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Klinz: Spanien kann EU-Bedingungen nicht nachverhandeln

Wolf Klinz, EU-Abgeordneter der FDP, sagt, dass unterschiedliche Ausprägungen des Eurorettungsfonds die Märkte nicht beruhigen. Spanien könne daher mit der EU nicht Sonderkonditionen für die Gelder aus dem Rettungsfonds aushandeln. Dieses führe zu "Gezancke und Geschacher", so Klinz weiter.

Wolf Klinz im Gespräch mit Bettina Klein | 12.06.2012
    Bettina Klein: Und wir schauen in den kommenden Minuten noch einmal auf die Szenarien bei der Eurosanierung. Die EU-Kommission gab sich gleich überzeugt, die Hilfen für spanische Banken waren zwingend und richtig. Schaut man auf die Reaktionen der Börsen, dann wachsen wo möglich Zweifel.
    Am Telefon begrüße ich Wolf Klinz, Europaabgeordneter der FDP, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Guten Morgen, Herr Klinz.

    Wolf Klinz: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Die Märkte bleiben skeptisch. Für Sie ein Grund, an dem Sinn der Milliardenhilfen für spanische Banken zu zweifeln?

    Klinz: Nein. Ich glaube, das ist schon das richtige Vorgehen, jetzt für Entlastung zu sorgen, denn sonst bleibt Spanien ein Land der Unsicherheit, und das können wir uns nicht leisten, weil Spanien natürlich von seiner Größe her schon ein ordentliches Gewicht mit sich bringt. Also das Vorgehen ist grundsätzlich richtig. Ich bezweifele allerdings, dass es wirklich dieser Befreiungsschlag ist, den wir dringend brauchen.

    Klein: Also ein Signal an die Märkte zu geben, das wurde ja durchaus als ein Argument genannt, und wenn man danach urteilt, dann war es ein Fehlschlag.

    Klinz: Ich weiß nicht, ob ich so weit gehen würde, denn die Märkte haben ja positiv reagiert.

    Klein: Zunächst mal.

    Klinz: Ja, zunächst mal. Sie haben dann nachgelassen, aber sie sind ja nicht gravierend ins Minus gerutscht. Also ich würde nicht so weit gehen zu sagen, das ist ein Fehlschlag. Aber es zeigt eines: Einfach die Ankündigung an sich reicht heute nicht aus. Die Märkte wollen tatsächlich belastbare Fakten sehen. Und was wir hier haben, ist eine Absichtserklärung. Gleichzeitig hören wir, dass Spanien hofft, gewissermaßen Sonderkonditionen aushandeln zu können; schon meldet sich Griechenland und sagt, wir wollen auch nachverhandeln, uns erscheinen die Konditionen, unter denen wir Geld bekommen haben, nicht fair im Vergleich zu Spanien, und so wird aus einer guten Absicht nachher ein Gehacke und Gezanke und ein Geschacher, und das ist nicht das, was die Märkte haben wollen.

    Klein: In der Tat, Sie haben es jetzt schon angesprochen: Die Griechen fordern jetzt auch spanische Sparkonditionen für sich. Sie haben da aufmerksam zugehört offensichtlich und fordern neue Verhandlungen für das eigene Milliardenpaket und ähnliche Bedingungen wie Spanien. Darf die EU an der Stelle mit sich verhandeln lassen?

    Klinz: Nein. Ich finde, die EU muss jetzt tatsächlich einen klaren Kurs fahren, und das, was abgemacht worden ist, muss eingehalten werden von beiden Seiten, und wir können uns nicht darauf einlassen, jede Woche wiederum von vorne anzufangen. Das ist genau das, was die Märkte in keinster Weise beruhigt. Abgesehen davon fürchte ich allerdings, dass eben alle diese Maßnahmen, so hilfreich sie kurzfristig sein mögen, das eigentliche Problem nicht lösen helfen. Wir brauchen wirklich den großen Befreiungsschlag, und der sieht anders aus.

    Klein: Und Sie sagen uns kurz, wie er aussieht?

    Klinz: Na ja. Also ich persönlich bin der Meinung, dass das, was der Rat der Weisen der Bundesregierung im letzten Herbst vorgeschlagen hat, an sich der richtige Ansatz wäre, nämlich zu sagen, wir wollen einen Teil der Schulden der einzelnen Mitgliedsstaaten der Eurozone, und zwar den Teil, der 60 Prozent des Bruttosozialproduktes übersteigt, den wollen wir in einen Schuldentilgungsfonds einbringen, für den alle gemeinsam und jeder für sich getrennt haften, und diesen Schuldentilgungsfonds wollen wir über einen Zeitraum von 25 Jahren dann zurückführen auf null. Das würde zwar eine Solidarhaftung mit sich bringen, etwas was wir in Deutschland ja gar nicht wollen, aus verständlichen Gründen. Gleichzeitig aber begrenzt es diese Haftung sowohl zeitlich wie auch volumenmäßig, und das würde, glaube ich, die Märkte sehr viel mehr beeindrucken, weil dann wäre einmal für einen Zeitraum von 25 Jahren klar, dass das zu viel an Schulden, nämlich das, was 60 Prozent laut Maastricht übersteigt, dass wir das dann abbauen in diesem Zeitraum.

