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Klimaopfer Wald

Umwelt. – Wälder gelten als wichtiger Speicher für das Treibhausgas CO2, die höhere CO2-Gehalte der Luft sogar genießen könnten. Doch ihnen dürften die steigenden Temperaturen so sehr zu schaffen machen, dass sie möglicherweise für das Weltklima weniger werden tun können, als man gemeinhin erwartet.

Von Volker Mrasek | 29.11.2007
    Dass er den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht - dieses Gefühl hatte Phillip van Mantgem des öfteren. Jahr für Jahr inspizierte der Forstbiologe über 20 Untersuchungsflächen in der Sierra Nevada in Kalifornien. Und überprüfte dabei immer wieder den Gesundheitszustand von mehr als 21.000 einzelnen Bäumen.

    "Dieses Projekt hier läuft schon seit über 20 Jahren. Unsere Beobachtungsflächen liegen im Sequoia- und im Yosemite-Nationalpark. Was man hier, in den Bergen der Sierra Nevada, antrifft, das sind Nadelwälder und ein trockenes, mediterranes Klima. Ganz ähnlich sieht der Gebirgswald auch in Spanien oder in Italien aus."

    Van Mantgem arbeitet beim Geological Survey, dem Geologischen Dienst der USA. Die Fachbehörde hat das kalifornische Dauerprojekt schon 1983 ins Leben gerufen. Inzwischen verfügen ihre Forscher über einzigartige Langzeitdaten aus unberührten Naturwäldern. Sie zeigen nun: Die Klimaerwärmung zieht auch Wälder in Mitleidenschaft. Van Mantgem:

    "”Was wir sehen, ist, dass die Zahl der Bäume, die abstirbt, von Jahr und Jahr gestiegen ist - um drei Prozent. Innerhalb des gesamten Beobachtungszeitraums hat sich die Sterberate verdoppelt. Die beste Erklärung dafür ist die Klimaerwärmung. Die mittlere Lufttemperatur in der Sierra Nevada hat in den letzten zwanzig Jahren um ein ganzes Grad zugenommen. Dies hier sind Trockenwälder, und wenn immer mehr Wasser verdunstet, geraten sie in zusätzlichen Trockenstress. Und dann sterben mehr Bäume ab.""

    In den Bergwäldern der Sierra Nevada dominieren Fichten und Tannen. Bei beiden Arten registrierten die Forscher eine steigende Zahl von Todesfällen, vor allem unter jungen Bäumen. Van Mantgem:

    "Wenn wir uns die Dichte der Bestände anschauen, dann sehen wir, dass sie abnimmt. Das lässt sich bereits erkennen."

    Die Frage ist nun: Bringt der Klimawandel nur die Nadelwälder im Nordosten der USA in Bedrängnis? Oder könnte er sich zu einer Gefahr für alle Waldbestände entwickeln, die in einem trockenen Klima wachsen und Probleme bekommen, wenn das ohnehin spärliche Wasserangebot weiter zurückgeht? Forstbiologe van Mantgem glaubt eher an Letzteres:

    "Wir haben inzwischen auch Trockenwälder im Nordwesten der USA untersucht. Die Daten sind noch nicht vollständig ausgewertet. Aber sie deuten an, dass es sich hier um einen generellen Trend handeln könnte."

    Von Wäldern wird erwartet, dass sie auch weiterhin die Klimaerwärmung abfedern. Bäume und andere grüne Pflanzen entfernen nämlich gut ein Viertel der heutigen Kohlendioxid-Emissionen wieder aus der Atmosphäre. Sie benötigen CO2 für die Photosynthese, und wenn mehr davon in der Außenluft vorhanden ist, kommt es zu einem zusätzlichen Düngeeffekt: Pflanzen produzieren dann mehr Biomasse. Die neuen Befunde aus Kalifornien deuten nun aber an: Steigende Temperaturen könnten ihrerseits dafür sorgen, dass Wälder nicht dichter, sondern lichter werden. Und dass sie deshalb vielleicht weniger Kohlendioxid aufnehmen, wenn der Klimawandel fortschreitet. Klar ist das noch nicht. Aber dem Wald droht auch noch anderes Ungemach. Darauf wiesen britische Forscher erst kürzlich hin. So dürfte bodennahes Ozon zunehmen, wenn die Erderwärmung anhält. Stephen Sitch vom Hadley-Zentrum für Klimavorhersage:

    "Ozon schädigt Pflanzen und vermindert ihr Wachstum. Das schmälert auch ihre Fähigkeit, Kohlendioxid aufzunehmen. In den Klimamodellen ist das bisher gar nicht berücksichtigt. Der CO2-Dünge-Effekt wird deshalb sicher kleiner ausfallen als angenommen."

    Wer also darauf vertraut, dass uns Wälder und Forsten weiter kräftig im Kampf gegen den Klimawandel helfen, der wird vielleicht bald enttäuscht werden.