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Klöckner: Ich bin ein Fan von Quoten, aber nicht von starren

Das Unions-Modell der Flexiquote werde - anders als eine starre Regelung - der Wirklichkeit in den Betrieben gerecht, sagt Julia Klöckner. Über die internen Meinungsverschiedenheiten werde man heute im Präsidium noch einmal diskutieren, so die CDU-Chefin von Rheinland-Pfalz.

Julia Klöckner im Gespräch mit Jasper Barenberg | 15.04.2013
    Jasper Barenberg: Im Bundesrat ist es schon passiert: in der Länderkammer wurde eine gesetzliche Frauenquote nur deshalb beschlossen, weil auch Länderchefs der CDU dafür die Hand gehoben haben. Das könnte sich am Donnerstag im Bundestag wiederholen, weil so viele Abgeordnete aus dem Regierungslager mit dem Vorschlag liebäugeln, dass es der Opposition einen Sieg bescheren könnte und Kanzlerin und Koalition eine peinliche Niederlage, zumal sich auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen eine feste Quote wünscht.

    Zu denen in der CDU, die deshalb auf die Parteilinie pochen, gehört auch die stellvertretende Vorsitzende Julia Klöckner. Der Vorschlag der Opposition lautet ja, in zwei Schritten sollen die Aufsichtsräte von DAX-Unternehmen ihren Frauenanteil dann auf insgesamt 40 Prozent steigern. Was wäre daran eigentlich so schlecht? Das habe ich Julia Klöckner heute Morgen gefragt.

    Julia Klöckner: Es gibt einen klaren Parteitagsbeschluss der Union und der ist erst wenige Monate her. Wir haben die Flexi-Quote beschlossen, das ist nämlich auch eine gesetzliche Regelung, aber wird der Wirklichkeit, der Unterschiedlichkeit in den einzelnen Betrieben auch gerecht.

    Barenberg: Die Flexi-Quote, das ist der Vorschlag der zuständigen Ministerin Kristina Schröder, der auf Freiwilligkeit setzt. Nun gibt es eine solche freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft seit 2001, gebracht hat sie nichts!

    Klöckner: Es ist ja die Frage, was man unter Selbstverpflichtung versteht. Es gibt ja Selbstverpflichtungen, die keinerlei Konsequenzen haben. Aber unser Vorschlag sieht vor, dass es eine gesetzliche Verpflichtung gibt, dass einzelne Branchen sich dazu verpflichten, auch festzulegen, was sie wann erreichen möchten und welche Folgerung beziehungsweise welche Sanktion damit einhergehen muss. Man muss unterscheiden zwischen Vorständen und Aufsichtsräten. Und ich halte es für richtig, dass wir uns auch der Realität annähern, damit letztlich auch nicht der Schuss nach hinten losgeht, denn Frauen müssen ja von unten her auch rekrutiert werden. Und ich bin mir sicher, dass die Wirtschaft auch erkannt hat, dass sie auf Frauen überhaupt nicht verzichten kann, auf gute, auf qualifizierte Frauen. Wenn wir uns einfach mal die Parteien anschauen: Die haben ja selbst Flexi-Quoten. Das heißt, einige haben 50, andere 30 oder 40 Prozent oder gar keine. Und warum sollte Wirtschaft das tun können, was Politik selbst nicht schafft.

    Barenberg: Sie werben also für diese flexible Quote, Frau Klöckner. Aber ist ein Makel dieser Quote nicht, dass sie nicht im Bundestag zur Abstimmung steht, weil sich nämlich die Koalition gar nicht darauf verständigen kann?

    Klöckner: Wenn alles, was auf Parteitagen beschlossen worden ist, im Bundestag zur Abstimmung steht, dann hätten wir ein 24-Stunden-Parlament, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Also das ist die Frage: Auf was einigen sich Parteien, welchen Weg geht man. Und insofern: Fraktionen oder Koalitionsfraktionen gehen immer Kompromisse ein. Wenn Sie sich Die Linke anschauen, oder die Grünen anschauen, die bringen mit der SPD auch nicht immer gemeinsame Anträge ins Parlament ein.

    Barenberg: Es stört Sie nicht, Frau Klöckner, dass die Koalition nicht im stande ist, einen Gesetzesvorschlag zu dieser Flexi-Quote überhaupt im Bundestag zur Abstimmung zu stellen?

    Klöckner: Ich bezweifele Ihre Aussage, dass die Koalition nicht im Stande ist. Die Frage ist: Was ist jetzt gefordert und was ist jetzt notwendig' Wir brauchen Frauenförderung von unten, wir brauchen Frauenförderung nicht nur in den Schulen, sondern nachher auch in der Weiterbildung, und ich sehe schon, dass sich sehr, sehr viel getan hat in der Frage auch der Frauenbeteiligung. Aber man muss auch achtgeben, dass man Dinge nicht mit der Brechstange macht. Wir haben heute Präsidiumssitzung in Berlin mit der Kanzlerin, unserer Bundesvorsitzenden, und wir werden uns natürlich über dieses Thema unterhalten, auch überlegen, ob es vielleicht sogar noch einen Vorschlag gibt, einen Kompromissvorschlag gibt auch in Richtung Frauen in der Union. Es sind ja nicht alle Frauen, die dem Vorschlag von Rot-Grün zustimmen möchten, denn eines ist ja klar: das ist ein durchsichtiges Manöver, es ist auch ein wahltaktisches Manöver, und warum sollte man dem auf den Leim gehen.

    Barenberg: Sie haben gesagt, dass man sich heute zusammensetzen wird, um die Lage zu beraten. Wie groß ist denn Ihre Sorge, dass es schief gehen könnte am Donnerstag und die Regierung eine Niederlage einstecken muss?

