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Klimawandel
Horn von Afrika könnte extreme Trockenheit drohen

Manchen Klimamodellen zufolge sollte die globale Erwärmung dem Horn von Afrika mehr Regen und somit mehr Ernteerträge bringen - ein Hoffnungsschimmer für die äußerst arme Region. Eine nahezu gegenteilige Entwicklung erwarten hingegen Forscher aus Arizona, die die klimatische Entwicklung der Vergangenheit anhand von Bohrkernen rekonstruiert haben.

Jessica Tierney im Gespräch mit Monika Seynsche | 12.10.2015
    Ausgetrockneter Boden
    Im Jahr 2011 gab es am Horn von Afrika bereits eine sehr große Dürre. (AFP PHOTO / Nelson Almeida)
    Monika Seynsche: Somalia, Äthiopien, Eritrea und Dschibuti bilden zusammen das Horn von Afrika. Eine Region, die von Bürgerkriegen, Diktaturen und Hungersnöten gezeichnet ist. Ein kleiner Hoffnungsschimmer waren bislang die globalen Klimamodelle. Sie alle gehen davon aus, dass der Klimawandel hier für mehr Regenfälle und bessere Erträge sorgen wird. Eine neue Studie allerdings lässt Zweifel aufkommen an dieser rosigen Zukunft. Forscher aus Japan und den USA haben Sedimentkerne aus dem Meeresboden vorm Horn von Afrika untersucht und zeichnen ein düsteres Bild der Zukunft. Ich habe die Erstautorin Jessica Tierney von der Universität von Arizona gefragt, warum sie sich für das Horn von Afrika interessiert.
    Jessica Tierney: Wir interessieren uns für diese Region, weil sie offensichtlich von großer geopolitischer Bedeutung ist und wir nicht viel darüber wissen, wie der Klimawandel die Regenfälle in dieser wichtigen Region beeinflussen wird. Es gab zum Beispiel 2011 hier eine sehr große Dürre. Und diese Dürre war unter anderem deshalb so heftig, weil sie im Frühling auftrat, einer Jahreszeit, in der seit 30 Jahren die Niederschläge zurückgehen. Wir wissen nicht, was diese langfristigen Veränderungen des Regens verursacht. Wenn wir also zum Beispiel die Nahrungsmittelsicherheit prognostizieren wollen oder geopolitische Stabilität am Horn von Afrika, ist es hilfreich zu wissen, was die langfristigen Veränderungen des Niederschlags kontrolliert und auch, wie der Niederschlag auf einen Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen reagieren wird.
    Seynsche: Und was haben Sie herausgefunden?
    Tierney: Wir haben Paläoklimadaten aus Sedimentkernen im Ozean abgelesen und konnten sehen, dass es in allen kälteren Perioden am Horn von Afrika feuchter wurde und dass die Region in allen wärmeren Phasen trockener wurde. Und diese Verbindung sehen wir auch in Wetterdaten aus dem 20 Jahrhundert: die Temperaturen stiegen und es wurde trockener. Dieses Bild aber widerspricht den Projektionen der globalen Klimamodelle, wie sie etwa in den Berichten des Weltklimarates genutzt werden. Ihnen zufolge sollte die Region im Zuge der Klimaerwärmung feuchter werden.
    Seynsche: Wie kommt das? Warum widersprechen Ihre Ergebnisse den Klimamodellen?
    Tierney: Wir denken, das Problem liegt darin, dass das Horn von Afrika zwei Regenzeiten hat. Eine von März bis Mai und eine von September bis November. Und es zeigt sich, dass die Modelle die Hauptregenzeit, von März bis Mai nicht sehr gut simulieren können. Einige zeigen sogar nur die Regenzeit später im Jahr. Darüber hinaus prognostizieren die Modelle eine sehr große Veränderung im Niederschlag in dieser zweiten Regenzeit, im Herbst. Und wir denken, dass diese Veränderung, die sie prognostizieren, zu groß ist.
    Seynsche: Wie können sie in den Sedimentkernen erkennen, ob es ein trockenes oder feuchtes Jahr war? Was in den Kernen verrät ihnen das?
    Tierney: Wir gucken uns die Wachsschichten an, die auf Pflanzenblättern gebildet werden. Wenn die Blätter sich zersetzen, werden die Wachsmoleküle in den Ozean transportiert, in dieser trockenen Region meist durch den Wind. Sie haften auf Staubpartikeln und werden am Grund des Ozeans abgelagert. Wir isolieren sie dann aus unseren Sedimentkernen und messen ihre Isotopenzusammensetzung, also das Verhältnis von schwerem Wasserstoff, Deuterium zu leichtem Wasserstoff. Daraus können wir ablesen, wie trocken oder feucht es ist, denn wenn mehr Regen fällt, enthält er weniger schweren Wasserstoff, und wenn es trockener ist, enthält er mehr schweren Wasserstoff. Sie können sich vorstellen, wenn der Regen aus einer Wolke kommt, fällt der schwere Wasserstoff zuerst runter. Wenn es also nur ein wenig regnet, haben wir mehr Deuterium. Andere Moleküle in den Sedimentkernen, aus den Überresten mariner Einzeller, zeigen uns wiederum, wie warm oder kalt es zu einer bestimmten Zeit war. Wir können also sehen, wie kalt oder warm und wie trocken oder feucht es war in der Vergangenheit - und das alles mithilfe von Molekülen wie in diesen Pflanzenwachsen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.