Dienstag, 19. März 2024

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Klitz: Aussetzung des Atomprogramms ist kein Durchbruch

Es sei keine "absolut neue Haltung", dass Nordkorea einer Aussetzung seines Nuklearprogramms und einer Rückkehr von internationalen Inspekteuren zugestimmt habe, sagt Walter Klitz. Der Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul ist skeptisch, ob Nordkorea bereit sei "das Faustpfand Nuklearwaffe" aufzugeben.

Walter Klitz im Gespräch mit Sandra Schulz | 01.03.2012
    Sandra Schulz: Es waren die ersten Atomgespräche seit dem Tod von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-il. Zum Auftakt gab es gleich einen wichtigen Durchbruch, der wohl aber schon von längerer Hand vorbereitet war. Positive Reaktionen kommen aus Peking und aus Moskau, Pjöngjang hatte sich gestern bereit erklärt, seine umstrittene Urananreicherung auszusetzen, auch auf Atomtests will Nordkorea einstweilen verzichten. Im Gegenzug hat Washington Nahrungsmittel zugesagt.
    Wir wollen die Entwicklung weiter einordnen. Am Telefon begrüße ich Walter Klitz, er leitet die Friedrich-Naumann-Stiftung im südkoreanischen Seoul, kennt aber auch den Nachbarn Nordkorea aus mehreren Besuchen. Herr Klitz, guten Tag!

    Walter Klitz: Ich grüße Sie, Frau Schulz.

    Schulz: Wie ernst ist die Lage, oder wie schlecht die Versorgung mit Lebensmitteln, wenn Pjöngjang sich jetzt auf diesen Deal eingelassen hat?

    Klitz: Also es kann nicht alleine an der Lebensmittelsituation liegen, weil die Situation besser ist als im vergangenen Jahr, also im Jahr 2010. Die Ernte im Herbst 2011 war nicht schlecht.

    Schulz: Die Lage, sagen Sie, ist besser als im letzten Jahr. Aber sie bleibt trotzdem angespannt?

    Klitz: Ja sicher! Was die Versorgung anbelangt, hat Nordkorea - und das wissen wir seit Jahren - ein strukturelles Defizit, und es ist auf Hilfe von außerhalb angewiesen, wobei die Problematik noch weiter geht als nur der Mangel an Lebensmitteln. Es ist vor allen Dingen eine Frage auch der Unterernährung und der Mangelernährung der Bevölkerung, es ist eine Frage der Verteilung, es ist regional sehr unterschiedlich, und das staatliche Distributionssystem, das Verteilsystem, Verteilungssystem funktioniert nicht so, wie es eigentlich funktionieren müsste.

    Schulz: Sie sagen aber, das war jetzt nicht ausschlaggebend für die getroffenen Verabredungen. Zeichnet sich da eine neue Kompromissbereitschaft gen Westen ab?

    Klitz: So weit möchte ich eigentlich noch nicht gehen. Es ist ja keine absolut neue Haltung. Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, das ohne Zweifel, weil die Sprachlosigkeit der letzten Monate überwunden werden kann - ich bin also noch sehr, sehr vorsichtig in der Formulierung -, aber es ist sicherlich noch kein Durchbruch. Wenn man sich anguckt, was vereinbart worden ist, diese Moratorien, diese Aussetzung von Tests, ob das jetzt Langstreckentests von Raketen sind, oder die Aussetzung des Urananreicherungsprogrammes ist nicht neu, das hat es 1994 schon gegeben.

    Schulz: Was wäre denn ein Durchbruch?

    Klitz: Es ist zunächst einmal ein Durchbruch oder es ist wichtig, dass man zusammen miteinander spricht. Was mir in der Vereinbarung auffällt, sind eigentlich zwei Tatsachen. Die erste ist, was ich sehr begrüße, dass es wohl auch eine Vereinbarung gegeben hat, dass es Austauschprogramme zwischen Amerika und Nordkorea im kulturellen, im sportlichen und im Bildungsbereich geben soll. Was aber auch bei den beiden Erklärungen auffällt, dass Nordkorea seltsamerweise Bezug nimmt auf die Sechs-Parteien-Gespräche, aber in amerikanischen Erklärungen von den Sechs-Parteien-Gesprächen nicht die Rede ist.

    Schulz: Was folgern Sie daraus?

    Klitz: ... , dass man sich den letzten Durchbruch, eben die vollkommene Entnuklearisierung, dass man da noch nicht weit genug gekommen ist. Amerika erwartet ja - und das schon seit Jahren -, dass eine verifizierbare und dauerhafte Lösung der Entnuklearisierung angeboten wird von nordkoreanischer Seite, und Nordkorea scheint diesen Deal noch nicht bereit zu sein, machen zu wollen.

    Schulz: Wenn wir dabei bleiben, was jetzt offenbar erreicht wurde: Es sollen sogar Inspekteure der Atomenergieagentur IAEA ins Land gelassen werden. Können Sie sich das vorstellen?

    Klitz: Ich kann es mir vorstellen, aber warten wir mal ab: Die Einladung ist zwar jetzt auf dem Tisch. Ob es dann letztlich bei den direkten Kontakten - es gibt ja noch keine direkten Kontakte - seit Monaten gibt es keine direkten Kontakte zur Atomenergiebehörde. Mal abwarten, ob die direkten Kontakte aufgenommen werden.

    Schulz: Was lesen Sie von dieser Entwicklung jetzt ab, auch mit Blick auf den Machtwechsel, den es ja gegeben hat in Nordkorea?

    Klitz: Ich kann da wenig draus ableiten. Es ist eigentlich, es zeigt nur die Kontinuität des Systems in Nordkorea. Die Handschrift des jungen Mannes ist nicht erkennbar. Es ist erkennbar, dass diejenigen, die früher das Sagen hatten, hier auch die Hand geführt haben.

    Schulz: Und wie geht es jetzt weiter im, wenn man es so nennen will, Dialog mit Südkorea?

    Klitz: Ich weiß, dass Amerika auf Südkorea auch versucht, Druck auszuüben, dass Südkorea, die jetzige konservative Regierung hat ja eine Politik der Sprachlosigkeit mit Nordkorea betrieben, Stillstand der Rechtspflege seit mehreren Monaten, wenn nicht sogar Jahren. Südkorea wird auch im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen, denke ich, auf Nordkorea zugehen müssen.

    Schulz: Und dann ist auch das Stichwort Sechs-Parteien-Gespräche wieder aktuell?

    Klitz: Das bleibt abzuwarten. Wissen Sie, ich bin immer skeptisch. Das ist jetzt der dritte Anlauf bei den Sechs-Parteien-Gesprächen. Nordkorea hat dreimal die Sechs-Parteien-Gespräche verlassen beziehungsweise zweimal verlassen und hat sie jetzt zum dritten Mal aufgenommen. Ich bin skeptisch, dass Nordkorea bereit ist, das Faustpfand Nuklearwaffe aufzugeben.

    Schulz: Walter Klitz, der Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul und heute in den "Informationen am Mittag" hier im Deutschlandfunk. Danke schön.

    Klitz: Danke Ihnen auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.