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Klimapolitik auf dem G20-Gipfel
"Deutschland ist Braunkohle-Weltmeister"

"Seit 2009 sind unsere Emissionen unverändert", sagte Lutz Weischer von der Denkfabrik Germanwatch zur deutschen Klimapolitik. Dies sei eine schlechte Ausgangslage, um andere Länder auf dem G20-Gipfel vom Klimaschutz zu überzeugen. Weischer forderte im Dlf, Klimaziele auch im eigenen Land konsequent umzusetzen.

Lutz Weischer im Gespräch mit Birgid Becker | 06.07.2017
    Mit dieser Aktion an der Elbphilharmonie in Hamburg macht Greenpeace auf das Thema Klimaschutz aufmerksam
    Klimaschutz: Wichtiges und hochumstrittenes Thema auf dem G20-Gipfel in Hamburg. (picture-alliance/dpa)
    Birgid Becker: Deutschland und Japan stehen zusammen für rund ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung. Und wenn zwei Partner dieses Formats sich im Grundsatz darauf verständigen, ihre Handelsbeziehungen (nein) nicht vollständig, aber weitgehend ohne Hemmnisse und Auflagen zu gestalten, dann hat das Signalwirkung. Sollte es auch ganz explizit haben. Beiden Ländern war es wichtig, eine Grundsatzeinigung über ein Handelsabkommen noch vor G20-Start zustande zu bringen. Das hat geklappt.
    Wir bleiben beim Thema. Mitgehört hat Lutz Weischer von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch, die ja einen kritischen Blick hat vor allem auf die Entwicklungen in der Klimapolitik, aber nicht nur auf die. Das ist ja eines der Streitthemen dieses Gipfels. Guten Tag, Herr Weischer.
    Lutz Weischer: Guten Tag!
    Becker: Bleiben wir beim eben gehörten: das im Grundsatz beschlossene Abkommen zwischen der EU und Japan. Was ist Ihre Einschätzung, Inszenierung oder gutes Signal?
    Weischer: In erster Linie würde ich sagen, Inszenierung. Natürlich der Versuch, hier vor dem G20-Gipfel auch in Richtung Trump ein Signal zu senden. Aber dieses Abkommen ist natürlich hoch problematisch. Es enthält genau das, was ja hunderttausende von Menschen auch in Deutschland kritisiert haben bei TTIP und CETA, den geplanten Abkommen mit den USA und mit Kanada. Es ist eben kein Abkommen, was sich an ökologischen und sozialen Leitplanken ausrichten würde, sondern es geht hier einfach um möglichst schrankenlosen Handel und es geht auch wieder darum, Investoren, Unternehmen Sonderklagerechte gegen staatliche Regulierung zu schaffen, die ihnen nicht passt, oder die ihre Profiterwartungen einschränken könnte. Also ganz viel, was man kritisieren muss aus unserer Sicht. Und natürlich war das heute auch mehr ein Fototermin, eine sogenannte Grundsatzeinigung. Aber unglaublich viele Details, gerade die kniffligsten Fragen sind ja noch auszuhandeln.
    Becker: Wie sind Ihre Erwartungen in der Klimapolitik? Die SPD-Opposition hatte ja an Angela Merkel die Erwartung gestellt, sie möge eine 19:1-Haltung zustande bringen, alle gegen Trump. Kann sie das, oder ist das überhaupt wünschenswert?
