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Klimawandel
Hummeln auf dem Rückzug

Es gibt ungefähr 250 Hummelarten, sie kommen vor allem in den kühleren Regionen der Nordhalbkugel vor. Weil durch den Klimawandel an vielen Orten die Temperaturen ansteigen, hat ein internationales Forscherteam jetzt untersucht, wie die Hummeln damit zurechtkommen.

Von Jochen Steiner | 10.07.2015
    "Hummeln sind aus mehreren Gründen eine großartige Insektengattung: In den gemäßigten Breiten sind sie sehr wichtig, um Pflanzen zu bestäuben, nicht nur Ackerpflanzen, sondern auch solche in natürlichen Habitaten. Außerdem sind Hummeln groß genug, um die einzelnen Arten recht einfach bestimmen zu können. Das wird seit über hundert Jahren systematisch gemacht, und deshalb wissen wir ziemlich gut, wie sie über die Kontinente verteilt sind."
    Jeremy Kerr ist Biologe an der Universität von Ottawa in Kanada. Er und sein Team wollten herausfinden, ob und wenn ja wie der Klimawandel die Verbreitung von Hummeln beeinflusst.
    "Wir hatten die Gelegenheit, das Vorkommen vieler Hummelarten für ganze Kontinente auswerten zu können. Wir konnten ihre Verbreitungsgrenzen in den kühlen und in den heißeren Regionen bestimmen, ihre nördlichen und südlichen Grenzen und ihr Vorkommen in unterschiedlichen Höhen."
    423.000 geografische Nachweise
    Jeremy Kerr und sein Team bezogen in ihre Analyse 423.000 geografische Nachweise von 67 Hummelarten ein, die in Nordamerika und Europa beheimatet sind. Die ersten Daten reichen zurück bis ins Jahr 1901. Die letzten stammen aus 2010. Außerdem lagen den Forschern jährlich gesammelte Klimadaten aus dieser Zeitspanne vor, sowie Daten über die Veränderung der Landschaft und über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Was der Ökologe jetzt nach der Auswertung sagen kann:
    "Hummeln haben es sehr schwer, jenseits ihrer nördlichen Verbreitungsgrenze neue Populationen zu gründen. Das heißt, im Norden geht es für sie nicht weiter. Und das trifft sowohl für Nordamerika als auch für Europa zu, das ist für beide Kontinente gleich."
    Das klingt erst mal nicht dramatisch, in Kombination mit einem zweiten Ergebnis ist es aber beunruhigend.
    "Die Verbreitungsgebiete schrumpfen von Süden her zusammen. Hat man eine bestimmte Hummelart noch vor einiger Zeit in Südfrankreich oder Südspanien gefunden, so ist ihre südliche Verbreitungsgrenze jetzt 300 Kilometer weiter nördlich. Und dieses Phänomen können wir wieder auf beiden Kontinenten beobachten."
    Im Klartext bedeutet das: Der Lebensraum der Hummeln wird immer kleiner. Was im Süden verloren geht, kann im Norden nicht durch neues Terrain kompensiert werden. Jeremy Kerr ist sich bewusst, dass die Veränderungen der Naturlandschaften und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln vielen Hummelarten schwer zu schaffen machen. Aber beides würde die Ergebnisse der aktuellen Analysen nicht erklären.
    Lebensraum höher verlagert
    Vor dem Hintergrund des Klimawandels seien ihre Ergebnisse äußerst schlüssig, so Kerr. Mit den steigenden Temperaturen haben manche Hummeln im heißen Süden ihren Lebensraum in höherer Regionen verlagert, aber wo das nicht möglich war, sind viele Populationen gestorben. Andere Insekten wie etwa Schmetterlinge verschieben ihr Verbreitungsgebiet mit den steigenden Temperaturen weiter nach Norden, wo es kühler ist, aber die Hummeln schaffen das nicht - warum?
    "Viele Hummelarten bilden recht kleine Kolonien und ihre Wachstumsraten sind überschaubar. Es könnte sein, dass sie deshalb im Norden nicht schnell genug neue überlebensfähige Kolonien aufbauen können, um mit dem sich verändernden Klima Schritt zu halten."
    Biologen wie Jeremy Kerr denken deshalb schon seit geraumer Zeit darüber nach, ob sie den Hummeln bei der Gründung von Kolonien weiter nördlich nicht helfen sollten - um das Artensterben aufzuhalten.