Freitag, 29. März 2024

Archiv

Klimaerwärmung
"Bei zwei Grad mehr haben wir die Korallenriffe schon verloren"

Das für die Weltklimakonferenz in Paris angestrebte Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, sei mit den bisherigen Zusagen für Einsparungen bei den Emissionen nicht zu erreichen, sagte der Klimaforscher Niklas Höhne im DLF. Dabei seien eigentlich die zwei Grad schon zu viel. Sie gefährdeten die Existenz vieler Lebensräume.

Niklas Höhne im Gespräch mit Jule Reimer | 04.09.2015
    Korallen im Great Barrier Reef (Australien)
    Schon bei zwei Grad Erwärmung drohen viele Korallen abzusterben. (picture alliance / dpa - AUSTRALIAN INSTITUTE OF MARINE )
    Jule Reimer: Wenn Sie die Vorbereitungen für den Weltklimagipfel im Dezember in Paris genau verfolgen möchten, dann empfehlen wir Ihnen den Climate Action Tracker. Hinter diesem Internet-Newsletter stehen vier Forschungsinstitute, unter anderem das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung PIK. Der Climate Action Tracker meldet jetzt pünktlich zu einer größeren Vorbereitungskonferenz in Bonn für den Weltklimagipfel, dass die Einsparziele, die die Regierungen bis jetzt für Paris angemeldet haben, leider nicht ausreichen, um das sogenannte Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, also einen sowieso schon unvermeidlichen Anstieg der Erdmitteltemperatur in diesem Bereich abzuhalten. - Niklas Höhne von New Climate Institute in Köln gehört zu den Herausgebern des Climate Action Trackers. Das Zwei-Grad-Ziel klappt nicht. Wo landen wir bei den bisherigen Anmeldungen?
    Niklas Höhne: Hallo, Frau Reimer. - Wenn man das zusammenzählt, was die Länder bisher vorgeschlagen haben, und wenn man davon ausgeht, dass sie das auch umsetzen, landen wir eher bei drei Grad Erderwärmung und verfehlen damit bis jetzt noch das Zwei-Grad-Ziel, das sich alle gesetzt haben.
    Ein drittel der Länder müssen noch Vorschläge machen
    Reimer: Das was wir bisher an Datenbasis haben für die CO2-Einsparung, ist das schon das letzte Wort?
    Höhne: Nein, noch nicht. Alle Länder sind aufgefordert, bis zu dem Gipfel in Paris im Dezember diesen Jahres Vorschläge zu machen, wie viel Emissionen sie reduzieren wollen. Die großen Emittenten haben das schon getan. Ungefähr zwei Drittel der jetzigen Treibhausgas-Emissionen sind abgedeckt über die Länder, die schon einen Vorschlag gemacht haben. Das heißt aber, dass ein Drittel noch einen Vorschlag machen wird, und das sind Länder wie Indien, Brasilien und Indonesien, die noch einen Vorschlag unterbreiten müssen. Insofern kann sich das noch nach oben ändern, wenn wir alle Länder haben, die Vorschläge vorgelegt haben.
    Reimer: Um jetzt mal auf Indien einzugehen. Indien setzt ja sehr stark auf Kohle. Lässt sich da denn tatsächlich was erwarten? Und das ist ein Milliardenland!
    Höhne: Ja natürlich. Indien ist ein sehr großes Land und in unseren Berechnungen gehen wir davon aus, dass die Emissionen von Indien steigen werden. Die Frage ist jetzt, wie viel weniger sie dadurch steigen werden, was vorgelegt wird. Das ist der eine Punkt, was sich noch ändern kann. Das sind die neuen Länder. Es geht auch noch darum, wo man sieht, wenn man es zusammenzählt, dass es nicht ausreicht, dass die Länder ihre Vorschläge noch mal überdenken und bis Paris vielleicht zu ambitionierteren Zielen kommen werden, jetzt wo sie sehen, dass es nicht ausreicht, wenn man alles zusammennimmt.
    Beim Ambitionsniveau noch zulegen
    Reimer: Wer ist denn bis jetzt ambitioniert und wer nicht?
    Höhne: Das ist immer relativ schwierig zu sagen, weil ob man einen fairen Beitrag leistet oder einen ambitionierten Beitrag leistet, das hängt sehr von der Perspektive ab. Wir haben uns in unserem Projekt, dem Climate Action Tracker, einem Klimapolitik-Monitor, eine ganze Bandbreite von Dingen angeschaut, die man als ambitioniert definieren kann, und es gibt einige Länder, die außerhalb dieser Bandbreite liegen, die eindeutig nicht ambitioniert sind, und das sind Länder wie Australien, Kanada, Japan, Südkorea und Russland. Die müssen eindeutig noch etwas nachlegen beim Ambitionsniveau.
    Dann gibt es die großen Länder China, EU und USA. Die sind etwas besser. Die könnte man interpretieren, dass sie einen fairen Beitrag leisten zum Zwei-Grad-Ziel, aber nur, wenn andere Länder mehr tun. Wenn man diese Länder zusammenrechnen würde, würde es auch nicht ausreichen.
    Auf unserer Liste haben wir bis jetzt nur Länder wie Äthiopien und Marokko, die wirklich ein ausreichendes Ziel vorgelegt haben. Das liegt hauptsächlich daran, dass man von diesen Ländern mit relativ niedrigen Pro-Kopf-Emissionen, niedrigen Wirtschaftsleistungen relativ wenig erwartet, aber diese Erwartungen wurden dann erfüllt von Äthiopien und Marokko.
    Bestimmte Lebensräume werden nicht mehr existieren
    Reimer: Nun ist ja noch Zeit bis Paris. Vielleicht legt ja das eine oder andere Land noch nach. Erklären Sie uns bitte aber noch mal: Warum sind drei Grad Erwärmung, die im Augenblick im Raum stehen, nicht gut?
    Höhne: Eigentlich ist das Zwei-Grad-Ziel schon nicht gut. Zwei Grad ist die globale Erderwärmung. Die ist an Land immer noch mal höher als über dem Meer. Das bedeutet hier in Europa: Bei zwei Grad Erwärmung sind wir in Europa mindestens bei drei bis vier Grad Erwärmung, und das ist schon etwas, was deutliche Auswirkungen hat. Bei drei Grad ist es doppelt so viel, nämlich in Europa wahrscheinlich eher in der Größenordnung sechs Grad Erwärmung, was sehr wichtige Auswirkungen hätte auf uns. Andere Dinge, die passieren, sind, dass bestimmte Lebensräume nicht mehr existieren. Selbst bei zwei Grad haben wir quasi schon die Korallenriffe verloren.
    Reimer: Herr Höhne, Entschuldigung! Jetzt läuft uns die Zeit weg. Ich muss mich bedanken. - Niklas Höhe von New Climate Institute zu den Erfolgsaussichten der UN-Weltklimakonferenz.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.