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Klimafaktor Moor

Klima.- Wenn Pflanzen in Sumpfgebieten absterben, wird meist das Treibhausgas Methan freigesetzt. Bisher hatten Forscher die Befürchtung, dass Permafrostregionen mehr Methan produzieren, wenn sie infolge der Klimaerwärmung auftauen - vielleicht ein Trugschluss.

Von Volker Mrasek | 23.08.2010
    Torfmoose prägen die Vegetation vieler Hoch- und Niedermoore weltweit. Das ist hinlänglich bekannt. Jetzt aber stellt sich heraus: Die Pflanzen haben bisher unentdeckt gebliebene Untermieter. Sie leben in Symbiose mit Bakterien, die Methan aufnehmen, es verwerten und in Kohlendioxid umwandeln. Von der Zweckgemeinschaft profitieren beide – Bakterien und Moose.

    Mike Jetten, Professor für Mikrobiologie an der Radboud-Universität in Nimwegen in den Niederlanden:

    "Methan wird am Grund der Moore gebildet, bei der Zersetzung von abgestorbenen Pflanzen. Es steigt dann in Form von Gasblasen auf. Torfmoose sind die ersten, die damit in Berührung kommen. Für Bakterien, die Methan oxidieren, ist es sehr nützlich, die Moose zu besiedeln: So kommen sie an das Sumpfgas heran. Die Torfmoose wiederum profitieren davon, dass die Bakterien Methan in Kohlendioxid umwandeln. So erschließen sie sich eine zusätzliche CO2-Quelle. Die Moose leben teils unter der Wasseroberfläche, und dort mangelt es an Kohlendioxid."

    Auf die methanliebenden Mikroben waren Mike Jetten und seine Kollegen zuerst in einem niederländischen Moor gestoßen. Für ihre neue Studie untersuchten sie nun Torfmoose aus verschiedenen Weltregionen – unter anderem aus Skandinavien, Kanada, Sibirien und Argentinien. Ihr Befund:

    "Wir haben die Moose in kontrollierten Laborversuchen mit Methan versorgt und untersucht, ob und wie stark das Gas oxidiert wird. Dabei stellte sich tatsächlich heraus: Die Symbiose zwischen Methan verwertenden Bakterien und Torfmoosen kommt weltweit vor. Am stärksten ausgeprägt ist sie dann, wenn die Pflanzen unter der Wasseroberfläche im Moor leben. Dann oxidieren die Bakterien das meiste Methan."

    Die Niederländer stellten noch etwas Bemerkenswertes fest: Als sie die Temperatur im Labor von zehn auf 20 Grad erhöhten, verdoppelte sich auch der Methan-Umsatz in ihren Versuchskolben. Das heißt: Je wärmer es ist, desto mehr Methan setzen die Torfmoos-Bakterien um.

    Das ist im Prinzip eine gute Nachricht. Es könnte bedeuten, dass Klimaforscher falsch liegen, wenn sie befürchten, dass Moore in Zukunft mehr Methan freisetzen, weil es wärmer und abgestorbenes Pflanzenmaterial dadurch besser zersetzt wird. Denn wie es scheint, bauen andere Mikroorganismen dann auch wieder mehr Methan in Mooren ab. Und zwar jene Bakterien, die in Symbiose mit den Torfmoosen leben.Noch sollte man aber keine voreiligen Schlüsse aus der neuen Studie ziehen, mahnt Colin Morrell, Professor für Mikrobiologie an der Universität von Warwick in England:


    "Es ist die erste Studie dieser Art, und man sollte ihre Ergebnisse als vorläufig ansehen. Was die Arbeit aber überzeugend darlegt, ist, dass Mikrorganismen in unserer Umwelt bei einer Erwärmung allgemein ihre Aktivität steigern. Und dass durch sie nicht nur mehr Methan gebildet, sondern auch mehr Methan verwertet werden könnte. Gut möglich, dass wir es hier mit einem natürlichen Selbstregulierungseffekt zu tun haben."

    Der englische Biochemiker rät dazu, mehr Licht in das Dunkel der Umwelt-Mikrobiologie zu bringen:

    "Es ist wirklich ein heißes Thema: Zu verstehen, wie die Ökosysteme der Erde auf die globale Erwärmung reagieren werden. Und in diesem speziellen Fall: wie viel Methan Moore in Zukunft produzieren; und welche Mengen davon die Torfmoos-Bakterien gleich wieder auffangen."