    "Klimaabkommen zur Not auch ohne Trump"
    Weischer: Es wäre wichtig, dass die G20 sagen, wir stehen zum Pariser Klimaabkommen und wir werden es umsetzen. Und wenn das nicht zu 20 geht, dann muss es zu 19 gehen. Das heißt, dann zur Not auch ohne Donald Trump. Das ist auch unsere Erwartung und wir denken auch, dass das gelingen kann. Die deutsche Präsidentschaft hat monatelang Vorarbeit hier geleistet. Es gab eine gemeinsame Klima- und Energie-Arbeitsgruppe das erste Mal. Es gibt detaillierte Vorschläge, wozu die G20 sich verpflichten könnten in einem gemeinsamen Klima-Aktionsplan. Und wir erwarten, dass der hier zu 19 dann wohl wahrscheinlich angenommen wird. Aber natürlich ist klar: Das sind sehr, sehr harte Verhandlungen. Das ist eines der kniffligsten Themen, was sich wahrscheinlich noch bis in die letzte Nacht auch ziehen wird. Auch andere Länder in der G20, man denke zum Beispiel an Saudi-Arabien, sind keine Klimaweltmeister und nutzen teilweise natürlich diese Situation auch aus, verstecken sich sozusagen hinter den USA, um jetzt wieder zu versuchen, Sachen aufzuweichen.
    Becker: Alle 19 Staaten – das sagen Sie in Ihrem Klima-Index, den Sie heute vorgelegt haben -, allen 19 Staaten unterstellen Sie oder werfen Sie vor, dass man im Klimaschutz nicht auf dem richtigen Weg sei, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Der Index setzt Deutschland auch nur auf Platz vier. Warum eigentlich und ist das nicht eine ziemlich schlechte Ausgangslage, um andere zu überzeugen?
    "Emissionen in Deutschland sinken nicht"
    Weischer: Wir unterstellen das nicht, sondern wir haben das ausgerechnet. In den Index fließen verschiedene Faktoren, verschiedene Indikatoren ein, unter anderem die Entwicklung der erneuerbaren Energien, die Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen, die Klimaverschmutzung, die ja Ursache des Problems ist, genauso wie eine Bewertung durch unabhängige Experten der Klimapolitik der verschiedenen Länder. Und wir vergleich das mit dem, was nötig wäre, um die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad und am besten auf 1,5 Grad zu begrenzen, so wie es das Pariser Abkommen sagt. Wenn man sich diese Daten anguckt, landet von den G20 Deutschland nur auf Platz vier. Das liegt in erster Linie daran, dass die Emissionen in Deutschland einfach nicht sinken. Seit 2009, jetzt im achten Jahr, sind unsere Emissionen unverändert. Das liegt daran, dass die Erneuerbaren zwar stark wachsen, aber die Kohle nicht im selben Maße schrumpft. Wir exportieren Kohlestrom immer mehr ins europäische Ausland. Deutschland ist Braunkohle-Weltmeister und Braunkohle-Exportweltmeister. Und das versaut das Klima und auch unsere Klimabilanz.
    Und im Verkehrsbereich tut sich auch seit Jahren gar nichts. Deswegen ist Deutschland da auch nur im Mittelfeld. Natürlich wäre es für die Kanzlerin einfacher, könnte sie noch überzeugender auftreten, auch international, wenn Deutschland wirklich ein Klimavorreiter wäre. Das ist ganz klar.
    Becker: Ganz kurz zum Schluss. Sie glauben aber schon, dass Angela Merkel trotz ihres unrühmlichen Platz vier eine Art Treiberin zumindest in Sachen Klimaschutz auf dem G20-Gipfel werden wird?
    "Deutschland häufig Treiber für Klimaschutz"
    Weischer: Auf dem G20-Gipfel, auf internationaler Ebene ist Deutschland häufig Treiber für Klimaschutz und auch die Kanzlerin, die das ja auch selber letzte Woche in einer Regierungserklärung noch mal gesagt hat. Sie hält das für wichtig, dass es hier ein Ergebnis zum Klimaschutz gibt. Das sehen wir ganz genauso, nur dass wir dann auch sagen, dann muss man auch danach seine Hausaufgaben endlich zuhause machen in Deutschland.
    Becker: Danke! – Lutz Weischer war das von Germanwatch, der Nichtregierungsorganisation, die besonders die Klimapolitik im Fokus hat.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.