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Klimawandel im Fangnetz

Das oberflächennahe Wasser in den Ozeanen erwärmt sich um durchschnittlich 0,2 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Das sollte Auswirkungen auf die Fischerei haben. Eine Studie kanadischer Forscher beweist nun: Der Klimawandel wirkt sich schon heute stärker auf die marinen Ökosysteme aus als bisher gedacht.

Von Lucian Haas | 21.05.2013
    Fischereiforscher haben den Klimawandel bisher nur als eine Art dunkle Wolke am Horizont gesehen. Trends wie die Erwärmung, Versauerung und der Sauerstoffverlust der Ozeane sollten sich erst in den nächsten 50 bis 100 Jahren im globalen Maßstab negativ auf die marinen Ökosysteme auswirken. Andere aktuelle Probleme wie die Überfischung der Weltmeere erscheinen da viel drängender. Doch eine Studie kanadischer Forscher zeigt erstmals auf, dass der Klimawandel die Fischerei heute schon stärker beeinflusst als bisher gedacht. William Cheung von der University of British Columbia in Vancouver:

    "Wir haben untersucht, ob es eine Verbindung zwischen der Erwärmung der Ozeane und Veränderungen in der Zusammensetzung der gefangenen Fischarten gibt. Das ist wichtig. Wenn ein solcher Effekt schon heute nachweisbar ist, dann müssen wir verstehen lernen, wie sich das auf die Fischerei auswirkt und was wir tun müssen, um das auszugleichen oder uns daran anzupassen."

    Für einzelne Fischarten gibt es schon länger Hinweise, dass sie auf die Erwärmung der Ozeane reagieren. Streifenbarben beispielsweise hatten früher ihr Hauptverbreitungsgebiet im Mittelmeer. Zunehmend werden sie auch in nördlicheren Bereichen des Atlantiks gefangen, weil das Wasser etwas wärmer geworden ist und sich die Barben nun auch dort wohlfühlen. Aus solchen Beobachtungen lässt sich aber noch kein allgemeiner Trend ableiten.

    William Cheung hat einen Weg gefunden, den Einfluss des Klimawandels statistisch nicht nur für einzelne Arten zu ermitteln, sondern für den gesamten Fang, der aus den Weltmeeren gezogen wird.

    "Wir haben einen Index definiert, den wir die durchschnittliche Fangtemperatur nennen. Dafür haben wir als erstes im Grunde jeder Fischart einen Temperaturwert zugeordnet, bei dem sie sich im Wasser am wohlsten fühlt. Ein Fisch in der Nordsee hat eine geringere Temperatur im Vergleich zu einem Warmwasserfisch in den Tropen. Anschließend haben wir die Anteile von Kalt- und Warmwasserarten in den jährlich erfassten regionalen Fangmengen berechnet. Nach diesen Anteilen gewichtet, lässt sich die Durchschnittstemperatur des Fangs ermitteln."

    William Cheung errechnete mit dieser Methode für 52 große marine Ökosysteme, wie sich zwischen 1970 und 2006 die durchschnittliche Fangtemperatur entwickelte. Dabei zeigte sich ein eindeutiger statistischer Zusammenhang. So wie die Wassertemperaturen der Ozeane stiegen – im globalen Durchschnitt um knapp 0,2 Grad pro Jahrzehnt – weist auch der Trend der durchschnittlichen Fangtemperaturen in ähnlicher Größenordnung nach oben. Vor allem in den nördlichen Fanggründen von Pazifik und Atlantik hat der Anteil von Warmwasserfischen an den Fangmengen immer weiter zugenommen.

    "In den tropischen Gebieten finden wir ein anderes Muster. Dort ist die durchschnittliche Fangtemperatur nur in den ersten zehn Jahren nach 1970 angestiegen. Danach hat sie sich stabilisiert. Der Grund dafür ist, dass in den Tropen alle Fischarten an warmes Wasser angepasst sind. Sie leben ja schon im wärmsten Teil des Ozeans. Es können also keine neuen Arten aus noch wärmeren Regionen einwandern. Wenn jetzt die Wassertemperaturen in den Tropen weiter steigen, könnte das selbst den vorhandenen Arten zu warm werden. Wir müssen damit rechnen, dass in Zukunft die Fischerei in den Tropen schrumpft, weil der passende Lebensraum für die Fischarten schwindet."

    Diese Erkenntnis ist durchaus brisant. Denn sie zeigt, dass der Klimawandel heute schon die marinen Ökosysteme in den Tropen an die Grenze ihrer Anpassungsfähigkeit gebracht hat. Weiter steigende Temperaturen könnten für die Fischerei, die in den meist ärmeren tropischen Ländern eine besonders große wirtschaftliche Bedeutung hat, zu deutlichen Einbußen führen.