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Klischees am Arbeitsplatz
"Frauen können diese Vorurteile verinnerlichen"

Für die gängigen Vorurteile gegenüber berufstätigen Frauen gebe es keinerlei wissenschaftliche Beweise, sagte Hannes Zacher, Arbeitspsychologe an der Uni Leipzig, im DLF. Sie hätten aber trotzdem eine große Wirkung. Bei einigen Frauen könnten sie sogar zu einem Leistungsabfall führen.

Hannes Zacher im Gespräch mit Michael Böddeker | 08.03.2017
    Eine Geschäftsfrau telefoniert, während sie am Computer arbeitet.
    Es existieren noch imme viele Vorurteile gegenüber berufstätigen Frauen. (dpa / picture-alliance / Patrick Pleul)
    Hannes Zacher: Eines der gängigsten Vorurteile, das leider immer noch existiert, ist, dass Frauen weniger durchsetzungsfähig sind, und deswegen wird ihnen auch eine mangelnde Führungskompetenz zugeschrieben. Das kommt auch häufig daher, dass bei Frauen noch häufig daran gedacht wird, dass sie Beruf und Familie in Einklang bringen müssen, was weniger auf Männer attribuiert wird. Und das hängt dann eben mit dieser mangelnden Durchsetzungsfähigkeit, einem mangelnden Fokus auf die Arbeit an sich, und mangelnder Führungskompetenz, die zugeschrieben wird, zusammen. Aber dafür gibt es keinerlei wissenschaftliche Beweise.
    "Es kann dazu führen, dass Frauen sich bedroht fühlen"
    Böddeker: Wozu führen denn diese Zuschreibungen, von denen sie gesprochen haben, bei den Frauen selbst, die in Führungspositionen sind?
    Zacher: Auf der einen Seite können Vorurteile natürlich zu diskriminierendem Verhalten vonseiten von Kollegen, Vorgesetzten führen. Da können Frauen gegen vorgehen, das ist auch verboten. Es kann natürlich aber auch dazu führen, dass Frauen diese Vorurteile verinnerlichen und sich durch diese Vorurteile bedroht fühlen, selbst wenn die Vorurteile in ihrem unmittelbaren Umfeld gar nicht existieren. Es muss kein diskriminierendes Verhalten am Arbeitsplatz vorliegen, aber Frauen können diese Vorurteile trotzdem verinnerlichen, sich bedroht fühlen, und das kann dann auch zu einem Leistungsabfall führen.
    Böddeker: Und kann es auch zu Gegenreaktionen führen, dazu, dass die Frauen noch mehr das Gefühl haben, sie müssen sich jetzt behaupten? Oder führt es eher zum Gegenteil?
    Zacher: Es kann zu beidem kommen. Es kann zu einem Rückzug bei der Arbeit führen, es kann aber auch zu so einer Überkompensation führen, dass Frauen auch ihre weibliche Identität von der Arbeit abspalten und sich noch stärker anstrengen, um diese Vorurteile zu widerlegen.
    Böddeker: Das heißt zum Beispiel auch, dass Sie vielleicht, das haben Sie so beschrieben, verheimlichen, dass sie überhaupt Kinder haben.
    Zacher: Zum Beispiel. Oder es kann dazu führen, dass sie familienfreundliche Angebote von Unternehmen nicht in Anspruch nehmen, weil ihnen das als Schwäche ausgelegt werden könnte. Deswegen haben wir in unserer Forschung gesagt, dass familienfreundliche Angebote von Familien häufig gar nicht von Familien als so freundlich wahrgenommen werden, weil es eben gerade für Frauen ihnen ausgelegt werden könnte, dass sie diese Hilfe auch brauchen. Das könnte ihnen als Schwäche ausgelegt werden.
    Böddeker: Das ist ein Teufelskreis sozusagen. Wie kann man das denn beheben?
    Zacher: Wichtig ist, dass Unternehmen betonen, dass familienfreundliche Maßnahmen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten, also auch explizit für Männer. Da ist es wichtig, immer auf die individuellen Situationen, auf die individuellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schauen und nicht zu generalisieren über soziale Gruppen hinweg.
    Böddeker: Haben sich die Vorurteile über Frauen auch im Laufe der Zeit verändert, im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte?
    Zacher: Ja. Vorurteile sind sehr stark durch gesellschaftliche Faktoren geprägt. Wir haben jetzt eine weibliche Bundeskanzlerin beispielsweise. Die Vorurteile gegenüber Frauen haben abgenommen, einfach auch dadurch, dass mehr Frauen jetzt im Berufsleben stehen. Und wir wissen aus der psychologischen Forschung, dass gerade der Kontakt mit den Betroffenen, mit unterschiedlichen sozialen Gruppen auch dazu führt, dass Vorurteile abgebaut werden. Und gesellschaftlich hat sich da auch einiges getan.
    "Ich halte eine Quote für wichtig"
    Böddeker: Gäbe es auch politische Maßnahmen, um die Situation von Frauen im Berufsleben zu verbessern?
    Zacher: Ich halte eine Quote zum Beispiel für wichtig, einfach, weil dadurch gezeigt wird, dass es für die Gesellschaft wichtig ist, dass Frauen in Führungspositionen kommen. Ob das dann langfristig so sein muss, darüber kann gestritten werden. Aber zunächst mal ist es wichtig, dass Frauen auch in Führungspositionen gebracht werden, weil sie eben dort auch als wichtige Rollenvorbilder dienen.
    Böddeker: Jetzt haben wir über Probleme von Frauen im Job gesprochen. Wir haben aber beide natürlich dazu keine Erfahrung aus erster Hand. Kann man diese ganzen Schwierigkeiten als Mann überhaupt richtig nachvollziehen, wenn man die gar nicht selbst erlebt?
    Zacher: Es ist schwierig auf jeden Fall. Es gibt aber natürlich auch Vorurteile, die Männer betreffen, beispielsweise wenn Sie als einziger männlicher Mitarbeiter in einem weiblichen Team arbeiten – das ist bei Psychologen häufig der Fall –, dann erleben Sie auch, dass sie bestimmte Vorurteile haben oder dass sie sich durch diese Stereotype bedroht fühlen. Aber es ist schwierig, sich in andere soziale Gruppen und ihre Erfahrungen reinzuversetzen.
    Böddeker: Aber wenn Sie sagen, unter Psychologen ist das so, dann heißt das, Sie können das auch selbst aus Ihrer Arbeit nachvollziehen? Sie sind als Mann in der Minderheit?
    Zacher: Ja, das ist ganz interessant. In der Psychologie studieren meistens Frauen. Ich denke, der Anteil von Frauen ist über 70, 80 Prozent. Aber interessanterweise verändert sich das in der Hierarchie. Unter den Professoren bei uns an der Uni Leipzig sind von zehn Professuren acht mit Männern besetzt. Das heißt, da dreht sich das Verhältnis dann um. Und das zeigt eben auch, dass gesellschaftlich noch viel getan werden muss.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.