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Klöckner fordert persönliche Haftung bei Veruntreuung von Steuergeldern

Am 27. März will sie Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz werden - und will bei illegaler Parteifinanzierung hart durchgreifen. Die hart sanktionierte CDU-Wahlkampffinanzierung von 2006 ist Julia Klöckner Lektion - und Wahlkampfthema zugleich.

Julia Klöckner im Gespräch mit Jürgen Liminski | 27.12.2010
    Jürgen Liminski: In genau drei Monaten werden in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz neue Landtage gewählt. Die Christdemokraten gehen hier schwere Gänge, vor allem der Wahlkampf der CDU in Rheinland-Pfalz ist überschattet von einem Finanzskandal, der am Tag vor Heiligabend mit dem Verdikt des Bundestagspräsidenten seinen vorläufigen Höhepunkt erlebte: Die CDU muss an den Bundestag eine Strafe von 1,2 Millionen Euro zahlen, das Dreifache des Betrages, um den sie nach einer Selbstanzeige Steuergelder veruntreut hat. Vorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz und Spitzenkandidatin dort ist Julia Klöckner, sie ist nun am Telefon. Guten Morgen, Frau Klöckner!

    Julia Klöckner: Hallo, guten Morgen, Herr Liminski!

    Liminski: Frau Klöckner – noch Lust auf Wahlkampf?

    Klöckner: Ja, natürlich. Die Gemeinde- und Kreisverbände bei uns in Rheinland-Pfalz, die haben einen eindeutigen Tenor, der heißt, jetzt erst recht, und deshalb sage ich auch: Was vor fünf Jahren geschehen ist unter der damaligen Fraktions- und Landesführung, das war nicht in Ordnung. Und wir haben jetzt binnen einer Woche reinen Tisch gemacht, und das hat übrigens die SPD nicht getan. Sie selbst hat ja einige Skandale auch an der Backe, von den dubiosen Geschäften mit ganz merkwürdigen Partnern beim Millionengrab am Nürburgring bis zum Justizminister, dem die Richter Verfassungsbruch auch bescheinigt haben.

    Liminski: Wir wollen hier über den reinen Tisch der CDU reden. Sie nennen aber ... Trotzdem mal: Sie nennen die SPD – der Eindruck entsteht, die ganze politische Klasse in Rheinland-Pfalz ist korrupt. Kennen Sie auch Leute mit weißer Weste?

    Klöckner: Natürlich kenne ich Leute mit weißer Weste, und zwar in allen Parteien. Da sind anständige Volksvertreter tätig, die für das Land und ihren Wahlkreis kämpfen, und deshalb bin ich ja auch so verärgert und empört, dass Einzelne mit ihren Machenschaften alles in Verruf bringen.

    Liminski: Sie haben Selbstanzeige erstattet, die kommt nun vom Parteifreund Lammert wie ein Boomerang zurück. Wo wollen Sie beziehungsweise die CDU das Geld herbekommen?

    Klöckner: Ich bin dankbar, dass Herr Lammert auch auf unseren Wunsch hin auch so schnell reagiert hat. Wir haben die Höhe so erwartet, und wir werden die Zahlungen auch aus eigenen Mitteln leisten. Wir haben vor einiger Zeit das Haus verkauft, wo der Landesverband drin ist, denn ich bin der Meinung, eine Partei muss nicht Vermieter sein, übrigens auch nicht beteiligt sein in irgendwelchen Verlagen und Medienkonsortien, wie das die SPD uns ... Ich bin der Meinung, Parteien müssen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, und wir haben das Haus verkauft, das sanierungsbedürftig war, sanierungswürdig war, und deshalb haben wir jetzt diese Reserve auch angreifen können. Aber der Wahlkampf wird davon nicht beeinträchtigt werden.

    Liminski: Zum reinen Tisch der CDU in Rheinland-Pfalz – die Staatsanwaltschaft ermittelt nun schon seit März dieses Jahres, der Landesrechnungshof seit zwei Jahren. Warum kam die Selbstanzeige erst jetzt?

