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Kloster-Internat Ettal
Schule ohne Schüler

2010 sorgte das Internat Kloster Ettal für Negativschlagzeilen: Misshandlung von Schülern in 50er- bis 70er-Jahren lautete der Vorwurf. Inzwischen sind die Fälle aufgeklärt und Opfer entschädigt. Dennoch hat sich für das kommende Schuljahr kein einziger Fünftklässler dort angemeldet. Einen Zusammenhang sieht die Schulleitung nicht.

Von Susanne Lettenbauer | 25.07.2014
    Ein junges Mädchen schaut durch einen Türschlitz.
    Hinter verschlossenen Türen sollten über Jahre hinweg Schüler missbraucht und misshandelt worden sein. (dpa / Ole Spata)
    Die Schritte hallen laut in den gut 250 Jahre alten Klostergängen wider. In den 1950er bis 70er Jahren wurden hier nachweislich Schüler misshandelt. Eine professionelle Pädagogik hätte gefehlt, die Erzieher seien total überfordert gewesen. Dies habe die Misshandlungen im Kloster Ettal ermöglicht, ergab eine wissenschaftliche Studie 2013.
    Davon will Frater Gregor heute nichts mehr wissen. Der Internatsleiter betont, dass sich vieles verändert habe:
    "Also wir haben unser Internat und unsere Struktur ja nicht erst geändert in 2010, das ging ja schon viel früher los, dass man mehr auf Teamarbeit achtet und auch personalintensiver arbeitet. Also es ist ja nicht so, es gibt da einen Erzieher und da gibt es einen Präfekten, sondern wir haben immer ein Team."
    Gesprächsgruppen mit den Schülern zum Thema Missbrauch, Kurse zur Stärkung des Selbstvertrauens, ein personalintensiver Betreuungsschlüssel von eins zu elf, verstärkte Teambildung – die Präventionsmaßnahmen, die seit vier Jahren an der Klosterschule für die knapp 400 Schüler angeboten werden, scheinen dennoch nicht zu überzeugen. Im Schuljahr 2009/2010 habe es noch 13 Fünftklässler unter den fast 100 Internatsbewohnern gegeben, ein Jahr später sieben, im laufenden Schuljahr sind es fünf und für das kommende Schuljahr 2014/15 werden die Schlafräume der Fünftklässler leer bleiben.
    Rückgang der Anmeldezahlen im Vollinternat
    "Für die Schule selbst und das Tagesheim gibt es sehr wohl Anmeldungen. Da ist der Anmeldebereich so wie wir es kennen. Aber für das Vollinternat, das stimmt uns einerseits schon traurig, aber andererseits das ist eine Tendenz in vielen Häusern, dass einfach in der Unterstufe es weniger Kinder werden. Es sind weniger in Zeiten in denen es zumindest so vermittelt wird, gibt es G8 oder G9 oder einen Mittelweg. Und ganz menschlich sehe ich es auch, in der fünften Klasse sind die Schüler zehn Jahre alt, da tut man sich schwer zu sagen, ich entscheide mich für ein Internat."
    Dass das fehlende Interesse der Eltern direkt mit den Missbrauchsvorwürfen zusammenhängt, könne man so nicht sagen, meint der Internatsleiter. Auch der Klosterchef Abt Barnabas sieht im Rückgang der Anmeldezahlen eher einen generellen Trend:
    "Wir wissen natürlich, dass wir nicht eine Insel sind, sondern wir leben in dieser deutschen Gesellschaft. Es gibt insgesamt weniger Kinder in unseren Familien, das wissen wir landesweit, dann die Verunsicherung betreffs G8 und G9 und dann gibt es eine hervorragende Infrastruktur in unserem Land."
    Veränderte Ansichten der Eltern
    Gut 1000 Euro kostet das Klosterinternat im Monat, sechs Tage die Woche, also auch am Samstag im Klassenzimmer sitzen, dazu kommen Studierzeiten, Sonntagsgottesdienst, Musik- und Sportkurse. Wer tut sich und seinem zehn jährigen Kind das heute noch an, fragt Robert Köhler. Er besuchte neun Jahre lang das Ettaler Internat und gehört zum Vorstand des Vereins Ettaler Missbrauchsopfer. Eltern bedenken heute mehr wie früher:
    "Dass ihre Kinder beim Eintritt ins Internat bei ihnen ausziehen, das heißt, in dem Fall im Alter von zehn Jahren sehen sie ihr Kind nur noch alle sechs Wochen, wenn es zu ihnen zu Besuch kommt und nach ungefähr nach zwei Jahren ist das Kind mental ausgezogen, hat auch seine Freunde zu Hause verloren und hat sein Leben nur noch im Internat."
    Eltern nähmen davon immer häufiger Abstand, weiß auch der Verband der katholischen Internate in Deutschland. Wenn dann kämen die Schüler ab der siebten oder achten Klasse als Quereinsteiger dazu. Ein deutschlandweiter Trend. Frater Gregor vom Internat Ettal will das Schulkonzept trotzdem nicht ändern. Die Anmeldezahlen werden wieder steigen, ist er überzeugt, wann genau, wird werde man sehen.

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