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Klimawandel
Das Grundwasser wird wärmer

Die Temperatur des Grundwassers ist für Hydrogeologen eigentlich uninteressant - denn es ist von Natur aus gleichbleibend kühl. Doch der Klimawandel wirkt auch mehrere Meter in den Boden hinein, deshalb steigt die Temperatur. Das könnte auch Einfluss auf die zahlreichen Kleinlebewesen in der Erde haben.

Von Karl Urban | 15.05.2015
    In die Behälter einer Sammelstelle im Schwarzwald läuft Wasser, das aus unterschiedlichen Bodentiefen abgepumpt wird, um es zu analysieren.
    Dank des wärmeren Grundwassers ließe sich die Erdwärme zukünftig besser ausbeuten. (picture alliance / dpa / Rolf Haid)
    Das Grundwasser fließt unbeeindruckt in der Tiefe, bedeckt von metertiefem Humus, Lehm, Sand oder Gestein. Als Trinkwasser ist es daher besonders gut geeignet.
    "Diese Frage stelle ich den Studenten immer ganz am Anfang: Was ist Grundwasser?"
    Peter Bayer von der ETH Zürich ist Hydrogeologe. Er beschäftigt sich also mit dem Grundwasser.
    "Grundwasser ist natürlich im Untergrund überall dort, wo kein Gestein ist - das heißt, in dem Porenraum. Der Porenraum kann wie ein Schwamm verteilt sein, wie man sich das in einem Sand vorstellt. Oder es kann in Klüften sein. Da fließt das Wasser sehr sehr schnell."
    Von Natur aus gleichbleibend kühl.
    Die Temperatur des Grundwassers ist für Hydrogeologen eigentlich uninteressant - denn es ist von Natur aus gleichbleibend kühl.
    "Die Untergrundtemperatur im Untergrund in einer Tiefe von mehr als zehn Metern entspricht im Wesentlichen der Jahresdurchschnittstemperatur in der Atmosphäre. Das ist sozusagen unser Nullwert."
    Ein Nullwert, der sich nun bedingt durch den Klimawandel ändert. Das herauszufinden, war aber bisher schwierig. Denn obwohl Wasserversorger ständig die Temperatur des Grundwassers überwachen, gelang es Forschern bis heute kaum, an jahrzehntelange Temperaturdaten zu gelangen.
    "Wir haben natürlich danach gesucht. Aber diese Daten sind extrem rar. Der Grund dafür ist, dass solche Daten, wenn man 30 bis 50 Jahre zurückgehen will, einfach nicht in digitaler Form vorliegen."
    Erdwärme zukünftig besser ausbeuten
    Am Ende fand Peter Bayer mit seinen Kollegen doch mehrere Grundwasserbrunnen, in denen über 35 Jahre lang die Temperatur aufgezeichnet worden war. Und hier wird Einfluss des Klimawandels erkennbar: Demnach stieg die Temperatur des Grundwassers seit 1970 um knapp ein Grad, nachweisbar an insgesamt vier Brunnen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Das Wasser wurde zwar um wenige Jahre verzögert wärmer, aber letztlich genauso stark wie die Luft.
    "Man kann das allgemein als nicht grundsätzlich schlecht werten. Selbst wenn es nur um ein Grad geht: Da steckt sehr viel Energie drin. Das ist natürlich auch interessant für die oberflächennahe geothermische Nutzung."
    Dank des wärmeren Grundwassers ließe sich also die Erdwärme zukünftig besser ausbeuten.
    "Man kann es natürlich auch kritisch sehen. Man muss wissen: Im Untergrund gibt es sehr viele Kleinlebewesen. Vielen Leuten ist gar nicht bewusst, was da für Lebensgemeinschaften wohnen. Es ist ganz klar, dass jene gewohnt sind, dass Temperaturen konstant sind. Aber wir wissen heute viel zu wenig, wie stark sich diese Temperaturänderungen auf die Lebensgemeinschaften auswirken. Erst vor Kurzem sind wir darauf gekommen, dass wir so unglaubliche Biomassen im Untergrund haben."
    Faktor für die Wasserqualität
    Auch auf die Trinkwasserversorgung könnte sich das wärmer werdende Grundwasser auswirken. Aber immerhin wird die Temperatur in den Brunnen ständig kontrolliert.
    "Ja, die Temperatur wird gemessen aus vielen Gründen, auch weil es ein Faktor ist für die Wasserqualität. Und es gibt viele Prozesse, zum Beispiel Ausfällungen von Eisen oder auch Karbonatausfällung, die sehr relevant ist und die natürlich einhergeht mit unterschiedlichen Temperaturen."
    Dadurch könnten Brunnen schneller von Mineralrückständen zugesetzt werden - und müssten vielleicht häufiger gereinigt werden. Steigt die Lufttemperatur im Laufe dieses Jahrhunderts immer weiter, könnte die Trinkwassergewinnung somit aufwendiger werden. Bisher ist die Erwärmung laut Peter Bayer aber so gering, dass das solche Effekte vorerst keine Rolle spielen.