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Klimawandel schadet deutschen Gewässern
Die Angst um den Dorsch

Eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag zu den Auswirkungen des Klimawandels auf deutsche Gewässer löste Unruhe aus. Die Antwort des Bundesumweltministeriums zeigt deutlich, wie viel auf dem Spiel steht. Die Temperatur in heimischen Gewässern steigt.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 14.06.2017
    Ein Hochseeangler nimmt auf einem Boot einen Dorsch aus. Im Hintergrund die Ostsee
    Stirbt der Dorsch bald den "Hitzetod"? (imago/ Frank Sorge)
    Zu viele Fischer, zu wenig Sauerstoff, und obendrein der Klimawandel: An der Ostsee haben die Schleswig-Holsteiner in diesen Tagen Angst um ihren Dorsch. In 50 bis 80 Jahren könnte er ausgestorben sein, so warnen Ozeanforscher aus Kiel. Die These vom "Hitzetod" des Dorsches ist unter Wissenschaftlern zwar umstritten. Doch Tatsache ist: Die Temperatur in heimischen Gewässern steigt, ob in der Ostsee oder in Seen und Flüssen. Das zeigt die Antwort des Bundesumweltministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion:
    "Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage auch deutlich gemacht, dass Fische vermehrtem Stress ausgesetzt sind aufgrund der Temperaturveränderungen, und da ist die Meldung mit dem Dorsch jetzt offensichtlich ein weiteres Indiz dafür", sagt Annalena Baerbock, Sprecherin für Klimapolitik der Grünen-Bundestagsfraktion.
    Mehr als 50 Prozent in schlechtem Zustand
    Die Grünen blicken in ihrer Anfrage auf sämtliche Oberflächen-Gewässer in Deutschland und fragen, wie es um die Seen und Flüsse hierzulande bestellt ist. Nicht gut, lautet die Antwort aus dem SPD-geführten Umweltministerium. Über 50 Prozent sind demnach in einem unbefriedigenden, beziehungsweise schlechten ökologischen Zustand. Anzeichen dafür sind zum Beispiel die sinkenden Fischbestände. Beispiel der Stechlinsee in Brandenburg. Er gilt als einer der saubersten Seen in Deutschland, allerdings ist seine Temperatur nach Berechnungen des Leibniz-Instituts für Gewässer-Ökologie in den letzten 50 Jahren um mindestens 1,4 Grad gestiegen.
    "Ich seh es definitiv als Warnzeichen an. 1,4 Grad, das hört sich erst einmal nicht viel an, das ist genauso, wie diese Zwei-Grad-Erderwärmung sich nach nicht viel anhört. Die Gewässer, die bestimmten Arten sind einfach auf andere Temperaturen angelegt", sagt Laura von Vittorelli vom Bund für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND. Die Expertin für Gewässerschutz vermisst konkrete Maßnahmen.
    Veränderungen der Wasserqualität nicht auf dem Schirm
    Und auch Grünen-Politikerin Annalena Baerbock wirft der Bundesregierung Schönfärberei vor: "Aus meiner Sicht ist es dramatisch, dass die Bundesregierung offensichtlich die Veränderungen auch der Wasserqualität im Hinblick auf den Klimawandel nicht wirklich auf dem Schirm hat und sagt: 'So drastisch sind die Auswirkungen eigentlich nicht'. Obwohl sie selber an anderer Stelle dann sagt, dass der ökologische Zustand mehr als der Hälfte aller Gewässer miserabel ist."
    Versäumnisse sieht Stephan Gabriel Haufe, Sprecher im Bundesumweltministerium, hingegen nicht. Haufe verweist auf die so genannte Deutsche Anpassungs-Strategie, mit der die Bundesregierung die Folgen des Klimawandels abfedern will:
    "Darin fällt eben auch die Beobachtung der Auswirkungen des Klimawandels. Wie wir uns in Deutschland an den Klimawandel anpassen, an höhere Temperaturen, an längere Hitzeperioden, auch an Hochwasser-Situationen. Dazu gehören sehr, sehr viele Bundesbehörden, die diese Strategie gemeinsam erarbeiten."
    Sauerstoffmangel und Stress bei Flora und Fauna
    Den Grünen reicht das als Antwort nicht. Tatsächlich listet das Umweltministerium selbst in seiner Antwort auf die kleine Anfrage verheerende ökologische Auswirkungen auf. Sie sind eine Folge der veränderten Ökosystem vor allem in Seen und Flüssen: Steigende Wassertemperaturen führen zum Beispiel zu Sauerstoffmangel und Stress bei Flora und Fauna, Krankheiten werden schneller übertragen und die Konzentration von Schadstoffen steigt. Annalena Baerbock fordert, schon ganz im Wahlkampf-Modus, eine andere Klimaschutz-Politik.
    "Wir müssen unsere CO2 Emissionen massiv reduzieren, raus aus der Kohle-Verstromung, eine andere Mobilität und auch eine andere Form der Landwirtschaft", sagt Grünen-Politikerin Annalena Baerbock.