    Klöckner: Christian Baldauf hat, als er damals die Fraktionsführung übernommen hat und Unregelmäßigkeiten entdeckte, sofort die Staatsanwaltschaft selbst eingeschaltet, Unterlagen übergeben und Herr Hebgen, der damalige Fraktionsgeschäftsführer, ist auch verurteilt worden, das heißt, die CDU ist ja selbst betrogen worden, weil Herr Hebgen in seine Tasche auch gewirtschaftet hat. Das war sehr problematisch und ist problematisch. Und wir haben jetzt neue Akteneinsichten bekommen, denn aufgrund von Hausdurchsuchungen gab es neue Akten, die uns nicht vorlagen. Im Oktober haben wir dann bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht beantragt, am Mittwoch vor einer Woche haben wir dann die Genehmigung dafür erhalten, und einen Tag später hat mein Generalsekretär erstmals Unterlagen in den Händen gehalten, aus denen dann das hervorging, nämlich: Das, was vor fünf Jahren geschehen ist, war nicht in Ordnung. Und wir haben dann binnen drei Tagen in Sitzungen und Telefonkonferenzen die Parteiführung informiert, auch die Öffentlichkeit umgehend informiert, und das war richtig so, und ich bin der Meinung, das gehört sich auch so.

    Liminski: Es gab aber schon einige Aussagen. Ihr Vor-Vorgänger hat eine eidesstattliche Versicherung sogar angeboten zu seinen Aussagen. Warum hat niemand dieses Angebot angenommen?

    Klöckner: Er hat wohl gegenüber dem Landesrechnungshof das angeboten, und da ich damals nicht in der Parteiführung war beziehungsweise ich mit ihm darüber überhaupt nicht gesprochen habe und mit ihm da auch keinen Kontakt habe, kann ich dazu gar nichts sagen. Der Landesrechnungshof, der ist da mit involviert.

    Liminski: Mehrere Zeitungen berichten, Frau Klöckner, die CDU habe in der Ära Böhr auch das Privatleben des politischen Gegners Beck ausschnüffeln lassen. Beck selber macht in seiner Autobiografie dazu einige Andeutungen. Ist da etwas dran?

    Klöckner: Also von Becks Andeutungen habe ich in der "Süddeutschen Zeitung" gelesen, von der haben dann andere abgeschrieben nach dem Motto, wer Geld falsch bucht, der macht auch so was. Ich persönlich kann mir so was nicht vorstellen und ich sage auch ganz klar: Man soll sich über Politisches streiten, nicht über Privates. Und mir persönlich ist völlig egal, ob ein Ministerpräsident mit seiner Frau zusammenlebt oder nicht zusammenlebt, und ich bin der Meinung, man soll sich auf das konzentrieren, wofür die Leute bezahlt werden, wir Politiker, nämlich auf unsere Arbeit.

    Liminski: Der Kopf Ihres Vor-Vorgängers ist quasi schon gerollt. Wird es weitere personelle Konsequenzen in Partei und Fraktion geben, vielleicht sogar geben müssen?

    Klöckner: Der ehemalige Fraktions- und Landesvorsitzende ist politische Geschichte, und sein hauptamtlicher Fraktionsgeschäftsführer Hebken ist auch Geschichte. Beide sind Fälle für die Justiz, sie sind auch die einzigen Beschuldigten, und dass ausgerechnet Hebken, der im Untersuchungsausschuss schweigt, jetzt gegenüber Journalisten mit dunklen Andeutungen gegen erwiesene Aufklärer antritt, das ist sehr infam.

    Liminski: Welche sachliche Konsequenz ziehen Sie aus dieser Affäre? Braucht man mehr Kontrollinstanzen?

    Klöckner: Ja, darüber denke ich in der Tat nach, Herr Liminski. Es müssen Mechanismen sein, die durch kriminelle Energie eben nicht so einfach ausgehebelt werden können. Transparenz muss da sein und es müssen auch meiner Meinung nach persönliche Haftungen da sein.

    Liminski: Immerhin wird die Partei in gewisser Weise rückfällig, hier und da wird jetzt auch an die Spendenaffäre der CDU erinnert, die immerhin bis in die Spitze der Bundespartei ging. Haben wir es jetzt mit einer lokalen oder regionalen Angelegenheit zu tun, oder war die Bundespartei informiert?

