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Klimawandel
"Risiken durch Unwetter werden nicht weniger"

Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) macht unter anderem den Klimawandel für die extremen Niederschläge in Berlin vergangene Woche verantwortlich. Er mahnte im Dlf, Maßnahmen zu ergreifen, die den Klimawandel reduzieren - auch als Privatperson.

Peter Hoffmann im Gespräch mit Jule Reimer | 03.07.2017
    Eine Frau mit Regenschirm geht am 29.06.2017 bei starkem Regen über einen Platz im Stadtteil Charlottenburg in Berlin.
    Der starke Regen führte in Berlin zum Ausnahmezustand. (Rainer Jensen/dpa)
    Jule Reimer: Der Flughafen machte teils dicht, die S-Bahn fuhr mit Verspätung, die U-Bahnlinie neun gar nicht mehr, aus Autos konnte man kaum aussteigen, Berliner wateten knietief durchs Wasser. Das Unwetter über der Hauptstadt vom vergangenen Donnerstag war kein alltägliches und die Stadt brauchte über einen Tag, um sich wieder zu sortieren. Kurz vor dieser Sendung fragte ich Peter Hoffmann, Meteorologe, Wetterfachmann am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), ob er diesen Starkregen vom Donnerstag normal fand.
    Peter Hoffmann: Die Niederschläge von Berlin letzten Donnerstag, die waren nicht normal. Da fiel innerhalb eines Tages so viel Niederschlag, was sonst innerhalb eines Monats fällt. Es wurden einige bisherige Rekorde überschritten, und das ist nicht normal.
    "Bereits jetzt haben wir gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter global ein Grad mehr"
    Reimer: Da fragen wir uns natürlich nach den Ursachen.
    Hoffmann: Zum einen ist die Ursache natürlich: Das Klima wandelt sich. Bereits jetzt haben wir gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter global ein Grad mehr, und das hat natürlich Folgen – Folgen dafür, dass die Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Und das heißt: Wenn Niederschläge fallen, dann können diese intensiver sein. Der zweite Punkt ist, dass sich auch die Zirkulation in der Atmosphäre ändert, speziell über Europa, und die Ursache dafür kann sein, dass sich die Atmosphäre nicht gleichmäßig erwärmt, sondern wir sehen, dass sich die Arktis zum Beispiel zweimal so stark erwärmt wie der Rest, und das verändert natürlich Windsysteme in der Atmosphäre, und die Windsysteme in der Atmosphäre formen quasi unsere Wetterlage über Europa. In den letzten Jahrzehnten sehen wir da eine Tendenz dahingehend, dass wir stärker mit zum einen Wetterlagen zu tun haben, die auf der einen Seite Starkregen begünstigen, und auf der anderen Seite längere Trocken- und Hitzephasen.
    Reimer: Müssen wir uns in ganz Deutschland auf solche Unwetter, Extremwetterlagen einrichten?
    Hoffmann: Die letzten Jahre haben ja gezeigt, wir haben es zum einen zu tun mit Hitzewellen wie 2015, mit neuen Hitzerekorden verbunden. Aber auch Monatsmittel können im Schnitt neue Rekorde erreichen. Und letztes Jahr 2016 hatten wir Starkniederschläge in Mitteldeutschland, verbunden mit Sturzfluten. Und dieses Jahr hat es Berlin getroffen. Prinzipiell ist keine Region in Deutschland sicher.
    "Maßnahmen ergreifen, um quasi den Klimawandel auch zu reduzieren"
    Reimer: Für Berlin hat ja Ihr Institut ein Konzept entwickelt, wie es sich auf diese Unwetter einstellen sollte. Was steht da drin?
    Hoffmann: Zumindest gibt es gewisse Anpassungsmaßnahmen und die müssen natürlich entsprechend der Entwicklung immer wieder neu justiert werden. Ein wichtiger Punkt ist, dass man Maßnahmen ergreift, um quasi den Klimawandel auch zu reduzieren.
    Reimer: Das heißt, man muss gegen den Klimawandel als solchen vorgehen, indem CO2, die Verbrennung von Erdöl, Gas und Kohle abgestellt wird. Haben Sie denn konkret einen Rat für Hausbesitzer, für Autobesitzer oder Gartenbesitzer eine Empfehlung?
    Hoffmann: Mobilität ist natürlich ein Faktor. Das heißt, man sollte schon öfter mal das Auto stehen lassen. Gerade im innerstädtischen Bereich macht es eigentlich keinen wirklichen Sinn, mit dem eigenen Auto zu fahren, das heißt, öfter öffentliche Verkehrsmittel zu verwenden. In ländlichen Regionen ist das schwieriger, da die Entfernungen weiter sind, aber für die Großstädte ist es eigentlich kein Muss, ein Auto zu verwenden.
    Reimer: Glauben Sie, dass Hausbesitzer sich auch auf höhere Kosten, Versicherungsprämien im Bereich Gebäudeschutz einstellen sollten?
    Hoffmann: Die Risiken durch Unwetter, ob Starkregen, Hagel, werden nicht weniger. Die werden eher zunehmen und demnach werden natürlich auch auf die Hausbesitzer höhere Kosten zukommen.
    "Wir sind in dem Bereich dazwischen und wir haben stärker mit den Extremen zu tun"
    Reimer: In Südeuropa sind solche Unwetter sowieso häufiger, auch schon in der Vergangenheit. Wird es dort noch schlimmer wahrscheinlich ausgehen?
    Hoffmann: Wir schauen dort zum Teil auch in Klimamodelle rein, um zu sehen, was sagen uns zum einen die Beobachtungsdaten jetzt und welche Aussagen können wir, sagen wir mal, bis zur Mitte des Jahrhunderts treffen. Da sieht man innerhalb Europas große Unterschiede, dass zum einen Südeuropa tendenziell mit mehr Trockenheit zu tun hat, vor allem in den Sommermonaten, und im Norden, Richtung Skandinavien, eher eine Niederschlagszunahme. Wir sind in dem Bereich dazwischen und wir haben stärker mit den Extremen zu tun, auf der einen Seite Trockenheit, längere Trockenphasen, gefolgt von Starkregen bis hin zu Überflutungen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.