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Klimaschutz fällt beim Sparen durch den Rost

Durch eine bessere Wärmedämmung und effizientere Heizungen kann sehr viel CO2 eingespart werden. Deshalb wurde die Sanierung des Wohnungsbestandes vom Staat gefördert. Ausgerechnet hier setzt die Bundesregierung nun den Rotstift an.

Von Dieter Nürnberger | 11.06.2010
    Frage: Dieter Nürnberger in Berlin - wo drohen jetzt Kürzungen?

    Dieter Nürnberger: Es sind zwei Bereiche, in denen Kürzungen geplant sind oder auch schon vollzogen wurden. Zum einen ist dies das Marktanreizprogramm für den Wärmemarkt. Hier wurde bereits im April eine Haushaltsperre verhängt, Einsparvolumen 115 Millionen Euro. Hier geht es um die Förderung von Ökoheizungen, es geht beispielsweise um die Nutzung von Solarthermie, den Einbau von Pelletheizungen oder auch energiesparender Wärmepumpen.

    Der zweite Bereich ist seit gestern bekannt. Und die Ankündigung von Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) die Mittel für die Gebäudesanierung drastisch zusammenzustreichen, mehr als zu halbieren, sorgt nun für einen Aufschrei in der Branche und auch bei Klimaschutzexperten. Mit diesem Förderprogramm konnten Wohnungseigentümer und Wohnungsbaugesellschaften verbilligte Kredite bekommen, um eine solche, recht teure, energetische Sanierung, etwa die Dämmung von Wänden, den Austausch alter Fenster etc. anzugehen.

    Frage: Wie viele Wohnungen gibt es überhaupt, die energetisch saniert werden müssten und was brächte das in Sachen CO2-Einsparung?

    Nürnberger: Es gibt rund 18 Millionen Gebäude in Deutschland und der Wohnungs- oder Gebäudebereich gilt als ein dominanter Bereich, um Energie einzusparen. Energieexperten sagen, dass mehr als Drittel der Einsparungen an Energie und somit letztendlich auch an CO2 in diesem Bereich realisiert werden kann. Relativ gesehen ist hier unter Klimaaspekten also mehr zu holen als etwa im Verkehrsbereich. Hinzu kommt: In Deutschland sind die meisten Häuser recht alt - so gelten rund 50 Prozent des Bestandes als sanierungsbedürftig in den kommenden Jahren.

    Und deutlich über 80 Prozent des Energiebedarfs eines Hauses gehen allein für die Raumerwärmung oder das benötigte Warmwasser drauf.

    Frage: Wenn jetzt ausgerechnet hier gespart wird - wie passt das zusammen mit den Klimaschutzzielen? Sind die dann unter Umständen gefährdet?

    Nürnberger: Der Unmut über die Kürzungen hängt natürlich damit zusammen, dass eine solche Entscheidung natürlich Auswirkungen auf die langfristigen Klimaschutzziele der Regierung hat. Ein Hauptkritiker ist Stefan Kohler, der Chef der Deutschen-Energie-Agentur. Eine Institution, die von der Bundesregierung einst extra gegründet wurde, um die Bürger über den Zusammenhang von Sanierung und Klimaschutz zu informieren, auch überzeugen. Stefan Kohler:

    "Bei der Bundesregierung heißt das Ziel ja Verdopplung der Energieproduktivität. Verdopplung der Energieproduktivität heißt, dass wir im Gebäudebereich eine Sanierungsrate von ungefähr 2,5 Prozent des Bestandes pro Jahr benötigen. Wir sind jetzt bei der Hälfte dieses Wertes. Wenn wir es nicht schaffen, diese Rate zu erhöhen, dann können wir auch die Klimaschutzziele nicht erreichen. Wir haben in diesem Bereich sonst kein Instrument, das die Energieeffizienz in diesem Bereich anregt. Deshalb plädieren wir dafür, das CO2-Gebäude-Sanierungsprogramm nicht zu kürzen, sondern aufzustocken."

    Der Chef der Dena ist hier unmissverständlich: Der Rotstift der schwarz-gelben Koalition gefährde den mittel- und langfristigen Klimaschutz in Deutschland.


    Frage: Wie stehen die Chancen, dass diese Kürzungen noch abgewendet werden können?

    Nürnberger: Bei Stefan Kohler gilt zumindest noch das Prinzip Hoffnung, er setzt auf Argumente. Und die sind nicht nur klimapolitischer Art.

    "Pro Fördereuro gibt es ungefähr drei Euro private Investitionen. Es ist sehr wichtig, dass durch ein solches Sanierungsprogramm Arbeitsplätze geschaffen werden - im Gewerbe, im Handwerk, in mittelständischen Unternehmen. Die Unternehmen zahlen Steuern, die Leute haben Arbeit - auch dieser Aspekt ist wichtig. Das Programm muss fortgeführt werden - aus Klimagesichtspunkten, aber auch wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch. Das ist keine Einbahnstraße, es kommt auch wieder was zurück."

    Auch genannte Zahlen aus dem Bundesbauministerium unterstreichen dies: 2009 hätten staatliche Hilfen von mehr als zwei Milliarden Euro insgesamt Investitionen in diesem Bereich von rund 18 Milliarden Euro ausgelöst.