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Immer mehr Universitäten experimentieren mit so genannten elektronischen oder kurz E-Klausuren. Prüfungen also, die nicht mehr auf Papier, sondern direkt am Bildschirm geschrieben werden. An der Uni Bremen waren die Erfahrungen so positiv, dass inzwischen ein Großteil der Prüfungen im Grundstudium der Wirtschaftswissenschaften als E-Klausur abgelegt wird.

Von Dirk Asendorpf | 30.08.2005
    "Bei handschriftlichen Klausuren wartet man wirklich manchmal zwei bis drei Monate auf das Ergebnis und muss sich dann noch mal wieder in den Stoff reinarbeiten. Wenn man das Ergebnis sofort hat, dann kann man sofort sagen: Ok, ich weiß, ich bin durchgefallen. Du musst noch mal ran. Und das ist wirklich auch für die Psyche ganz wichtig."

    Tanja Bührmann ist nicht durchgefallen. Auch dann ist es natürlich super, dass die Wirtschaftswissenschafts-Studentin ihr Ergebnis gleich am Ende der Prüfung erfahren kann. Selbst bei simplen Multiple-Choice-Fragebögen gab es so etwas bisher nicht. Möglich wird die Blitzauswertung erst, wenn die Prüfungsfragen am Computer beantwortet werden. Auch für den Hochschullehrer haben E-Klausuren Vorteile.

    "Ich möchte eine verlässliche Korrektur haben, das System macht das völlig verlässlich. Und ich möchte, dass die Studenten genau wissen, auf was sie sich vorbereiten müssen. Das können wir mit dieser elektronischen Klausur regeln. Wir können Vorbereitungsklausuren machen, wir können auch Webbased Training daran anschließen und helfen den Studierenden somit, sich intensiver mit dem Stoff auseinander zu setzen."

    Fast 1500 E-Klausuren lässt der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Georg Müller-Christ inzwischen pro Semester schreiben.

    "Was wir erst mal festgestellt haben ist, dass die Klausurergebnisse deutlich besser sind. Es werden nicht mehr wenige Fragen aus dem Stoff abgefragt, und die Studierenden müssen Glück haben, ob sie das genau wissen oder nicht wissen. Sondern, weil das Schreiben wegfällt, kann man sehr viel abfragen, die gesamte Bandbreite abfragen. Also sie mussten wesentlich mehr wissen. Und dann waren die natürlich unglaublich neugierig, die Studenten. Die fanden die Form gut. Es gab nicht eine Beschwerde über diese Klausur. "

    Eine große Arbeitserleichterung ist mit der Umstellung auf E-Klausuren für den Hochschullehrer allerdings nicht verbunden. Zwar entfällt der Korrekturaufwand, dafür benötigt die Vorbereitung sehr viel mehr Zeit als früher. Lutz Pleines ist Geschäftsführer des Bremer Softwareunternehmens L-Plus, das die komplette Technik für die E-Klausuren geliefert hat.

    "Diese Systeme leben und sterben mit der Qualität der Aufgaben. Das ist so. Und man kann auch ganz klar sagen, der Aufwand, wenn man mit diesem System arbeitet, ist zu 95 Prozent eine Autorentätigkeit, intelligenter Input. Was die Maschinen hier machen, ist ja nichts anderes, als die ganze Logistik zu vereinfachen. "

    Eine gute E-Klausur stellt nicht nur simple Multiple-Choice-Aufgaben, die per Mausklick beantwortet werden.

    "Hier so ne Drag-und-Drop-Aufgabe, wo man dann entsprechend eine Linie in so ein volkswirtschaftliches Diagramm einsetzen muss an die richtige Stelle hoffentlich. Das geht so weit, dass es völlig unproblematisch ist, eben Animationen mit in so eine Aufgabe reinzunehmen, Videofilme, Sequenzen, Gespräche usw."

    Die Fragen sind anspruchsvoll, die Antworten beschränken sich jedoch letztlich auf ein Häkchen an der richtigen Stelle, die Eingabe einiger Zahlen oder das Verschieben von Linien in einem Diagramm.

    "Deswegen werden wir auch diese Online-Klausuren nur im Grundstudium einsetzen, dort, wo wirklich die Grundlage gelegt wird, die fest ist, die wir abfragen wollen. Sobald es darum geht, selber zu denken, werden Sie weiterhin ne Papierklausur brauchen. Sie werden selber schreiben müssen. Vielleicht können Sie das auch im Rechner irgendwann schreiben, das kann auch sein. Aber das ist dann keine elektronische Klausur mehr, so was wird nicht automatisch ausgewertet."

    Bisher finden die E-Klausuren in kleinen Rechnerräumen statt, die quer über den Campus verstreut sind. Das erfordert viele Hilfskräfte für Betreuung und Überwachung. Deshalb ist jetzt ein Prüfungszentrum mit gut 100 besonders leisen und sichtgeschützten Computern geplant. Und wie steht es im Elektronenzeitalter um die Chancen fürs Schummeln?

    "Die Wahrscheinlichkeit, dass man gleichzeitig gerade die gleichen Fragen hat, ist eher gering. Und wenn es mal vorkommt, na ja, dann… Das passiert ja auch in anderen Klausuren, dass man dann mal guckt. (lacht)"