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Klima wandelt Politik

Klimaforschung. - Australien wird gerne zu den schwarzen Schafen beim Klimaschutz gezählt: Das Land weigert sich bislang, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren. Doch den Australiern ist der Klimawandel keineswegs gleichgültig, im Gegenteil: Am Wochenende wählt der Kontinent eine neue Regierung, Klimaschutz ist ein beherrschendes Wahlkampfthema. Zusätzliche Nahrung erhält die Debatte jetzt durch den ersten umfassenden Klimareport für Australien.

Von Volker Mrasek | 21.11.2007
    In diesem Jahr veröffentlichen Wissenschaftler nach sechs Jahren wieder einen Welt-Klimabericht. Und der sorgt für einen Ruck in der globalen Umweltpolitik. In Australien ist es im Kleinen ganz genauso. Insgesamt 50 Forscher legen zum ersten Mal einen umfassenden Klimareport für den fünften Kontinent vor. Und der befeuert nun die politische Debatte im Land. Am Wochenende wählen die Australier eine neue Regierung. Und der Klimawandel steht ganz oben auf der Agenda - anders als in früheren Wahljahren. In allen Parteien sei die Klimaerwärmung ein beherrschendes Wahlkampf-Thema, so Scott Power, Klimatologe beim staatlichen Wetterdienst und einer der beiden Koordinatoren des neuen Reports:

    " Unser Report hat ein enormes Medienecho gefunden. Es ist die bisher umfangreichste Untersuchung über den Klimawandel in Australien. Ihre Kernaussagen sind: Die Mitteltemperatur in Australien hat sich seit 1910 um 0,9 Grad erhöht; auch der Ozean ringsherum ist wärmer geworden; zugleich hat der Meeresspiegel um zehn Zentimeter zugenommen. Diese Entwicklung lässt sich ohne den weltweiten Anstieg der Treibhausgas-Emissionen nicht erklären. "

    Was den Australiern immer mehr zu denken gibt, ist vor allem eine beispiellose Dürre. Sie hat den Osten und den Südwesten des Kontinents fest im Griff. Und damit auch Millionenstädte wie Melbourne, Sydney und Perth. Dazu Graeme Pearman, Klimaberater und Honorarprofessor an der Monash University, der zweitgrößten öffentlichen Hochschule in Melbourne:

    " Diese Dürre hält jetzt bereits im elften Jahr an. So etwas hat kein Australier jemals erlebt. Als Wissenschaftler können wir zwar noch immer nicht ausschließen, dass es sich bloß um eine natürliche Klimaschwankung handelt. Doch abnehmende Niederschlagsmengen und erhöhte Verdunstungsraten, wie wir sie beobachten, stimmen mit den Modellsimulationen der Klimaforscher überein. Man kann also sagen: Es sind Veränderungen, wie wir sie angesichts des Klimawandels durchaus erwarten. "

    Diese Veränderungen sind zum Teil drastisch, wie Wetterdienst-Experte Scott Power und die anderen Forscher im neuen Klimareport schildern:

    " Im Südwesten Australiens zum Beispiel haben die Niederschlagssummen seit 1975 um ein Zehntel abgenommen. Das klingt nicht so dramatisch. Doch der Wasserzufluss in den Talsperren von Perth ging dadurch um über 50 Prozent zurück! "

    Wasser-Rationierungen sind längst die Regel auf dem Fünften Kontinent. Und mittel- bis langfristig dürfte sich die Lage noch zuspitzen. Nach den Simulationen der Klimamodelle werden die Temperaturen auf der Südhemisphäre weiter steigen. In Australien könnte es demnach im Jahr 2070 im Schnitt noch einmal zwei Grad heißer sein als heute - vorausgesetzt, die globalen Treibhausgas-Emissionen werden rigoros zurückgefahren. Andernfalls droht das regionale Klima noch stärker heißzulaufen. Der australischen Bevölkerung scheint das mittlerweile bewusst zu sein. Und Kevin Rudd, der Kandidat der Arbeiterpartei, hat offenbar gute Karten bei der bevorstehenden Wahl. Anders als der amtierende Premierminister John Howard will Rudd das Kyoto-Protokoll ratifizieren. Klimaforscher Graeme Pearman schließt einen baldigen Politikwechsel in Australien inzwischen nicht mehr aus:

    " Ich bin ziemlich sicher, dass Australien das Kyoto-Protokoll noch ratifizieren wird. Die Arbeiterpartei führt in den Umfragen, und wahrscheinlich wird sie die Wahl am Wochenende gewinnen. Aber wer auch immer jetzt an die Macht kommt: Der politische Druck ist inzwischen so groß, dass der Regierung nichts anderes übrig bleiben wird, als an den Verhandlungstisch zurückzukehren und sich aktiv an einem Nachfolgeabkommen für Kyoto zu beteiligen. "