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Klimawandel
"Wir müssen lernen, vorausschauend zu wirtschaften"

Um den Klimawandel zu begrenzen, seien klare Ziele notwendig, nur dann könne man auch Maßnahmen umsetzen, erklärt der WBGU-Vorsitzende Dirk Messner im Deutschlandfunk. Vor allem gehe es darum, vorausschauend zu wirtschaften und weltweit die Kräfte für den Klimaschutz zu bündeln.

Dirk Messner im Gespräch mit Stefan Römermann | 05.06.2014
    Eine beleuchtete Weltkugel (Globus) mit Blick auf Afrika und Europa.
    Der Klimawandel trifft vor allem die Schwellen- und Entwicklungsländer. (picture alliance / dpa - Caroline Seidel)
    Stefan Römermann: Wie lässt sich der Klimawandel auf ein erträgliches Maß begrenzen? Das ist momentan eine der ganz zentralen Fragen der Weltpolitik. Die UN-Generalversammlung soll dafür in den nächsten Monaten Entwicklungsziele erarbeiten, die dann bis Herbst 2015 verabschiedet werden sollen.
    Gestern Abend hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Umweltfragen seine Empfehlungen dazu vorgelegt. Beispiele darin sind dann etwa, dass die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzt werden soll, dass die Versauerung der Ozeane gestoppt werden soll und die biologische Vielfalt erhalten werden soll. Das klingt alles sehr, sehr nachvollziehbar. Vor der Sendung habe ich deshalb den Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats, Dirk Messner, gefragt, ob wir nicht besser über konkrete Maßnahmen gegen den Klimawandel reden müssten.
    Keine Maßnahmen ohne Zielsetzung
    Dirk Messner: Ja, man braucht beides. Damit man Maßnahmen in Gang setzt, muss man sich vorher ein Ziel gesetzt haben, und wir beobachten, dass bei den internationalen Verhandlungen im Augenblick zu den globalen Entwicklungszielen diese Leitplanken, von denen wir sprechen, die Leitplanken des Erdsystems, eher nicht im Zielsystem landen werden. Und hier geht es nicht nur um den Klimawandel.
    Ich will Ihnen drei Beispiele nennen. Wir haben den Klimawandel natürlich als zentrales Ziel, das eingehalten werden muss. Zwei Grad globale Erwärmung sollte nicht überschritten werden. Wir weisen aber auch darauf hin, dass landwirtschaftliche Flächen weltweit immer stärker erodieren und zerstört werden und dieser Prozess gestoppt werden muss, damit wir globale Ernährungssicherheit sichern können. Und wir verweisen darauf, dass wir in kurzer Zeit einen Peak Phosphor erleben werden, also den Höhepunkt des Phosphor-Abbaus. Das ist ein nicht substituierbarer Rohstoff, den wir brauchen für die Landwirtschaft. Wir müssen lernen, wie man Phosphor in einen Kreislauf führt. Dafür haben wir bisher noch keine technologischen Lösungen. Wenn wir uns diese Ziele nicht setzen, die Probleme nicht benennen, dann werden wir auch keine Maßnahmen umsetzen können.
    In dem Papier machen wir beides. Wir sagen, wo die kritischen Schwellenwerte sind, an denen wir das Erdsystem zu destabilisieren drohen, und wir zeigen auch auf, was zu tun wäre, damit man die Probleme lösen kann.
    Römermann: Nur haben gerade die Entwicklungs- und Schwellenländer bisher relativ wenig Interesse an konkreten Klimazielen gezeigt, und das scheint ja auch ein bisschen unfair, dass man denen jetzt beispielsweise vorschreibt, dass sie den Verbrauch von billiger Kohle stark begrenzen sollen. In Ihrem Bericht haben Sie jetzt nun geschrieben, dass gerade solche Länder aber auch ein ganz großes Interesse am Klimaschutz haben müssen. Warum?
    Kräfte bündeln für den Klimaschutz
    Messner: Ja. Wenn man sich Länder anschaut wie China und Indien – das gilt in viel stärkerem Ausmaß noch für die afrikanischen Länder -, dann ist in diesen Ländern völlig klar, dass die Auswirkungen beispielsweise des Klimawandels dort viel drastischer ausfallen werden als bei uns hier in Europa. Deswegen gibt es durchaus eigene Interessen, in diesem Bereich was zu tun, und wir sollten diese Länder deswegen auch dabei unterstützen, in diese Richtung zu gehen. China ist, was Klimaverträglichkeit, Innovationen und Investitionen angeht, im Augenblick der wichtigste Akteur weltweit, dicht gefolgt von der Bundesrepublik Deutschland. Das ist unser wichtigster Wettbewerber, auch unser wichtigster Kooperationspartner in diesem Feld der Umsetzung von klimaverträglichen Geschäftsmodellen für die Weltwirtschaft, und da sollten wir unsere Anstrengungen verstärken, die Kräfte zu bündeln.
    Römermann: Gibt es denn da tatsächlich auch Anzeichen für einen Bewusstseinswandel in diesen Ländern?
    Messner: Ja. Ich beobachte in den letzten zehn Jahren da wichtige Veränderungen in fast allen Schwellenländern, und Indien und China will ich mal hier als Paradebeispiele nennen, weil das ja immerhin drei Milliarden Menschen ausmacht in der Weltwirtschaft. In diesen beiden Ländern war der wesentliche Diskurs noch vor zehn Jahren, all diese Probleme, vom Klimawandel über die Zerstörung der Agrarflächen weltweit, die Einleitung gefährlicher Emissionen in unsere Meere, das sind Probleme, die die Industrieländer verursacht haben, deswegen sollen die Industrieländer sie gefälligst auch lösen, und wir Entwicklungsländer können dann irgendwann auf diesem Pfad folgen. Diese Diskussion hat sich stark verändert. Die Länder haben eine Diskussion in die Richtung, dass sie auch selbst starke Eigenanstrengungen unternehmen müssen, und sie gehen auch sukzessive diesen Pfad.
    Vorrausschauend wirtschaften, Folgekosten vermeiden
    Römermann: In Deutschland wird sehr viel über die Kosten der Energiewende diskutiert und vor allem, wer die bezahlen soll. Das ist eine relativ teure Angelegenheit. Können sich das denn die Entwicklungs- und Schwellenländer überhaupt leisten, in solche Klimaziele zu investieren?
    Messner: China kann sich das leisten, denn China verfügt über große Devisenreserven. Da braucht man keine finanzielle Unterstützung. Für viele arme Entwicklungsländer sind wir ja im Augenblick in den OECD-Ländern, in den reichen Ländern dabei, einen globalen Klimafonds aufzubauen. In den sollen 100 Milliarden Euro eingezahlt werden, um Länder dabei zu unterstützen, in Richtung Klimaverträglichkeit ihre Energie- und Stadtsysteme umzubauen. Diese Länder brauchen finanzielle und technologische Unterstützung dabei.
    Wichtig ist aber auch: Wenn wir diese Maßnahmen nicht einleiten, so werden die Folgekosten des Klimawandels in der Zukunft viel höher ausfallen als die Investitionen, die wir jetzt tätigen müssten, um diese Probleme zu vermeiden. Wir müssen also lernen, vorausschauend zu wirtschaften.
    Römermann: Dirk Messner war das, der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.