    Klein: Herr Klinz, Sie fordern einen Befreiungsschlag, gegen den, wenn Sie den Schuldentilgungsfonds meinen, es ja erhebliche politische Widerstände in Europa gibt und soweit ich mich erinnere durchaus auch aus Ihrer Partei. Das heißt, ein Befreiungsschlag, den es nicht geben wird?

    Klinz: Na ich weiß nicht, ob ich so weit gehen würde. Es gibt erhebliche Bedenken gegen Eurobonds, und dagegen bin ich auch, denn Eurobonds wäre die Vergemeinschaftung von Schulden ohne Begrenzung der Zeit nach und ohne Begrenzung des Volumens nach. Das wäre gewissermaßen ein neues Instrument, was dann als Infinitum auf eine Gemeinschaftshaftung hinausliefe. Das möchte ich auch nicht. Deswegen halte ich diesen Schuldentilgungsfonds auch für den besseren Ansatz, weil der eben zeitlich und auch volumenmäßig begrenzt ist. Ich bin nicht dafür, dass wir Eurobonds einführen und damit gewissermaßen sagen, die die gut wirtschaften, die verpflichten sich, die Sünder gewissermaßen immer wieder rauszupauken.

    Klein: Weshalb haben wir diesen Befreiungsschlag noch nicht?

    Klinz: Ja weil es natürlich schon ein Umdenken ist, und es ist, wie Sie es ja angedeutet haben, in der Tat auch eine gewisse Gemeinschaftshaftung zumindest auf Zeit, und das ist schwierig. Ich bedauere nur, dass dieser Vorschlag gar nicht wirklich auf der Agenda steht. Sie sagten vorhin, da gibt es erhebliche Widerstände und auch in meiner Partei. Ich habe den Eindruck, dass dieses Vorgehen oder dieser Vorschlag des Rats der Weisen noch gar nicht richtig gründlich diskutiert worden ist.

    Klein: Das heißt, das ist jetzt ein Appell an die Bundeskanzlerin, sozusagen das auf Wiedervorlage zu bringen?

    Klinz: Also ich würde mich freuen, wenn in der Tat auch die deutsche Bundesregierung sich intensiv damit beschäftigt, um dann abschließend positiv, wie ich hoffe, oder negativ zu entscheiden. Zumindest hätten wir dann Klarheit und nicht die wage Hoffnung, vielleicht kommt so etwas doch noch. Die Märkte wollen Sicherheit. Das wäre allerdings ein großer Befreiungsschlag, denn es würde ein Volumen von 2,3 Billionen betreffen, ein großer Betrag, bei dem aber auch Deutschland, das ja inzwischen auch schon mit 81 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldet ist, bei dem Deutschland auch weit über 500 Milliarden einbringen würde.

    Klein: Der US-Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Paul Stieglitz sprach gestern von Voodoo-Ökonomie, die im Grunde davon geleitet wird zu versuchen, mit symbolischen Handlungen die Märkte zu beruhigen. Nach dem, was wir an Strohfeuer gesehen haben, muss man sagen, da hat er Recht, Voodoo-Ökonomie ist das, was im Augenblick passiert?

    Klinz: Ja so ganz kann man das nicht leugnen, das ist richtig. Allerdings bin ich vorsichtig, wenn es hier um Ratschläge geht, die aus dem amerikanischen Raum kommen, und egal, ob es sich um einen Nobelpreisträger handelt oder nicht. In der Regel schlagen die uns einfach vor, einfach noch mehr Schulden zu machen. Also Stieglitz und auch Krugman und so weiter gehören ja zur Gruppe derer, die einfach sagen, die Europäische Zentralbank soll die Schleusen aufmachen, soll einfach die Gelddruckmaschine beschleunigen und dann haben wir genug Geld, um die Schulden auch zu zahlen oder zumindest einen großen Teil davon, und das ist für mich vielleicht keine Voodoo-Ökonomie, aber es ist mit Sicherheit der Ansatz, der dazu führt, dass wir in wenigen Jahren eine erhebliche Inflation haben werden.

    Klein: Wolf Klinz, Europaabgeordneter der FDP, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Klinz.

    Klinz: Danke Ihnen, schönen Tag.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.