Insolvenz des Windkraftinvestors Prokon? 75 Kleinanleger hatten dort ihr Erspartes in das Unternehmen investiert und bis zu 70 Prozent ihrer Einlagen verloren. Die Pleite brachte den Gesetzgeber zu der Einsicht, dass Privatanleger über risikoreiche Geldanlagen besser aufgeklärt werden müssen.
    Am Telefon in Berlin ist jetzt Hermann-Josef Tenhagen vom Online-Portal "Finanztip". Herr Tenhagen, gestern hat der Bundestag ein entsprechendes Gesetz, das Kleinanlegerschutzgesetz auf den Weg gebracht. Im Juni wird die Vorlage dann noch den Bundesrat passieren, also die Zustimmung der Bundesländer erhalten. Wo genau gibt es Ihrer Ansicht nach Fortschritte beim Kleinanlegerschutz durch das Gesetz?
    Hermann-Josef Tenhagen: Der Kleinanlegerschutz wird schon ein ganzes Stück vorangebracht. Vor allen Dingen geht es darum, dass man Anlagen, die mit viel Provision den Leuten verkauft werden, wo die Menschen, die das verkaufen, viel Geld verdienen, und die Leute, die es kaufen, häufig nicht so genau wissen, was sie da tun, dass das vermieden wird.
    Die Diskussion der letzten Wochen ging eigentlich um das gegenteilige Phänomen, wenn Bürger zusammen eine Solaranlage für ihre Schule wollen also mit Crowdfunding, das Schulorchester auf eine Reise schicken wollen, wie man solche Dinge schützen kann, dass die nach wie vor stattfinden können, und dass die nicht von den neuen Anforderungen, die für Geldanlagen völlig richtig sind, erschlagen werden. Mir scheint, dass man da einen ganz guten Kompromiss gefunden hat. Wenn man weniger als 2,5 Millionen Euro als Geld einsammeln will und wenn man bestimmte Auflagen erfüllt, also nicht Zinsen zahlen will, dann kann man das nach wie vor ohne große Auflagen tun.
    Wenn man viel mehr Geld einsammeln will, dann muss man Auflagen erfüllen, und das ist auch richtig. Bei Prokon wollte man damals anderthalb Milliarden einsammeln.
    Reimer: Gehen Sie mal genauer auf die Auflagen ein. Dazu gehört ja unter anderem, dass die Prospekte plausibler erklären sollen, wie die Renditen zustande kommen. Wird so ein Prospekt tatsächlich dann für einen Laien verständlicher?
    Tenhagen: Das weiß ich nicht, ob der Prospekt jemals für den Laien verständlich ist. Wichtig ist, dass vorne und sehr prominent im Prospekt steht: "Hallo, wenn du dieses Geld hier reinsteckst, kann es dir passieren, dass das Ganze Geld verloren geht." Und zweitens:
    "Wir verdienen mit dieser Firma das Geld auf diese Art und Weise und das ist das, wo du reininvestierst, und du musst glauben, dass diese Art von Investition funktioniert, wenn du dein Geld hier hineinsteckst. Wenn du daran nicht glaubst oder das nicht verstehst, dann solltest du die Finger davon lassen."
    "Bisher gab es keine Regulierung"
    Reimer: Woher weiß ich als Anleger, ob ich auf dem grauen Kapitalmarkt bin? Das muss man ja auch erst mal begreifen, oder nicht.
    Tenhagen: Normalerweise war das immer so: Da gab es keine Regulierung. Wenn Sie bei einer Bank was gemacht haben, wenn Sie bei einer Versicherung was gemacht haben, haben Sie normalerweise Regeln gehabt. Sie haben eine Aufsicht gehabt, die in Bonn und Frankfurt saß und darauf aufgepasst hat, dass bei den Anlagen nicht so viel passiert. Und dann gab es diesen ungeregelten grauen Kapitalmarkt. Das ganz klassische ist ein geschlossener Immobilienfonds, wo hundert Leute zusammen ein Haus kaufen, ein Bürohaus, und versuchen, damit eine Rendite zu erwirtschaften. Oder auch ganz klassisch: Windräder oder Solaranlagen in großem Stil, wo sich einige hundert Leute zusammenschließen und diese Windräder oder Solaranlagen kaufen.
    Das Problem dabei war immer: Man hat nicht nur das Geld der Anleger genommen, dann kann so was eigentlich kaum Pleite gehen, sondern diese Firmen, diese geschlossenen Fonds haben dann zusätzlich große Kredite aufgenommen. Und wenn das dann nicht gut funktioniert hat, musste man trotzdem die Kredite bei der Bank abzahlen. Die hat nämlich das Geld immer bekommen. Und am Ende waren die Anleger dann pleite damit.
    "Vorsicht ist immer geboten"
    Reimer: Können Sie mal eine Hausmarke sagen? Wie weiß ich auf einen Blick: Vorsicht!
    Tenhagen: Vorsicht ist immer: Wenn es eine unternehmerische Beteiligung ist, ist das unternehmerische Risiko da. Das heißt, dann ist ein Totalverlustrisiko da. Ich kann mein ganzes Geld verlieren. Das sollte ich mir genau überlegen, ob ich das kann, und vielleicht nur einen kleinen Teil meines Geldes, was ich zur Verfügung habe, da hineinstecken.
    Reimer: Das heißt, Otto Normalgeldanleger sollte sich besser nicht auf dem grauen Kapitalmarkt umschauen?
    Tenhagen: Normalerweise sollten Kleinanleger das nicht tun, außer sie kennen dieses Projekt sehr gut, und auch dann sollten sie nur einen kleinen Teil ihres verfügbaren Vermögens da reinstecken.
    Reimer: Vielen Dank für diese Informationen. - Das war Hermann-Josef Tenhagen vom Online-Portal "Finanztip" über das voraussichtlich im Sommer in Kraft tretende Kleinanlegerschutzgesetz.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.