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Kleine Helfer mit großer Wirkung

Medizin.- Der praktische Nutzen von Nano-Technologie ist nicht zu leugnen: Sonnenmilch zieht besser in die Haut ein, die Schuhcreme in die Lederstiefel und vieles weiteres. Doch auch Krankheiten lassen sich theoretisch mit Nano-Partikeln bekämpfen. Wie das funktionieren könnte, erklärt der Medizinjournalist Martin Winkelheide im Interview mit Gerd Pasch.

13.04.2010
    Gerd Pasch: Die Nano-Technologie hat längst Einzug gehalten in unseren Alltag: Nano-Partikel lassen Ketchup leichter aus der Flasche fließen, sorgen dafür, dass Sonnenmilch sich besser auf der Haut verteilt und Schuhcreme besser ins Leder einzieht. Praktisch sind solche Produkte. Doch wissenschaftlichen Streit gibt es darüber, ob die Nano-Partikel in der Umwelt oder in unserem Körper Schäden anrichten können, und wenn ja, welche. Wie sich die neuen Nano-Materialien mit auch ganz neuen Eigenschaften für die Medizin nutzen lassen, das ist ein Thema auf dem Internistenkongress in Wiesbaden. Da war auch Medizinjournalist Martin Winkelheide. Welche Hoffnungen knüpfen sich denn an die Nano-Medizin?

    Martin Winkelheide: Die unterschiedlichsten Hoffnungen. Eine Vorstellung ist, dass die Labortechnik geschrumpft werden kann mithilfe von Nano-Partikeln. Nano-Partikel lassen sich für bildgebende Verfahren nutzen, also um Strukturen im Körper darzustellen. Sie lassen sich nutzen, um Wirkstoffe vor Ort zu bringen, also zum Beispiel für die Krebstherapie. Und interessant sind sie wegen ihrer neuen Eigenschaften eben auch als Beschichtung.

    Pasch: Ist denn bei allem wo Nano draufsteht auch Nano drin?

    Winkelheide: Naja, es gibt zum Beispiel Titan-Prothesen, die mit Nano-Partikeln beschichtet sind. Sie sollen als besonders verträglich gelten. Früher hätte man gesagt: Wir haben eine besonders verträgliche Beschichtung für Prothesen entwickelt, auf denen Bakterien ungern siedeln. Heute sagt man, das ist eben mithilfe der Nano-Technologie passiert, also Wissenschaft unterliegt auch Moden. Und ob Nano in jedem Fall innovativ bedeutet, das muss man eben im Einzelfall prüfen. Groß sind eben aber die Erwartungen. Die Probleme sind oft dieselben wie in der konventionellen Medizin. Das zeigt das Beispiel wenn Nano-Partikel Wirkstoffe gegen Krebszellen abliefern sollen und Krebszellen umbringen sollen.

    Pasch: Wie lassen sich denn mit Nano-Partikeln Krebszellen bekämpfen?

    Winkelheide: Eine Vorstellung ist, dass man spezielle Antikörper entwickelt, die Krebszellen erkennen können, an die Nano-Partikel angedockt sind, in denen ein Medikament lagert. Und wenn der Antikörper an die Krebszelle angedockt hat, wird das Medikament freigegeben, die Krebszelle wird umgebracht. Das klingt einfach, ist aber nicht einfach. Das kennt man eben aus der Entwicklung anderer Antikörper, herkömmlicher Antikörper, aus der Medizin. Das große Problem ist eben die Zielgenauigkeit und weil es eben so schwierig ist, eine Krebszelle wirklich hundertprozentig von einer normalen Zelle zu unterscheiden, geht eben ein Ansatz von Berliner Forschern zu Behandlung von Hirntumoren einen anderen Weg. Sie haben sich dazu entschieden, die Nano-Partikel in einer Lösung in den Tumor selbst hineinzuspritzen. Nun muss man wissen, das Glioblastom ist ein sehr aggressiver Hirntumor. Wenn diese Lösung hineingespritzt wird, dann dickt sie ein und klebt sozusagen im Tumorgewebe. Der Tumor wird dann, weil das eben Eisenpartikel enthält, im Magnetfeld aufgeheizt. Die Idee ist eben, dass der Tumor von innen so weit aufgeheizt wird, dass die Krebszellen absterben. Eine aktuelle Studie zeigt eben, die Lebenszeit kann so tatsächlich verlängert werden, wenn das Ganze kombiniert wird. Also, erstmal mit einer Operation, mit Chemotherapie und Strahlentherapie. Also wenn es als Ergänzung gegeben wird zu einer herkömmlichen Behandlung. Das ist aber auch ein besonders weit fortgeschrittener Ansatz, der Nano-Medizin.

    Pasch: Martin Winkelheide, Sie sagten vorhin, Nano-Partikel können sich auch für die Diagnose von Krankheiten nutzen lassen. Wie geht denn das?

    Winkelheide: Da gibt es eigentlich ein sehr etabliertes Verfahren. Das sind auch Eisenpartikel, die ein bisschen anders aussehen, die werden genutzt zur bildlichen Darstellung der Herzkranzgefäße zum Beispiel, also bei Herzkranzgefäßen will man ja immer wissen: Wie gut funktioniert die Durchblutung? Gibt es Ablagerungen in den Gefäßen? Wie sehen diese Ablagerungen aus? Sind Plaques zum Beispiel instabil? Droht da ein Herzinfarkt? Und wenn man eben diese Eisenpartikel in die Gefäße hinein gibt, dann kann man sehen, wo die sich nachher anreichern. Hintergrund ist, dass Fresszellen des Immunsystems diese Eisenpartikel futtern. Und da wo eben besonders viele Eisenpartikel sind, ist eben auch besonders viel Entzündung da. Also da sind besonders viele Fresszellen, da ist eine Entzündung und da ist das Risiko besonders groß, dass so ein Plaque abbrechen könnte.

    Pasch: Lässt sich denn heute schon abschätzen, wie groß der Nutzen der Nano-Medizin sein wird?

    Winkelheide: Das Problem ist halt, dass auf vieles das Etikett Nano draufgeklebt wird und dass es natürlich besonders attraktiv ist, wenn ein Ansatz sich Nano-Medizin nennt. Ich denke, das ist so ähnlich wie bei vielen Entwicklungen in der Medizin, also wenn es zum Beispiel um Gentherapie geht, wenn es um Antikörper-Therapien geht, um molekulare Medizin – das sind alles große Etiketten, die draufkleben. Oft dauert es sehr lange und man muss mit vielen Rückschlägen rechnen, bis dann tatsächlich eine Anwendung sich praktisch auch etabliert und man Chancen und Risiken der T9-Technologie eben auch genau einschätzen kann.

    Pasch: Vielen Dank Martin Winkelheide.