Dienstag, 16. April 2024

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Klimawandel und Gruppendynamik
"Es ist ein Konflikt in den Köpfen"

Fakten allein können den erbitterten Streit zwischen Klimaskeptikern und Klimaschützer nicht schlichten, erklärte der niederländische Sozialwissenschaftler Tom Postmes im DLF. Er untersuchte die gruppendynamischen Prozesse, die beide Lager prägen und den Dialog zwischen ihnen behindern.

Tom Postmes in Gespräch mit Ralf Krauter | 03.02.2015
    Ein Kohlekraftwerk in der Nähe das Capitols in Washington
    Auch im US-Senat treffen Klimaskeptiker und Klimaschützer aufeinander. (dpa / picture-alliance / Matthew Cavanaugh)
    Ralf Krauter: 97 Prozent aller wissenschaftlichen Publikationen zum Klimawandel, kommen zu dem Schluss, dass der Mensch zur Erderwärmung beiträgt. Aber nicht mal einer von zwei US-Amerikanern teilt diese Auffassung. Vermutlich ist das einer der Gründe dafür, dass der Streit zwischen Klimaschützern und Klimaskeptikern nirgends so erbittert ausgetragen wird, wie in den USA. Einer Studie heute im Fachmagazin "Nature Climate Change" zufolge, könnten gruppendynamische Prozesse schuld daran sein, dass sich die Fronten so verhärtet haben. Der Sozialwissenschaftler Professor Tom Postmes von der Universität Groningen, hat einen einordnenden Artikel zur Arbeit seiner Kollegen geschrieben. Ich habe ihn gefragt, welche neuen Einsichten die aktuelle Studie bietet.
    Tom Postmes: Die Studie zeigt, dass Menschen, die den Klimawandel infrage stellen, dies nicht nur aus eigener Überzeugung tun, sondern auch, weil sie glauben, es gibt da eine Gruppe ähnlich denkender Menschen, die ebenfalls Zweifel haben. Im Prinzip wussten wir das schon, aber dieser kollektive, gruppendynamische Aspekt hat bislang kaum Aufmerksamkeit erhalten.
    Interessanterweise belegt die Analyse auch, dass für jene Menschen, die den Klimawandel für ein ernstes Problem halten, genau dasselbe gilt. Auch die sehen sich als Teil einer Gruppe, die eine Art Kampf gegen die Skeptiker führt.
    Krauter: Heißt das: Sowohl die Klimaskeptiker als auch die Klimaschützer sehen sich als Teil einer sozialen Bewegung?
    Postmes: Ja, genau. Und zwar als Teil einer sozialen Bewegung, die klare Vorstellungen davon hat, was richtig und gerecht ist - und warum der Gegner falsch liegt. Insbesondere bei den Klimaschützern gibt es klare Zeichen von Wut, dass die Klimaskeptiker Fortschritte auf dem Weg behindern. Und das sorgt natürlich für Spannung zwischen den Gruppen, die in den USA besonders stark ausgeprägt ist.
    "Wir ziehen in die Schlacht und werden es unserem Gegner schon zeigen"
    Krauter: In ihrem kommentierenden Artikel schreiben Sie: "Klimaschützer und Klimaskeptiker sind Mitglieder zweier gegnerischer Parteien in einem Konflikt." Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?
    Postmes: Es ist ein Konflikt in den Köpfen. Die Beteiligten beider Seiten glauben: Wir ziehen in die Schlacht und werden es unserem Gegner schon zeigen. In den USA laufen die Fronten dieses Gefechts natürlich oft auch parallel zu den Grabenkämpfen der beiden Parteien. Mein Rat wäre deshalb: Wenn wir beim Klimaschutz vorankommen wollen, müssen wir Mittel und Wege finden, den Streit zwischen diesen gegnerischen Lagern zu schlichten.
    Krauter: Bedeutet das, die Strategie, die Klimaskeptiker mit wissenschaftlichen Fakten zu überzeugen, ist der falsche Ansatz?
    Postmes: Viele Studien haben gezeigt, dass es nicht reicht, Fakten zu liefern. Diese Untersuchung jetzt könnte erklären, warum das so ist. Denn wenn eine Seite bestimmte Informationen zur Verfügung stellt, dann denken die Mitglieder der anderen Seite automatisch: Das ist doch alles Propaganda - und nicht vertrauenswürdig. Dieses Lagerdenken erklärt sehr gut, warum die Fakten, die Wissenschaftler zum Klimawandel präsentieren, mitunter als wenig überzeugend angesehen werden.
    "Mehr Dialog könnte den Fortschritt erleichtern"
    Andererseits erklärt es auch, warum die Zweifel der Klimaskeptiker auf der anderen Seite selten Gehör finden. Um Abhilfe zu schaffen, müssten die Mitglieder beider Konfliktparteien differenzierter argumentieren. Nicht jeder Wissenschaftler glaubt alles, was Zeitungen über den Klimawandel schreiben. Es gibt da eine Menge Nuancen. Und ich glaube, es könnte den Dialog befördern, wenn man das deutlicher kommuniziert. Bei den Klimaskeptikern ist es dasselbe: Deren Zweifel haben teils ganz unterschiedliche Ursachen, das ist keine uniforme Gruppe. Deshalb denke ich: Mehr Dialog könnte den Fortschritt erleichtern.
    Krauter: Sie raten also, das Schwarz-weiß-Denken hinter sich zu lassen?
    Postmes: Ja, auf jeden Fall. Dieses Schwarz-weiß-Denken der beiden Lager ist in den USA sehr ausgeprägt und offensichtlich. Aber selbst in den Niederlanden, wo ich lebe, oder in Deutschland hört man manchmal ganz ähnliche Argumente, wie sie in den USA oder Australien üblich sind. Es ist sehr wichtig zu verhindern, dass dieses Lagerdenken sich ausbreitet. Denn es hilft uns nicht weiter.
    Krauter: Wie bewerten Sie die Entscheidung des US-Senats, der bei einer Abstimmung vor wenigen Tagen zu dem Schluss kam: Ja, den Klimawandel gibt es. Der sich aber zugleich nicht darauf einigen konnte, zu sagen: Ja, er wird durch Menschen verursacht.
    Postmes: Ich bedauere die Entscheidung des US-Senats. Aber ich bedauere auch, dass Wissenschaft für politische Zwecke instrumentalisiert wird. Und ich hoffe, wir finden einen Weg, das zu ändern. Parteipolitische Ansichten und Fakten zur Erderwärmung haben nichts miteinander zu tun. Aber in den Köpfen der Menschen sind sie miteinander verbunden - uns es wird schwer sein, diese Verbindung wieder zu lösen.