    Klöckner: Ich bin da sehr gelassen. Es geht ja letztlich neben all den plakativen Forderungen wirklich um die einzelnen Schritte, die Frauen auch helfen. Ich selbst bin über das Quorum in die Politik gekommen. Das Quorum in der CDU heißt ein Drittel Frauen. Und ich sage ganz offen: Ohne dieses Quorum wäre ich nicht angesprochen worden und hätte auch nicht für die Liste damals kandidiert und dann nachher den Wahlkreis direkt gewonnen. Also ich bin ein Fan von Quoten, aber nicht von einer starren gesetzlichen, für nächstes Jahr festgelegten Quote.

    Barenberg: Die Arbeitsministerin, Ursula von der Leyen, dagegen macht sich seit Jahren schon für eine solche feste Quote stark. Warum sollte sie gegen ihre eigene Überzeugung stimmen?

    Klöckner: Es gibt ja im politischen Geschäft immer Kompromisse und es ist nicht jede Frage eine Gewissensfrage. Und nun geht es darum, zu zeigen, dass die Koalition auch handlungsfähig ist, und wir haben ja viel erreicht, auch in dem Bereich der Frauenbeteiligung. Ich als Landesvorsitzende lege großen Wert darauf, dass Frauen auch fernab der üblichen Rituale und Dekorationsfragestellung als Fachfrauen bei uns in Positionen kommen, und das muss man in die Hand nehmen. Aber allein der Buchstabe eines Gesetzes wird das nicht erreichen, und deshalb freue ich mich, dass wir heute Präsidiumssitzung haben, dass wir gemeinsam auch nach Wegen suchen, und ich bin mir sicher, dass wir vielleicht sogar einen finden heute.

    Barenberg: Ursula von der Leyen lässt derzeit noch offen, wie sie sich am Donnerstag entscheiden wird, wie sie abstimmen wird im Bundestag. Stellt sie damit auch ihre eigene politische Zukunft aufs Spiel?

    Klöckner: Nein, das würde ich auf keinen Fall sagen. Ursula von der Leyen ist eine unglaublich fachliche und talentierte und begabte Politikerin, die unabdingbar für uns als Union ist. Wir sind eine Volkspartei und eine Volkspartei hat nicht zur gleichen Zeit am gleichen Ort immer die gleiche Meinung, sondern zeichnet sich dadurch aus, dass verschiedene Gedanken dazu führen, dass man vielleicht zu einem nächsten Schritt und einem nächsten Gedanken kommt.

    Barenberg: Also Sie würden es ihr nicht übel nehmen, wenn Ursula von der Leyen die Hand hebt für den Vorschlag der Opposition am Donnerstag?

    Klöckner: Ich gehe gar nicht davon aus, dass sie die Hand dafür heben wird. Wir werden sehen. Wir haben heute noch mal Gremiensitzung. Aber ich halte es für gefährlich, grundsätzlich Kolleginnen und Kollegen zu stigmatisieren, aber jeder muss natürlich wissen, auch gerade dann, wenn man Mitglied in einer Bundesregierung ist, was wahltaktisches Manöver der Opposition ist und was letztlich auch der Handlungsbereitschaft und auch dem klaren Vorgehen einer Koalitions-, einer Regierungsfraktion auch letztlich dient. Aber die Klugheit traue ich ganz vielen zu.

    Barenberg: Weil es ja immerhin so viele sind, die mit dem Vorschlag der Opposition liebäugeln, dass es tatsächlich eine Mehrheit dafür geben könnte, Frau Klöckner – Sie haben gesagt, Sie wollen niemand stigmatisieren, der anders denkt, möglicherweise ja auch der anders handelt. Aber unter Druck setzen müssen Sie die Kolleginnen und Kollegen im Bundestag doch, oder?

    Klöckner: Dass man Gespräche führt und auch über die Konsequenzen redet, die ein Abstimmverhalten für die Koalition hat, das liegt doch auf dem Tisch, das ist ganz klar. Es wären ja die Journalisten die allerersten, die dann einem Fraktionsvorsitzenden vorwerfen würden, er hätte kein Führungsvermögen. Also dass man miteinander redet, miteinander ringt, das liegt doch in der Natur der Sache. Ansonsten wäre man keine demokratische Partei. Das ist das eine.

    Aber man kann ja Menschen nicht persönlich stigmatisieren. Ich selbst habe auch schon mal gegen die Fraktionslinie, damals im Deutschen Bundestag, bei der Gesundheitsreform gestimmt. Aber nichts desto trotz ist es doch die Frage des persönlichen Umgangs, und das andere ist die Haltung, und verständlicherweise hat ein Fraktionsvorsitzender Interesse daran, dass seine Fraktion geschlossen dann auch nach einer langen Diskussion abstimmt.

    Barenberg: Es werden Gespräche geführt, sagen Sie. CSU-Chef Horst Seehofer macht mehr als das. Er hat sich ausgerechnet für diesen Donnerstag zu einem Wahlkreisbesuch bei der Abgeordneten Dorothee Bär angemeldet. Von der wissen wir, dass sie für eine feste Quote ist und möglicherweise auch für sie abstimmen würde. Sind das die Art von Tricks, die jetzt nötig sind, um die Mehrheit, die eigene, sicherzustellen?

    Klöckner: Ich bin jetzt nicht Horst Seehofer und kann nicht über Tricks oder nicht Tricks entscheiden. Bayern ist in einem Wahljahr, und dass der Ministerpräsident unterwegs ist, das ist selbstverständlich. Wann er sich wo angekündigt hat, der Terminkalender liegt mir jetzt persönlich nicht vor.

    Barenberg: Julia Klöckner, die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende, heute Morgen hier im Gespräch im Deutschlandfunk. Vielen Dank!

    Klöckner: Sehr gerne.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.