    Klöckner: Die Angelegenheit ist natürlich regional, weil sie an Personen hängt, die damals Verantwortung hatten. Und das ändert natürlich nichts daran, dass die neue CDU-Führung in Rheinland-Pfalz jetzt die Altlasten von damals beseitigen muss, und klar ist: Schuld trifft die neue Führung nicht, aber wir haben natürlich Verantwortung, und dieser Verantwortung bin ich auch gerecht geworden, indem ich sehr, sehr schnell gehandelt habe.

    Liminski: Sie werden jetzt landauf, landab bei Wahlveranstaltungen mit der Affäre konfrontiert werden. Wie wollen Sie aus der Defensive kommen?

    Klöckner: Das Interessante ist, dass ich im Land nicht ständig damit konfrontiert werde. Die Leute haben ein ganz gutes Gespür dafür, wer Täter ist und wer Aufklärer ist, und im Gegensatz zur SPD sitzen wir nicht aus, sondern wir klären auf.

    Liminski: Was sind denn Ihre programmatischen Schwerpunkte für Wahlkampf und für eine im Moment wohl eher unwahrscheinliche, aber auch nicht auszuschließende Regierungsarbeit?

    Klöckner: Ich will hier überhaupt keine Wahlkampfrede halten, deshalb auch nur drei Punkte. Ich werde, wenn ich die Möglichkeit bekomme, als Ministerpräsidentin die Bildungspolitik verbessern und den Rekordunterrichtsausfall beenden. In der Finanzpolitik muss Rheinland-Pfalz den harten Weg aus der Schuldenfalle gehen. Und ich will natürlich die Familien stärken.

    Liminski: Gestatten Sie eine Nachfrage zum Familienaspekt: Familienpolitik wird in diesem Land mittlerweile vorwiegend von Politikerinnen und Politikern gemacht, die keine Kinder haben. Das ist auch bei Ihnen der Fall. Ist das glaubwürdig?

    Klöckner: Gegenfrage: Dürfen sich Kinderlose denn keine Gedanken machen über Familie, Demografie und Sozialsysteme? Denn Familie ist der Kern aller Sozialordnungen, und ich will denen Anerkennung auch geben, die als Vater und Mutter Kinder erziehen. Aber Familie ist doch viel mehr als eigene Kinder zu haben. Ich habe einen Mitarbeiter, der jeden Tag 225 Kilometer zur Arbeit fährt und zurück. Er hat auch keine Kinder, aber einen alten Schwiegervater zu Hause. Und deshalb zieht er auch nicht nach Mainz. All das ist Familie, und ich will Anerkennung für Erziehung, Pflege, Haushalt, Verantwortung der Generationen und Ehe. Und dass ich selbst keine Kinder habe, ist eine Frage der persönlichen Lebensentwicklung.

    Liminski: Wenn die FDP den Sprung ins Landesparlament nicht schafft – wären Sie auch bereit, als Juniorpartner in eine rot-schwarze Koalition zu gehen?

    Klöckner: Wir wollen die absolute Mehrheit der SPD beenden und selbst stärkste Partei werden, und ich denke wirklich nicht über Koalitionen mit der SPD nach und schon gar nicht als Juniorpartner.

    Liminski: Noch einmal zurück zur Finanzaffäre: Das Ganze dürfte die Politikverdrossenheit stärken. Mit welcher Wahlbeteiligung rechnen Sie eigentlich?

    Klöckner: Ich rechne mit einer ordentlichen Wahlbeteiligung, und ich sage es noch mal, weil es ja tagtäglich zu erfahren ist: Die Bürger haben ein sehr, sehr gutes Gespür dafür, was Recht und was Unrecht ist, und wer schuldig ist und wer nicht schuldig ist. Und ich bin und bleibe zuversichtlich. Die CDU hat reinen Tisch gemacht, und die SPD nicht.

    Liminski: Wie die CDU in Rheinland-Pfalz mit der Finanzaffäre fertig werden will, das war aus Mainz die Vorsitzende der Landespartei und Spitzenkandidatin der Landespartei Julia Klöckner. Besten Dank für das Gespräch, Frau Klöckner!

    Klöckner: Sehr gerne, Herr Liminiski. Auf Wiederhören!