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Lautsprecher aus Papier

Lautsprecherboxen werden immer kleiner - in Chemnitz sind sie flach wie Papier. Denn genau darauf drucken Forscher der dortigen TU Lautsprecher. Nun wollen sie den Massenmarkt für Fotobücher und Verpackungen – fängt nun bald um uns herum alles zu reden an?

Von Bastian Brandau | 05.07.2017
    Ein kleiner Folienlautsprecher in freier Wildbahn (Bild: Georg Schmidt)
    So klein kann ein Lautsprecher sein (Georg Schmidt)
    In seinem Büro an der TU Chemnitz blättert Georg Schmidt im Bildband des Instituts für Print- und Medientechnik zum World Press Photo Wettbewerb 2015. Zu sehen ist das Foto eines verletzten Demonstranten während der Majdan-Proteste 2014. Ein anderes Siegerfoto zeigt einen verängstigten Zirkusaffen in China.
    "Das Buch enthält also neben den Lautsprecherseiten, hier, in dem Fall ist ja wirklich jede Seite ein Lautsprecher, ist noch ein Sensor integriert, wo direkt detektiert wird, dass die Seite gerade offen ist, welche Seite gerade offen ist und entsprechend dem dann das Audiofile zuordnet und die richtige Musik abspielt, zum richtigen Zeitpunkt", sagt Georg Schmidt.
    "Richtig schwer und klobig"
    Und eröffnet so dem Betrachter mit Musik, Geräuschen oder Texten eine weitere Dimension des Bildes, wie man sie sonst von Ausstellungen kennt. Je nach Neigung ändert sich der Klang der Seite, die, weil sie eben selbst der Lautsprecher ist, spürbar vibriert.
    "Die Elektronik, die steckt ja jetzt hier in dem Buchdeckel, in dem Buchrücken, ist sehr, sehr stark noch, ein Zentimeter circa, noch ein bisschen mehr. Ist richtig schwer das Ganze, klobig, unhandlich. Und das ist dann natürlich genauso ein Thema, das dann natürlich stark zu verbessern und einfach einem ganz normalen Buch ähnlich zu machen", erklärt Schmidt.
    "Piezo" schwingt im elektrischen Feld
    Das ist das erklärte Ziel des gerade angelaufenen Forschungsprojekts, das vom Bundesministerium für Forschung und Wissenschaft in den kommenden drei Jahren 1,3 Millionen Euro bekommt: irgendwann die Massenproduktion von Papierlautsprechern zu ermöglichen. Die Funktionsweise bleibt - normales Papier wird mit zwei Schichten eines leitfähigen organischen Polymers bedruckt, also einem Stoff, der aus sich wiederholenden chemischen Verbindungen besteht.
    "Und dazwischen bringt man dieses piezoelektrische Material auf. Mittels Druckverfahren. Und 'piezo' bedeutet, dass wenn wir jetzt eine Spannung anlegen an die zwei Elektroden, das heißt, ein elektrisches Feld erzeugen zwischen den zwei Elektroden und das in dem Fall dem Tonsignal einer Audiodatei entspricht, dann beginnt dieses Piezomaterial, sich auszudehnen und zusammenzuziehen und dadurch kann eine Schwingung entstehen."
    Die dann als Ton hörbar wird. Anstatt einzeln Bogen für Bogen angefertigt, soll Lautsprecherpapier in Zukunft von der Rolle kommen. Auch Elektronik wie die Chips sollen irgendwann gedruckt werden. Neben Fotobüchern für den Massenmarkt seien weitere Anwendungen denkbar, etwa, wenn sich der Beipackzettel eines Medikaments selbst vorliest oder ein Buch auch Blinden zugänglich gemacht wird. Denkbar sind sprechende Verpackungen, sprechende Poster oder sogar sprechende Wasserflaschen. Verpackungen könnten melden, wenn etwa die Kühlkette unterbrochen wird. Denn umgekehrt kann Lautsprecherpapier auch als Sensor funktionieren.
    "Das sind nicht unbedingt Bassboxen"
    Bleibt die Frage: Werden wir auch Musik bald nur noch vom Papier hören? Georg Schmidt schränkt ein:
    "Also zunächst würde ich sagen, das Küchenradio schlägt es ganz locker. Wenn man es sich natürlich genau mal anschaut und mal so einen Frequenzgang aufnimmt von so einem Lautsprecher, wird man feststellen, dass das nicht unbedingt Bassboxen sind. Das ist aber letztendlich auch ein Stück weit systembedingt und hat jetzt weniger mit gedruckter Elektronik zu tun. Tiefe Frequenzen werden mit diesem System einfach schwach wiedergegeben. Insofern muss man dann schauen, was man damit wirklich wiedergeben möchte. Aber im oberen und mittleren Frequenzbereich arbeiten die sehr gut und entsprechend kann man es durchaus auch für Musikwiedergaben verwenden."
    Was am Institut für Print- und Medientechnik auch schon seit mehreren Jahren getan wird. Mit einem wissenschaftlichen Poster sind die Chemnitzer auf Kongressen unterwegs. Die beiden mit Baummotiven dekorierten A-3 Blätter lesen aber nicht etwa die Funktionsweise des Lautsprechers oder die entsprechenden Formeln vor. Georg Schmidt wählt aus einer Reihe von Liedern aus seinem Laptop:
    "Let me entertain you"